+ Der berühmte Ludovisische Mars. ErDer Ludovi- sische Mars. hat ehemals den Theil einer Gruppe mit der Venus ausgemacht, denn man sieht auf den Schultern das Ueberbleibsel eines Stück Marmors, welches wahr- scheinlich die Hand der Göttin gewesen ist. Um seine Beine windet sich ein Amor, an dem Kopf und Arme modern sind; aber auch das Antike ist mit- telmäßig.
Mars ruhet. Er schlägt sitzend beide Arme über das gebogene Knie. Diese Stellung macht eine schöne Academische Figur, obgleich durch die ausge- streckten Arme, die natürlicher Weise die Muskeln des Halses verlängern, dieser Hals beim ersten An- blick von der Junktur der Arme zu weit entfernt scheint. Weder Kopf noch Körper sind bis zum Ideal hoher Schönheit hinaufgehoben. Inzwischen verdienen die fließenden Umrisse und die Weichheit des Fleisches, ohne Nachtheil für den Begriff von Stärke, den wir mit diesem Gotte verbinden, alles Lob. Neu sind: Nase, Hand und Fuß.
Mars trägt den Charakter der Tapferkeit an sich,Charakter eines Mars. die man von dem Krieger erwartet, der den Befeh- len eines andern gehorchet. Wenn Mercur durch seine Geschmeidigkeit, Hercules durch rohe Stärke sich auszeichnen, so verbindet Mars hingegen beide Vorzüge in so fern mit einander, als sie zum Streit in der Schlacht nothwendig sind. Er ist Soldat, wo Minerva Feldherr ist; Bild des Muths, der für sich steht. Ideal eines jugendlichen aber reifen
Heldens,
Villa Ludoviſi.
In dem großen Saale.
† Der beruͤhmte Ludoviſiſche Mars. ErDer Ludovi- ſiſche Mars. hat ehemals den Theil einer Gruppe mit der Venus ausgemacht, denn man ſieht auf den Schultern das Ueberbleibſel eines Stuͤck Marmors, welches wahr- ſcheinlich die Hand der Goͤttin geweſen iſt. Um ſeine Beine windet ſich ein Amor, an dem Kopf und Arme modern ſind; aber auch das Antike iſt mit- telmaͤßig.
Mars ruhet. Er ſchlaͤgt ſitzend beide Arme uͤber das gebogene Knie. Dieſe Stellung macht eine ſchoͤne Academiſche Figur, obgleich durch die ausge- ſtreckten Arme, die natuͤrlicher Weiſe die Muskeln des Halſes verlaͤngern, dieſer Hals beim erſten An- blick von der Junktur der Arme zu weit entfernt ſcheint. Weder Kopf noch Koͤrper ſind bis zum Ideal hoher Schoͤnheit hinaufgehoben. Inzwiſchen verdienen die fließenden Umriſſe und die Weichheit des Fleiſches, ohne Nachtheil fuͤr den Begriff von Staͤrke, den wir mit dieſem Gotte verbinden, alles Lob. Neu ſind: Naſe, Hand und Fuß.
