schöne Natur verwandelt haben. Von den Werkendesselben werden an- geführt, um den Autor zu rechtferti- gen, wenn er die Werke, die ihn an sich tragen, der Aufmerk- samkeit des Liebhabers unwerth hält. dieser Art werde ich bei der Sammlung der Statuen auf dem Capitol reden.
Die höchste Stufe des Aegyptischen Originalstils ist Ueberwindung der Schwierigkeiten in Behandlung der härteren Marmorarten. Man bewundert in den Urhebern der Werke dieser Art den Handwerker, nicht den Künstler. Von Schönheit zeigt sich keine Ver- muthung, und Wahrheit haben sie kaum in einzelnen Theilen beobachtet.
Werke in diesem Stile sind kein Gegenstand der Aufmerksamkeit des Liebhabers; inzwischen will ich, um die Absonderung zu erleichtern, einige Kennzeichen derselben angeben.
Die Gegenstände, die wir in diesem Stile behan- delt sehen, scheinen alle mit der Verehrung der Gott- heiten dieses Volks in genauem Verhältnisse gestanden zu haben. Es sind sonderbahre Gestalten, allegorische Ungeheuer, oder Nachahmungen einer individuellen Menschenart in einem Costume, das sich mit unsern Begriffen von Schönheit nicht verträgt.
In der Ausführung haben sie einiges mit dem rohen Stile der Kindheit der Kunst bei jedem Volke gemein. Das Steife, das Gezwungene der Stel- lungen, die Unrichtigkeit der Zeichnung in den Extre- mitäten, das schlechte Verhältniß der Gliedmaaßen unter einander, und die Sorgfalt, die wir auf die mechanische Behandlung gewandt sehen.
Allein dadurch unterscheiden sie sich von den un- vollkommenen Werken der Griechen, daß diese aus übertriebenem Geschmack am Ebenmaaß, stets mit dem Senkblei und dem Winkelmaaße in der Hand die
Natur
Der Vaticaniſche Pallaſt.
ſchoͤne Natur verwandelt haben. Von den Werkendeſſelben werden an- gefuͤhrt, um den Autor zu rechtferti- gen, wenn er die Werke, die ihn an ſich tragen, der Aufmerk- ſamkeit des Liebhabers unwerth haͤlt. dieſer Art werde ich bei der Sammlung der Statuen auf dem Capitol reden.
Die hoͤchſte Stufe des Aegyptiſchen Originalſtils iſt Ueberwindung der Schwierigkeiten in Behandlung der haͤrteren Marmorarten. Man bewundert in den Urhebern der Werke dieſer Art den Handwerker, nicht den Kuͤnſtler. Von Schoͤnheit zeigt ſich keine Ver- muthung, und Wahrheit haben ſie kaum in einzelnen Theilen beobachtet.
Werke in dieſem Stile ſind kein Gegenſtand der Aufmerkſamkeit des Liebhabers; inzwiſchen will ich, um die Abſonderung zu erleichtern, einige Kennzeichen derſelben angeben.
Die Gegenſtaͤnde, die wir in dieſem Stile behan- delt ſehen, ſcheinen alle mit der Verehrung der Gott- heiten dieſes Volks in genauem Verhaͤltniſſe geſtanden zu haben. Es ſind ſonderbahre Geſtalten, allegoriſche Ungeheuer, oder Nachahmungen einer individuellen Menſchenart in einem Coſtume, das ſich mit unſern Begriffen von Schoͤnheit nicht vertraͤgt.
In der Ausfuͤhrung haben ſie einiges mit dem rohen Stile der Kindheit der Kunſt bei jedem Volke gemein. Das Steife, das Gezwungene der Stel- lungen, die Unrichtigkeit der Zeichnung in den Extre- mitaͤten, das ſchlechte Verhaͤltniß der Gliedmaaßen unter einander, und die Sorgfalt, die wir auf die mechaniſche Behandlung gewandt ſehen.
