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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Aldovrandini.
Polychrommen (Polychromata) nennt, und über
diese will ich noch einiges hinzusetzen.

Wem sind die schönen Zeichnungen der Tänzerin-
nen nicht bekannt, der Bacchantinnen, die in ihrer
Wuth die gezähmten Centauren mit den Fersen und
Stößen des Thyrsus antreiben, und in dem Museo
zu Portici aufbehalten werden! Wer hat nicht mehr
als einmahl in seinem Leben die Zeichnungen auf den
Gefäßen von gebrannter Erde bewundert! Nirgends
findet man Absätze, von neuem angesetzte Linien,
alles scheint mit einem Striche, ohne die geringste
Verbesserung hingesetzt zu seyn. Wenn man nun
bedenkt, daß der Thon sich äußerst schwer bemahlen
läßt, daß er die Feuchtigkeit der Farben sogleich ein-
zieht, und gemeiniglich in dem Pinsel nichts als Erde
zurückläßt, so wird die Geschwindigkeit und Leichtig-
keit, mit der jene so richtig, so keck hingesetzten Fi-
guren gemahlt seyn müssen, zum unerklärbaren
Wunder. Winkelmann 6) hat daher auch die große
Superiorität der alten Zeichner über die größten un-
serer Zeiten vorzüglich mit darauf gebauet, daß die
Bemahler jener Gefäße aus Thon, welche wahr-
scheinlich keine Apelles, Zeuxes, Parrhasius gewesen
sind, einen Raphael an Fertigkeit, Zuverläßigkeit
und Richtigkeit der Zeichnung übertroffen hätten.

Allein wenn man die Natur dieser Monochrom-
men etwas genauer untersucht, so wird das Wunder-
bare zum Theil wegfallen.

Die
6) G. d. K. S. 212.
Zweiter Theil. M

Villa Aldovrandini.
Polychrommen (Polychromata) nennt, und uͤber
dieſe will ich noch einiges hinzuſetzen.

Wem ſind die ſchoͤnen Zeichnungen der Taͤnzerin-
nen nicht bekannt, der Bacchantinnen, die in ihrer
Wuth die gezaͤhmten Centauren mit den Ferſen und
Stoͤßen des Thyrſus antreiben, und in dem Muſeo
zu Portici aufbehalten werden! Wer hat nicht mehr
als einmahl in ſeinem Leben die Zeichnungen auf den
Gefaͤßen von gebrannter Erde bewundert! Nirgends
findet man Abſaͤtze, von neuem angeſetzte Linien,
alles ſcheint mit einem Striche, ohne die geringſte
Verbeſſerung hingeſetzt zu ſeyn. Wenn man nun
bedenkt, daß der Thon ſich aͤußerſt ſchwer bemahlen
laͤßt, daß er die Feuchtigkeit der Farben ſogleich ein-
zieht, und gemeiniglich in dem Pinſel nichts als Erde
zuruͤcklaͤßt, ſo wird die Geſchwindigkeit und Leichtig-
keit, mit der jene ſo richtig, ſo keck hingeſetzten Fi-
guren gemahlt ſeyn muͤſſen, zum unerklaͤrbaren
Wunder. Winkelmann 6) hat daher auch die große
Superioritaͤt der alten Zeichner uͤber die groͤßten un-
ſerer Zeiten vorzuͤglich mit darauf gebauet, daß die
Bemahler jener Gefaͤße aus Thon, welche wahr-
ſcheinlich keine Apelles, Zeuxes, Parrhaſius geweſen
ſind, einen Raphael an Fertigkeit, Zuverlaͤßigkeit
und Richtigkeit der Zeichnung uͤbertroffen haͤtten.

Allein wenn man die Natur dieſer Monochrom-
men etwas genauer unterſucht, ſo wird das Wunder-
bare zum Theil wegfallen.

Die
6) G. d. K. S. 212.
Zweiter Theil. M
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[177/0191] Villa Aldovrandini. Polychrommen (Polychromata) nennt, und uͤber dieſe will ich noch einiges hinzuſetzen. Wem ſind die ſchoͤnen Zeichnungen der Taͤnzerin- nen nicht bekannt, der Bacchantinnen, die in ihrer Wuth die gezaͤhmten Centauren mit den Ferſen und Stoͤßen des Thyrſus antreiben, und in dem Muſeo zu Portici aufbehalten werden! Wer hat nicht mehr als einmahl in ſeinem Leben die Zeichnungen auf den Gefaͤßen von gebrannter Erde bewundert! Nirgends findet man Abſaͤtze, von neuem angeſetzte Linien, alles ſcheint mit einem Striche, ohne die geringſte Verbeſſerung hingeſetzt zu ſeyn. Wenn man nun bedenkt, daß der Thon ſich aͤußerſt ſchwer bemahlen laͤßt, daß er die Feuchtigkeit der Farben ſogleich ein- zieht, und gemeiniglich in dem Pinſel nichts als Erde zuruͤcklaͤßt, ſo wird die Geſchwindigkeit und Leichtig- keit, mit der jene ſo richtig, ſo keck hingeſetzten Fi- guren gemahlt ſeyn muͤſſen, zum unerklaͤrbaren Wunder. Winkelmann 6) hat daher auch die große Superioritaͤt der alten Zeichner uͤber die groͤßten un- ſerer Zeiten vorzuͤglich mit darauf gebauet, daß die Bemahler jener Gefaͤße aus Thon, welche wahr- ſcheinlich keine Apelles, Zeuxes, Parrhaſius geweſen ſind, einen Raphael an Fertigkeit, Zuverlaͤßigkeit und Richtigkeit der Zeichnung uͤbertroffen haͤtten. Allein wenn man die Natur dieſer Monochrom- men etwas genauer unterſucht, ſo wird das Wunder- bare zum Theil wegfallen. Die 6) G. d. K. S. 212. Zweiter Theil. M

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/191>, abgerufen am 22.11.2024.