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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
des erstgebohrnen Sohnes des Königs, der aufgehen-
den Hoffnung des Volks, nicht seines Vaters; ohne
jene Mischung von Güte, welche die Größe zu gleicher
Zeit so ehrwürdig und so liebenswürdig macht. --
Mit Rücksicht auf diesen Ausdruck hat der Künstler
den Meißel bis in die kleinsten Züge geführt, und einer
der größten Vorzüge dieses schönen Werks ist die voll-
kommene Harmonie, dieser Geist des Ganzen, der
über jeden seiner Theile ausgegossen ist.

Den Hohn, den Unmuth, den Winkelmann 2)
auf dem Gesichte des Gottes bemerkt, habe ich nie
darauf finden können. Ich glaube daher die Idee
eines zürnenden Siegers verwerfen zu dürfen, die
ohnehin bei mir die Empfindung eines göttlich hohen
Geistes um Etwas vermindert.

Ich halte die Deutung, die ich dieser Statue
gegeben habe, für nichts weniger als zuverläßig, ob
ich gleich finde, daß schon Hogarth 3) und Sulzer
mit mir auf ähnliche Art darüber gedacht haben.
Nur so viel glaube ich zu meiner Rechtfertigung sa-
gen zu können: Wenn mit dem ersten Eindruck, den
ein Kunstwerk auf unser Herz macht, unser Verstand
zu gleicher Zeit einen befriedigenden Aufschluß über
dessen Bestimmung erhält, so sind wir wenigstens bei
der Erklärung vor den Vorwurf eines unnöthigen
Aufwandes von Scharfsinn und eitler Witzelei ge-
sichert.

Darf
2) S. 814. der G. d. K. W. E.
3) Zergliederung der Schönheit c. II. gegen das Ende.
Imgleichen Sulzer allgem. Theorie der schönen
Wissensch. und Künste, Art. Allegorie.
D 2

Der Vaticaniſche Pallaſt.
des erſtgebohrnen Sohnes des Koͤnigs, der aufgehen-
den Hoffnung des Volks, nicht ſeines Vaters; ohne
jene Miſchung von Guͤte, welche die Groͤße zu gleicher
Zeit ſo ehrwuͤrdig und ſo liebenswuͤrdig macht. —
Mit Ruͤckſicht auf dieſen Ausdruck hat der Kuͤnſtler
den Meißel bis in die kleinſten Zuͤge gefuͤhrt, und einer
der groͤßten Vorzuͤge dieſes ſchoͤnen Werks iſt die voll-
kommene Harmonie, dieſer Geiſt des Ganzen, der
uͤber jeden ſeiner Theile ausgegoſſen iſt.

Den Hohn, den Unmuth, den Winkelmann 2)
auf dem Geſichte des Gottes bemerkt, habe ich nie
darauf finden koͤnnen. Ich glaube daher die Idee
eines zuͤrnenden Siegers verwerfen zu duͤrfen, die
ohnehin bei mir die Empfindung eines goͤttlich hohen
Geiſtes um Etwas vermindert.

Ich halte die Deutung, die ich dieſer Statue
gegeben habe, fuͤr nichts weniger als zuverlaͤßig, ob
ich gleich finde, daß ſchon Hogarth 3) und Sulzer
mit mir auf aͤhnliche Art daruͤber gedacht haben.
Nur ſo viel glaube ich zu meiner Rechtfertigung ſa-
gen zu koͤnnen: Wenn mit dem erſten Eindruck, den
ein Kunſtwerk auf unſer Herz macht, unſer Verſtand
zu gleicher Zeit einen befriedigenden Aufſchluß uͤber
deſſen Beſtimmung erhaͤlt, ſo ſind wir wenigſtens bei
der Erklaͤrung vor den Vorwurf eines unnoͤthigen
Aufwandes von Scharfſinn und eitler Witzelei ge-
ſichert.

Darf
2) S. 814. der G. d. K. W. E.
3) Zergliederung der Schoͤnheit c. II. gegen das Ende.
Imgleichen Sulzer allgem. Theorie der ſchoͤnen
Wiſſenſch. und Kuͤnſte, Art. Allegorie.
D 2
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[51/0073] Der Vaticaniſche Pallaſt. des erſtgebohrnen Sohnes des Koͤnigs, der aufgehen- den Hoffnung des Volks, nicht ſeines Vaters; ohne jene Miſchung von Guͤte, welche die Groͤße zu gleicher Zeit ſo ehrwuͤrdig und ſo liebenswuͤrdig macht. — Mit Ruͤckſicht auf dieſen Ausdruck hat der Kuͤnſtler den Meißel bis in die kleinſten Zuͤge gefuͤhrt, und einer der groͤßten Vorzuͤge dieſes ſchoͤnen Werks iſt die voll- kommene Harmonie, dieſer Geiſt des Ganzen, der uͤber jeden ſeiner Theile ausgegoſſen iſt. Den Hohn, den Unmuth, den Winkelmann 2) auf dem Geſichte des Gottes bemerkt, habe ich nie darauf finden koͤnnen. Ich glaube daher die Idee eines zuͤrnenden Siegers verwerfen zu duͤrfen, die ohnehin bei mir die Empfindung eines goͤttlich hohen Geiſtes um Etwas vermindert. Ich halte die Deutung, die ich dieſer Statue gegeben habe, fuͤr nichts weniger als zuverlaͤßig, ob ich gleich finde, daß ſchon Hogarth 3) und Sulzer mit mir auf aͤhnliche Art daruͤber gedacht haben. Nur ſo viel glaube ich zu meiner Rechtfertigung ſa- gen zu koͤnnen: Wenn mit dem erſten Eindruck, den ein Kunſtwerk auf unſer Herz macht, unſer Verſtand zu gleicher Zeit einen befriedigenden Aufſchluß uͤber deſſen Beſtimmung erhaͤlt, ſo ſind wir wenigſtens bei der Erklaͤrung vor den Vorwurf eines unnoͤthigen Aufwandes von Scharfſinn und eitler Witzelei ge- ſichert. Darf 2) S. 814. der G. d. K. W. E. 3) Zergliederung der Schoͤnheit c. II. gegen das Ende. Imgleichen Sulzer allgem. Theorie der ſchoͤnen Wiſſenſch. und Kuͤnſte, Art. Allegorie. D 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/73>, abgerufen am 24.11.2024.