Mars traͤgt den Charakter der Tapferkeit an ſich,Charakter eines Mars. die man von dem Krieger erwartet, der den Befeh- len eines andern gehorchet. Wenn Mercur durch ſeine Geſchmeidigkeit, Hercules durch rohe Staͤrke ſich auszeichnen, ſo verbindet Mars hingegen beide Vorzuͤge in ſo fern mit einander, als ſie zum Streit in der Schlacht nothwendig ſind. Er iſt Soldat, wo Minerva Feldherr iſt; Bild des Muths, der fuͤr ſich ſteht. Ideal eines jugendlichen aber reifen
Heldens,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0217"n="203"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Villa Ludoviſi.</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">In dem großen Saale.</hi></head><lb/><p>†<hirendition="#fr">Der beruͤhmte Ludoviſiſche Mars.</hi> Er<noteplace="right">Der Ludovi-<lb/>ſiſche Mars.</note><lb/>
hat ehemals den Theil einer Gruppe mit der Venus<lb/>
ausgemacht, denn man ſieht auf den Schultern das<lb/>
Ueberbleibſel eines Stuͤck Marmors, welches wahr-<lb/>ſcheinlich die Hand der Goͤttin geweſen iſt. Um<lb/>ſeine Beine windet ſich ein Amor, an dem Kopf und<lb/>
Arme modern ſind; aber auch das Antike iſt mit-<lb/>
telmaͤßig.</p><lb/><p>Mars ruhet. Er ſchlaͤgt ſitzend beide Arme<lb/>
uͤber das gebogene Knie. Dieſe Stellung macht eine<lb/>ſchoͤne Academiſche Figur, obgleich durch die ausge-<lb/>ſtreckten Arme, die natuͤrlicher Weiſe die Muskeln<lb/>
des Halſes verlaͤngern, dieſer Hals beim erſten An-<lb/>
blick von der Junktur der Arme zu weit entfernt<lb/>ſcheint. Weder Kopf noch Koͤrper ſind bis zum<lb/>
Ideal hoher Schoͤnheit hinaufgehoben. Inzwiſchen<lb/>
verdienen die fließenden Umriſſe und die Weichheit<lb/>
des Fleiſches, ohne Nachtheil fuͤr den Begriff von<lb/>
Staͤrke, den wir mit dieſem Gotte verbinden, alles<lb/>
Lob. Neu ſind: Naſe, Hand und Fuß.</p><lb/><p>Mars traͤgt den Charakter der Tapferkeit an ſich,<noteplace="right">Charakter<lb/>
eines Mars.</note><lb/>
die man von dem Krieger erwartet, der den Befeh-<lb/>
len eines andern gehorchet. Wenn Mercur durch<lb/>ſeine Geſchmeidigkeit, Hercules durch rohe Staͤrke<lb/>ſich auszeichnen, ſo verbindet Mars hingegen beide<lb/>
Vorzuͤge in ſo fern mit einander, als ſie zum Streit<lb/>
in der Schlacht nothwendig ſind. Er iſt Soldat,<lb/>
wo Minerva Feldherr iſt; Bild des Muths, der<lb/>
fuͤr ſich ſteht. Ideal eines jugendlichen aber reifen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Heldens,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[203/0217]
Villa Ludoviſi.
In dem großen Saale.
† Der beruͤhmte Ludoviſiſche Mars. Er
hat ehemals den Theil einer Gruppe mit der Venus
ausgemacht, denn man ſieht auf den Schultern das
Ueberbleibſel eines Stuͤck Marmors, welches wahr-
ſcheinlich die Hand der Goͤttin geweſen iſt. Um
ſeine Beine windet ſich ein Amor, an dem Kopf und
Arme modern ſind; aber auch das Antike iſt mit-
telmaͤßig.
Der Ludovi-
ſiſche Mars.
Mars ruhet. Er ſchlaͤgt ſitzend beide Arme
uͤber das gebogene Knie. Dieſe Stellung macht eine
ſchoͤne Academiſche Figur, obgleich durch die ausge-
ſtreckten Arme, die natuͤrlicher Weiſe die Muskeln
des Halſes verlaͤngern, dieſer Hals beim erſten An-
blick von der Junktur der Arme zu weit entfernt
ſcheint. Weder Kopf noch Koͤrper ſind bis zum
Ideal hoher Schoͤnheit hinaufgehoben. Inzwiſchen
verdienen die fließenden Umriſſe und die Weichheit
des Fleiſches, ohne Nachtheil fuͤr den Begriff von
Staͤrke, den wir mit dieſem Gotte verbinden, alles
Lob. Neu ſind: Naſe, Hand und Fuß.
Mars traͤgt den Charakter der Tapferkeit an ſich,
die man von dem Krieger erwartet, der den Befeh-
len eines andern gehorchet. Wenn Mercur durch
ſeine Geſchmeidigkeit, Hercules durch rohe Staͤrke
ſich auszeichnen, ſo verbindet Mars hingegen beide
Vorzuͤge in ſo fern mit einander, als ſie zum Streit
in der Schlacht nothwendig ſind. Er iſt Soldat,
wo Minerva Feldherr iſt; Bild des Muths, der
fuͤr ſich ſteht. Ideal eines jugendlichen aber reifen
Heldens,
Charakter
eines Mars.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/217>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.