Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.Ueber die Statuen die man für Ue- berbleibsel ehemaliger Gruppen der Familie der Niobe hält. So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen, die ihrer Stellung nach zu jener Fabel passen, und in dem Stile, der etwas hart und trocken ist, den Figu- ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das unglückliche Schicksal der Kinder der Niobe ein oft wiederholter Gegenstand der alten Kunst gewesen sey, leidet keinen Zweifel. Darum möchte ich aber die Gewähr nicht übernehmen, daß alle die Figuren, die man für zerstreute Ueberbleibsel solcher Vorstellungen ausgibt, es würklich sind. Die männlichen wer- den gewiß oft mit Ringern verwechselt, und die weiblichen haben schon oft für Psyche u. s. w. gelten müssen.
Sonderbar sind hier die angedeuteten Haare über der Schaam des Jünglings.
+ Eine stehende bekleidete Figur eines al-Zeno. ten Mannes, wahrscheinlich eines Philosophen, be- kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller Wahrheit. Die Zeichnung ist sehr richtig, und das Gewand vortrefflich. Als Vorstellung des ernsten, nicht über die gemeine Natur erhabenen, Alters, kann man dieses Werk classisch nennen. Der Nahme ist ihm ohne Grund beigelegt.
Büsten.
Unter der großen Menge von denen, die hier stehen, und die größestentheils Dichter, Philosophen und griechische Helden abzubilden scheinen, bemerke
ich:
P 5
Das Capitol.
An Statuen finden ſich in dieſem Zimmer:
Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.Ueber die Statuen die man fuͤr Ue- berbleibſel ehemaliger Gruppen der Familie der Niobe haͤlt. So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen, die ihrer Stellung nach zu jener Fabel paſſen, und in dem Stile, der etwas hart und trocken iſt, den Figu- ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das ungluͤckliche Schickſal der Kinder der Niobe ein oft wiederholter Gegenſtand der alten Kunſt geweſen ſey, leidet keinen Zweifel. Darum moͤchte ich aber die Gewaͤhr nicht uͤbernehmen, daß alle die Figuren, die man fuͤr zerſtreute Ueberbleibſel ſolcher Vorſtellungen ausgibt, es wuͤrklich ſind. Die maͤnnlichen wer- den gewiß oft mit Ringern verwechſelt, und die weiblichen haben ſchon oft fuͤr Pſyche u. ſ. w. gelten muͤſſen.
Sonderbar ſind hier die angedeuteten Haare uͤber der Schaam des Juͤnglings.
† Eine ſtehende bekleidete Figur eines al-Zeno. ten Mannes, wahrſcheinlich eines Philoſophen, be- kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller Wahrheit. Die Zeichnung iſt ſehr richtig, und das Gewand vortrefflich. Als Vorſtellung des ernſten, nicht uͤber die gemeine Natur erhabenen, Alters, kann man dieſes Werk claſſiſch nennen. Der Nahme iſt ihm ohne Grund beigelegt.
Buͤſten.
Unter der großen Menge von denen, die hier ſtehen, und die groͤßeſtentheils Dichter, Philoſophen und griechiſche Helden abzubilden ſcheinen, bemerke
ich:
P 5
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Das Capitol.
An Statuen finden ſich in dieſem
Zimmer:
Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.
So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen,
die ihrer Stellung nach zu jener Fabel paſſen, und in
dem Stile, der etwas hart und trocken iſt, den Figu-
ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das
ungluͤckliche Schickſal der Kinder der Niobe ein oft
wiederholter Gegenſtand der alten Kunſt geweſen ſey,
leidet keinen Zweifel. Darum moͤchte ich aber die
Gewaͤhr nicht uͤbernehmen, daß alle die Figuren, die
man fuͤr zerſtreute Ueberbleibſel ſolcher Vorſtellungen
ausgibt, es wuͤrklich ſind. Die maͤnnlichen wer-
den gewiß oft mit Ringern verwechſelt, und die
weiblichen haben ſchon oft fuͤr Pſyche u. ſ. w. gelten
muͤſſen.
Ueber die
Statuen die
man fuͤr Ue-
berbleibſel
ehemaliger
Gruppen der
Familie der
Niobe haͤlt.
Sonderbar ſind hier die angedeuteten Haare uͤber
der Schaam des Juͤnglings.
† Eine ſtehende bekleidete Figur eines al-
ten Mannes, wahrſcheinlich eines Philoſophen, be-
kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller
Wahrheit. Die Zeichnung iſt ſehr richtig, und das
Gewand vortrefflich. Als Vorſtellung des ernſten,
nicht uͤber die gemeine Natur erhabenen, Alters,
kann man dieſes Werk claſſiſch nennen. Der Nahme
iſt ihm ohne Grund beigelegt.
Zeno.
Buͤſten.
Unter der großen Menge von denen, die hier
ſtehen, und die groͤßeſtentheils Dichter, Philoſophen
und griechiſche Helden abzubilden ſcheinen, bemerke
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/255>, abgerufen am 04.03.2025.
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