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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
Begebenheit, einer Situation, die an sich eines zu-
sammenhängenden, und für Herz und Einbildungs-
kraft interessanten Ausdrucks fähig ist. Die geheime
Bedeutung verstärke den Antheil, den wir an dem
Sichtbaren nehmen, nie aber sey sie einziger Schlüs-
sel, einziges Motiv, einziger Grund der Vereinigung
mehrerer unthätigen oder handelnden Wesen.

So wird der Verstand nicht auf Kosten des
Herzens Unterhaltung finden, so wird das Bild durch
den Gedanken, der Gedanke durch das Bild ge-
winnen.

Und nun zur Beurtheilung des Gemähldes, das
wir vor uns haben.

Fortschritt
zur Beurthei-
lung des
mittleren Ge-
mähldes an
diesem Pla-
fond.

Ist der Gedanke der hier zum Grunde liegt, über-
haupt einer Verkörperung fähig? Nein! er ist zu
complicirt, um je in einer sinnlichen coexistirenden
Vorstellung zusammengefaßt zu werden. Die Ge-
schichte schreibt die Thaten auf, die Gedächtniß und
Scharfsichtigkeit ihr darbieten; Sie bedient sich dazu
auch der Urkunden; so fixirt, so heftet sie die Zeit an,
und die Renommee breitet den Ruf der Anstalten aus,
die zum Besten der Geschichte gemacht sind.

Dies sind eine Menge progressiver Handlungen,
die sich nicht einst in den Begriff von dem Vor-
theile aufbewahrter Urkunden zusammen zwängen
lassen, viel weniger in ein coexistirendes, mit einem
Blick zu übersehendes, Ganze vereiniget werden
mögen.

Wäre aber auch die Versinnlichung möglich, so
sind doch die Mittel, die Mengs dazu gebraucht hat,
fehlerhaft gewählt. Es ist unnatürlich, die Befesti-

gung

Der Vaticaniſche Pallaſt.
Begebenheit, einer Situation, die an ſich eines zu-
ſammenhaͤngenden, und fuͤr Herz und Einbildungs-
kraft intereſſanten Ausdrucks faͤhig iſt. Die geheime
Bedeutung verſtaͤrke den Antheil, den wir an dem
Sichtbaren nehmen, nie aber ſey ſie einziger Schluͤſ-
ſel, einziges Motiv, einziger Grund der Vereinigung
mehrerer unthaͤtigen oder handelnden Weſen.

So wird der Verſtand nicht auf Koſten des
Herzens Unterhaltung finden, ſo wird das Bild durch
den Gedanken, der Gedanke durch das Bild ge-
winnen.

Und nun zur Beurtheilung des Gemaͤhldes, das
wir vor uns haben.

Fortſchritt
zur Beurthei-
lung des
mittleren Ge-
maͤhldes an
dieſem Pla-
fond.

Iſt der Gedanke der hier zum Grunde liegt, uͤber-
haupt einer Verkoͤrperung faͤhig? Nein! er iſt zu
complicirt, um je in einer ſinnlichen coexiſtirenden
Vorſtellung zuſammengefaßt zu werden. Die Ge-
ſchichte ſchreibt die Thaten auf, die Gedaͤchtniß und
Scharfſichtigkeit ihr darbieten; Sie bedient ſich dazu
auch der Urkunden; ſo fixirt, ſo heftet ſie die Zeit an,
und die Renommee breitet den Ruf der Anſtalten aus,
die zum Beſten der Geſchichte gemacht ſind.

Dies ſind eine Menge progreſſiver Handlungen,
die ſich nicht einſt in den Begriff von dem Vor-
theile aufbewahrter Urkunden zuſammen zwaͤngen
laſſen, viel weniger in ein coexiſtirendes, mit einem
Blick zu uͤberſehendes, Ganze vereiniget werden
moͤgen.

Waͤre aber auch die Verſinnlichung moͤglich, ſo
ſind doch die Mittel, die Mengs dazu gebraucht hat,
fehlerhaft gewaͤhlt. Es iſt unnatuͤrlich, die Befeſti-

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[196/0218] Der Vaticaniſche Pallaſt. Begebenheit, einer Situation, die an ſich eines zu- ſammenhaͤngenden, und fuͤr Herz und Einbildungs- kraft intereſſanten Ausdrucks faͤhig iſt. Die geheime Bedeutung verſtaͤrke den Antheil, den wir an dem Sichtbaren nehmen, nie aber ſey ſie einziger Schluͤſ- ſel, einziges Motiv, einziger Grund der Vereinigung mehrerer unthaͤtigen oder handelnden Weſen. So wird der Verſtand nicht auf Koſten des Herzens Unterhaltung finden, ſo wird das Bild durch den Gedanken, der Gedanke durch das Bild ge- winnen. Und nun zur Beurtheilung des Gemaͤhldes, das wir vor uns haben. Iſt der Gedanke der hier zum Grunde liegt, uͤber- haupt einer Verkoͤrperung faͤhig? Nein! er iſt zu complicirt, um je in einer ſinnlichen coexiſtirenden Vorſtellung zuſammengefaßt zu werden. Die Ge- ſchichte ſchreibt die Thaten auf, die Gedaͤchtniß und Scharfſichtigkeit ihr darbieten; Sie bedient ſich dazu auch der Urkunden; ſo fixirt, ſo heftet ſie die Zeit an, und die Renommee breitet den Ruf der Anſtalten aus, die zum Beſten der Geſchichte gemacht ſind. Dies ſind eine Menge progreſſiver Handlungen, die ſich nicht einſt in den Begriff von dem Vor- theile aufbewahrter Urkunden zuſammen zwaͤngen laſſen, viel weniger in ein coexiſtirendes, mit einem Blick zu uͤberſehendes, Ganze vereiniget werden moͤgen. Waͤre aber auch die Verſinnlichung moͤglich, ſo ſind doch die Mittel, die Mengs dazu gebraucht hat, fehlerhaft gewaͤhlt. Es iſt unnatuͤrlich, die Befeſti- gung

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/218>, abgerufen am 26.11.2024.