+ Ein Faun, der sich auf einen Stamm lehnt, die linke Hand in die Seite stützt, und in der rechten eine Flöte hält. Ich habe keine beträchtliche Ergän- zungen daran bemerkt. Unter den vielen Wiederho- lungen ähnlicher Vorstellungen, die man in Rom siehet, ist diese unstreitig die schönste. Das Gesicht hat etwas sehr gefälliges, und nichts von dem bäuri- schen Lächeln, das man gemeiniglich in andern Sta- tuen von Faunen sieht. Es ist vielmehr die Darstel- lung einer schönen aber unverfeinerten Natur.
Ich habe bereits oben den ungegründeten Unter-Charakter der Faunen. schied bemerkt, den man gemeiniglich zwischen Fau- nen und Satyren macht. Der Herr Hofrath Heyne 34) hat, wie mich dünkt, unwiderlegbar dar- gethan: daß Faun der römische Nahme des griechi- schen Satyrs sey. Der allgemeine Charakter der Faunen oder Satyren überhaupt ist ländliche Einfalt, unverfeinerte Natur: Die auffallendsten Bestim- mungszeichen sind spitze Ohren und Geisschwanz, im- gleichen Warzen unter dem Kinn, (letztere sind jedoch an den edleren Figuren selten,) die sie wahrscheinlich der Bekleidung roher Menschen mit Thierhäuten zu verdanken haben.
Allein es ist mir keine Vorstellungsart unter den Antiken bekannt, die die alten Künstler von der rohen bäurischen Ausgelassenheit an, bis zur Grazie ländli- cher Unbefangenheit auf so mannichfaltige Art modifi- ciret hätten. Der Faun in Florenz und der Faun im Capitol scheinen kaum Wesen einer Art zu seyn.
Dieser
34) In dem II. Stück seiner Antiquar. Aufsätze.
P 3
Das Capitol.
† Ein Faun, der ſich auf einen Stamm lehnt, die linke Hand in die Seite ſtuͤtzt, und in der rechten eine Floͤte haͤlt. Ich habe keine betraͤchtliche Ergaͤn- zungen daran bemerkt. Unter den vielen Wiederho- lungen aͤhnlicher Vorſtellungen, die man in Rom ſiehet, iſt dieſe unſtreitig die ſchoͤnſte. Das Geſicht hat etwas ſehr gefaͤlliges, und nichts von dem baͤuri- ſchen Laͤcheln, das man gemeiniglich in andern Sta- tuen von Faunen ſieht. Es iſt vielmehr die Darſtel- lung einer ſchoͤnen aber unverfeinerten Natur.
Ich habe bereits oben den ungegruͤndeten Unter-Charakter der Faunen. ſchied bemerkt, den man gemeiniglich zwiſchen Fau- nen und Satyren macht. Der Herr Hofrath Heyne 34) hat, wie mich duͤnkt, unwiderlegbar dar- gethan: daß Faun der roͤmiſche Nahme des griechi- ſchen Satyrs ſey. Der allgemeine Charakter der Faunen oder Satyren uͤberhaupt iſt laͤndliche Einfalt, unverfeinerte Natur: Die auffallendſten Beſtim- mungszeichen ſind ſpitze Ohren und Geisſchwanz, im- gleichen Warzen unter dem Kinn, (letztere ſind jedoch an den edleren Figuren ſelten,) die ſie wahrſcheinlich der Bekleidung roher Menſchen mit Thierhaͤuten zu verdanken haben.
Allein es iſt mir keine Vorſtellungsart unter den Antiken bekannt, die die alten Kuͤnſtler von der rohen baͤuriſchen Ausgelaſſenheit an, bis zur Grazie laͤndli- cher Unbefangenheit auf ſo mannichfaltige Art modifi- ciret haͤtten. Der Faun in Florenz und der Faun im Capitol ſcheinen kaum Weſen einer Art zu ſeyn.
Dieſer
34) In dem II. Stuͤck ſeiner Antiquar. Aufſaͤtze.
P 3
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Das Capitol.
† Ein Faun, der ſich auf einen Stamm lehnt,
die linke Hand in die Seite ſtuͤtzt, und in der rechten
eine Floͤte haͤlt. Ich habe keine betraͤchtliche Ergaͤn-
zungen daran bemerkt. Unter den vielen Wiederho-
lungen aͤhnlicher Vorſtellungen, die man in Rom
ſiehet, iſt dieſe unſtreitig die ſchoͤnſte. Das Geſicht
hat etwas ſehr gefaͤlliges, und nichts von dem baͤuri-
ſchen Laͤcheln, das man gemeiniglich in andern Sta-
tuen von Faunen ſieht. Es iſt vielmehr die Darſtel-
lung einer ſchoͤnen aber unverfeinerten Natur.
Ich habe bereits oben den ungegruͤndeten Unter-
ſchied bemerkt, den man gemeiniglich zwiſchen Fau-
nen und Satyren macht. Der Herr Hofrath
Heyne 34) hat, wie mich duͤnkt, unwiderlegbar dar-
gethan: daß Faun der roͤmiſche Nahme des griechi-
ſchen Satyrs ſey. Der allgemeine Charakter der
Faunen oder Satyren uͤberhaupt iſt laͤndliche Einfalt,
unverfeinerte Natur: Die auffallendſten Beſtim-
mungszeichen ſind ſpitze Ohren und Geisſchwanz, im-
gleichen Warzen unter dem Kinn, (letztere ſind jedoch
an den edleren Figuren ſelten,) die ſie wahrſcheinlich
der Bekleidung roher Menſchen mit Thierhaͤuten zu
verdanken haben.
Charakter
der Faunen.
Allein es iſt mir keine Vorſtellungsart unter den
Antiken bekannt, die die alten Kuͤnſtler von der rohen
baͤuriſchen Ausgelaſſenheit an, bis zur Grazie laͤndli-
cher Unbefangenheit auf ſo mannichfaltige Art modifi-
ciret haͤtten. Der Faun in Florenz und der Faun im
Capitol ſcheinen kaum Weſen einer Art zu ſeyn.
Dieſer
34) In dem II. Stuͤck ſeiner Antiquar. Aufſaͤtze.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/251>, abgerufen am 16.07.2024.
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