Allein dadurch unterſcheiden ſie ſich von den un- vollkommenen Werken der Griechen, daß dieſe aus uͤbertriebenem Geſchmack am Ebenmaaß, ſtets mit dem Senkblei und dem Winkelmaaße in der Hand die
Natur
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0067"n="45"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Vaticaniſche Pallaſt.</hi></fw><lb/>ſchoͤne Natur verwandelt haben. Von den Werken<noteplace="right">deſſelben<lb/>
werden an-<lb/>
gefuͤhrt, um<lb/>
den Autor zu<lb/>
rechtferti-<lb/>
gen, wenn er<lb/>
die Werke,<lb/>
die ihn an<lb/>ſich tragen,<lb/>
der Aufmerk-<lb/>ſamkeit des<lb/>
Liebhabers<lb/>
unwerth<lb/>
haͤlt.</note><lb/>
dieſer Art werde ich bei der Sammlung der Statuen<lb/>
auf dem Capitol reden.</p><lb/><p>Die hoͤchſte Stufe des Aegyptiſchen Originalſtils<lb/>
iſt Ueberwindung der Schwierigkeiten in Behandlung<lb/>
der haͤrteren Marmorarten. Man bewundert in den<lb/>
Urhebern der Werke dieſer Art den Handwerker, nicht<lb/>
den Kuͤnſtler. Von Schoͤnheit zeigt ſich keine Ver-<lb/>
muthung, und Wahrheit haben ſie kaum in einzelnen<lb/>
Theilen beobachtet.</p><lb/><p>Werke in dieſem Stile ſind kein Gegenſtand der<lb/>
Aufmerkſamkeit des Liebhabers; inzwiſchen will ich,<lb/>
um die Abſonderung zu erleichtern, einige Kennzeichen<lb/>
derſelben angeben.</p><lb/><p>Die Gegenſtaͤnde, die wir in dieſem Stile behan-<lb/>
delt ſehen, ſcheinen alle mit der Verehrung der Gott-<lb/>
heiten dieſes Volks in genauem Verhaͤltniſſe geſtanden<lb/>
zu haben. Es ſind ſonderbahre Geſtalten, allegoriſche<lb/>
Ungeheuer, oder Nachahmungen einer individuellen<lb/>
Menſchenart in einem Coſtume, das ſich mit unſern<lb/>
Begriffen von Schoͤnheit nicht vertraͤgt.</p><lb/><p>In der Ausfuͤhrung haben ſie einiges mit dem<lb/>
rohen Stile der Kindheit der Kunſt bei jedem Volke<lb/>
gemein. Das Steife, das Gezwungene der Stel-<lb/>
lungen, die Unrichtigkeit der Zeichnung in den Extre-<lb/>
mitaͤten, das ſchlechte Verhaͤltniß der Gliedmaaßen<lb/>
unter einander, und die Sorgfalt, die wir auf die<lb/>
mechaniſche Behandlung gewandt ſehen.</p><lb/><p>Allein dadurch unterſcheiden ſie ſich von den un-<lb/>
vollkommenen Werken der Griechen, daß dieſe aus<lb/>
uͤbertriebenem Geſchmack am Ebenmaaß, ſtets mit<lb/>
dem Senkblei und dem Winkelmaaße in der Hand die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Natur</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[45/0067]
Der Vaticaniſche Pallaſt.
ſchoͤne Natur verwandelt haben. Von den Werken
dieſer Art werde ich bei der Sammlung der Statuen
auf dem Capitol reden.
deſſelben
werden an-
gefuͤhrt, um
den Autor zu
rechtferti-
gen, wenn er
die Werke,
die ihn an
ſich tragen,
der Aufmerk-
ſamkeit des
Liebhabers
unwerth
haͤlt.
Die hoͤchſte Stufe des Aegyptiſchen Originalſtils
iſt Ueberwindung der Schwierigkeiten in Behandlung
der haͤrteren Marmorarten. Man bewundert in den
Urhebern der Werke dieſer Art den Handwerker, nicht
den Kuͤnſtler. Von Schoͤnheit zeigt ſich keine Ver-
muthung, und Wahrheit haben ſie kaum in einzelnen
Theilen beobachtet.
Werke in dieſem Stile ſind kein Gegenſtand der
Aufmerkſamkeit des Liebhabers; inzwiſchen will ich,
um die Abſonderung zu erleichtern, einige Kennzeichen
derſelben angeben.
Die Gegenſtaͤnde, die wir in dieſem Stile behan-
delt ſehen, ſcheinen alle mit der Verehrung der Gott-
heiten dieſes Volks in genauem Verhaͤltniſſe geſtanden
zu haben. Es ſind ſonderbahre Geſtalten, allegoriſche
Ungeheuer, oder Nachahmungen einer individuellen
Menſchenart in einem Coſtume, das ſich mit unſern
Begriffen von Schoͤnheit nicht vertraͤgt.
In der Ausfuͤhrung haben ſie einiges mit dem
rohen Stile der Kindheit der Kunſt bei jedem Volke
gemein. Das Steife, das Gezwungene der Stel-
lungen, die Unrichtigkeit der Zeichnung in den Extre-
mitaͤten, das ſchlechte Verhaͤltniß der Gliedmaaßen
unter einander, und die Sorgfalt, die wir auf die
mechaniſche Behandlung gewandt ſehen.
Allein dadurch unterſcheiden ſie ſich von den un-
vollkommenen Werken der Griechen, daß dieſe aus
uͤbertriebenem Geſchmack am Ebenmaaß, ſtets mit
dem Senkblei und dem Winkelmaaße in der Hand die
Natur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/67>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.