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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
einstimmung die ganze Zeit der langwierigen mechani-
schen Behandlung hindurch unverrückt festzuhalten,
dazu zu setzen, davon abzunehmen, ohne daß die
erste ursprüngliche Idee eine wesentliche Veränderung
leiden könnte.

Diese göttliche Gabe, mit der vielleicht nie ein
Mensch jenseits der Alpen gebohren worden ist, scheint
mir nicht der Antheil des Raphael Mengs gewesen zu
seyn. Sanzio schuf in seinem Kopfe und verbesserte
nach den Antiken und den Werken seiner Vorgänger:
Mengs las das Beste aus den Antiken und den Neue-
ren zusammen, und schuf auf dem Plane des Bildes.
Die Werke des ersten gleichen dem Guß eines Spie-
gels, den ein Hauch über die Fläche geblasen hat, die
Werke des letzten eingelegter Arbeit, die durch den
Fleiß des Florentiners aus kostbaren Ueberbleibseln des
Alterthums zusammengefuget worden. Ich rede von
weitläuftigen Compositionen.

Das Gefühl sittlicher Schönheit, und die Em-
pfindung des sinnlich Schönen hängen vielleicht in
dem Geiste des Menschen von einer und derselben Fä-
higkeit ab. Die verschiedene Richtung, welche ihr
äußere Verhältnisse und begleitende Seelenkräfte in
der Anwendung geben, bringt vielleicht ihren Pro-
ductionen bald den Nahmen eines schönen Kunstwerks
zu Wege, bald den Nahmen einer schönen That.
Um in den stillen Scenen des Mittelstandes, um im
engen Cirkel häuslicher Verbindungen, als Weiser,
Freude und Heiterkeit um sich her zu verbreiten, be-
darf es nur eines sanften Charakters, gemäßigter
Affekten, und einer ruhigen Achtsamkeit auf das was

andere
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
einſtimmung die ganze Zeit der langwierigen mechani-
ſchen Behandlung hindurch unverruͤckt feſtzuhalten,
dazu zu ſetzen, davon abzunehmen, ohne daß die
erſte urſpruͤngliche Idee eine weſentliche Veraͤnderung
leiden koͤnnte.

Dieſe goͤttliche Gabe, mit der vielleicht nie ein
Menſch jenſeits der Alpen gebohren worden iſt, ſcheint
mir nicht der Antheil des Raphael Mengs geweſen zu
ſeyn. Sanzio ſchuf in ſeinem Kopfe und verbeſſerte
nach den Antiken und den Werken ſeiner Vorgaͤnger:
Mengs las das Beſte aus den Antiken und den Neue-
ren zuſammen, und ſchuf auf dem Plane des Bildes.
Die Werke des erſten gleichen dem Guß eines Spie-
gels, den ein Hauch uͤber die Flaͤche geblaſen hat, die
Werke des letzten eingelegter Arbeit, die durch den
Fleiß des Florentiners aus koſtbaren Ueberbleibſeln des
Alterthums zuſammengefuget worden. Ich rede von
weitlaͤuftigen Compoſitionen.

Das Gefuͤhl ſittlicher Schoͤnheit, und die Em-
pfindung des ſinnlich Schoͤnen haͤngen vielleicht in
dem Geiſte des Menſchen von einer und derſelben Faͤ-
higkeit ab. Die verſchiedene Richtung, welche ihr
aͤußere Verhaͤltniſſe und begleitende Seelenkraͤfte in
der Anwendung geben, bringt vielleicht ihren Pro-
ductionen bald den Nahmen eines ſchoͤnen Kunſtwerks
zu Wege, bald den Nahmen einer ſchoͤnen That.
Um in den ſtillen Scenen des Mittelſtandes, um im
engen Cirkel haͤuslicher Verbindungen, als Weiſer,
Freude und Heiterkeit um ſich her zu verbreiten, be-
darf es nur eines ſanften Charakters, gemaͤßigter
Affekten, und einer ruhigen Achtſamkeit auf das was

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[185/0207] Der Vaticaniſche Pallaſt. einſtimmung die ganze Zeit der langwierigen mechani- ſchen Behandlung hindurch unverruͤckt feſtzuhalten, dazu zu ſetzen, davon abzunehmen, ohne daß die erſte urſpruͤngliche Idee eine weſentliche Veraͤnderung leiden koͤnnte. Dieſe goͤttliche Gabe, mit der vielleicht nie ein Menſch jenſeits der Alpen gebohren worden iſt, ſcheint mir nicht der Antheil des Raphael Mengs geweſen zu ſeyn. Sanzio ſchuf in ſeinem Kopfe und verbeſſerte nach den Antiken und den Werken ſeiner Vorgaͤnger: Mengs las das Beſte aus den Antiken und den Neue- ren zuſammen, und ſchuf auf dem Plane des Bildes. Die Werke des erſten gleichen dem Guß eines Spie- gels, den ein Hauch uͤber die Flaͤche geblaſen hat, die Werke des letzten eingelegter Arbeit, die durch den Fleiß des Florentiners aus koſtbaren Ueberbleibſeln des Alterthums zuſammengefuget worden. Ich rede von weitlaͤuftigen Compoſitionen. Das Gefuͤhl ſittlicher Schoͤnheit, und die Em- pfindung des ſinnlich Schoͤnen haͤngen vielleicht in dem Geiſte des Menſchen von einer und derſelben Faͤ- higkeit ab. Die verſchiedene Richtung, welche ihr aͤußere Verhaͤltniſſe und begleitende Seelenkraͤfte in der Anwendung geben, bringt vielleicht ihren Pro- ductionen bald den Nahmen eines ſchoͤnen Kunſtwerks zu Wege, bald den Nahmen einer ſchoͤnen That. Um in den ſtillen Scenen des Mittelſtandes, um im engen Cirkel haͤuslicher Verbindungen, als Weiſer, Freude und Heiterkeit um ſich her zu verbreiten, be- darf es nur eines ſanften Charakters, gemaͤßigter Affekten, und einer ruhigen Achtſamkeit auf das was andere M 5

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/207>, abgerufen am 25.11.2024.