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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
gen, unempfindlich gegen allen äußern Eindruck zu
seyn scheint.

Der Cyniker Diogenes streckt sich mit anmaaßen-
der Indifferenz auf die Treppe, und überschauet mit
trotzender Selbstgenügsamkeit die Tafel, die er be-
schrieben hat. Ort und Stellung scheinen mir beide
im Charakter.

Hart an dem Diogenes steht ein Jüngling, der
Lust zu haben scheint, der Secte des Diogenes zu fol-
gen; aber ein älterer Philosoph zeigt ihm den Aristo-
teles an. Der Ausdruck dieser beiden Figuren ist
unvergleichlich.

Ich komme nun auf die berühmte Gruppe des
Archimedes, die die bedeutendsten Figuren enthält,
welche nach meiner Einsicht je in der Mahlerei hervor-
gebracht sind. Bramante unter der Figur des Ar-
chimedes erklärt seinen Schülern eine mathematische
Figur. Einer von ihnen, auf dessen Stirne man
die Unfähigkeit des Geistes liest, der darin wohnt,
ohne daß jedoch der Mahler sie mit einer Carricatur
von Stupidität gebrandmarkt hätte, strengt alle die
wenigen Seelenkräfte an, die ihm die Natur verlie-
hen hat, um die Worte seines Lehrers zu verstehen.
Er zählt sie an den Fingern nach, und huckt nieder,
um dem Ausmessen des Cirkels desto besser nachzu-
staunen. Derjenige, der bei ihm steht, ist gerade in
dem Augenblicke ergriffen, wo es anfängt, hell in
seiner Seele zu werden: Auch er hat, um besser zu
sehen, auf den Knien gelegen, aber nun hebt er sich
in die Höhe, und die freudig geöffneten Lippen und

der
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
gen, unempfindlich gegen allen aͤußern Eindruck zu
ſeyn ſcheint.

Der Cyniker Diogenes ſtreckt ſich mit anmaaßen-
der Indifferenz auf die Treppe, und uͤberſchauet mit
trotzender Selbſtgenuͤgſamkeit die Tafel, die er be-
ſchrieben hat. Ort und Stellung ſcheinen mir beide
im Charakter.

Hart an dem Diogenes ſteht ein Juͤngling, der
Luſt zu haben ſcheint, der Secte des Diogenes zu fol-
gen; aber ein aͤlterer Philoſoph zeigt ihm den Ariſto-
teles an. Der Ausdruck dieſer beiden Figuren iſt
unvergleichlich.

Ich komme nun auf die beruͤhmte Gruppe des
Archimedes, die die bedeutendſten Figuren enthaͤlt,
welche nach meiner Einſicht je in der Mahlerei hervor-
gebracht ſind. Bramante unter der Figur des Ar-
chimedes erklaͤrt ſeinen Schuͤlern eine mathematiſche
Figur. Einer von ihnen, auf deſſen Stirne man
die Unfaͤhigkeit des Geiſtes lieſt, der darin wohnt,
ohne daß jedoch der Mahler ſie mit einer Carricatur
von Stupiditaͤt gebrandmarkt haͤtte, ſtrengt alle die
wenigen Seelenkraͤfte an, die ihm die Natur verlie-
hen hat, um die Worte ſeines Lehrers zu verſtehen.
Er zaͤhlt ſie an den Fingern nach, und huckt nieder,
um dem Ausmeſſen des Cirkels deſto beſſer nachzu-
ſtaunen. Derjenige, der bei ihm ſteht, iſt gerade in
dem Augenblicke ergriffen, wo es anfaͤngt, hell in
ſeiner Seele zu werden: Auch er hat, um beſſer zu
ſehen, auf den Knien gelegen, aber nun hebt er ſich
in die Hoͤhe, und die freudig geoͤffneten Lippen und

der
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[167/0189] Der Vaticaniſche Pallaſt. gen, unempfindlich gegen allen aͤußern Eindruck zu ſeyn ſcheint. Der Cyniker Diogenes ſtreckt ſich mit anmaaßen- der Indifferenz auf die Treppe, und uͤberſchauet mit trotzender Selbſtgenuͤgſamkeit die Tafel, die er be- ſchrieben hat. Ort und Stellung ſcheinen mir beide im Charakter. Hart an dem Diogenes ſteht ein Juͤngling, der Luſt zu haben ſcheint, der Secte des Diogenes zu fol- gen; aber ein aͤlterer Philoſoph zeigt ihm den Ariſto- teles an. Der Ausdruck dieſer beiden Figuren iſt unvergleichlich. Ich komme nun auf die beruͤhmte Gruppe des Archimedes, die die bedeutendſten Figuren enthaͤlt, welche nach meiner Einſicht je in der Mahlerei hervor- gebracht ſind. Bramante unter der Figur des Ar- chimedes erklaͤrt ſeinen Schuͤlern eine mathematiſche Figur. Einer von ihnen, auf deſſen Stirne man die Unfaͤhigkeit des Geiſtes lieſt, der darin wohnt, ohne daß jedoch der Mahler ſie mit einer Carricatur von Stupiditaͤt gebrandmarkt haͤtte, ſtrengt alle die wenigen Seelenkraͤfte an, die ihm die Natur verlie- hen hat, um die Worte ſeines Lehrers zu verſtehen. Er zaͤhlt ſie an den Fingern nach, und huckt nieder, um dem Ausmeſſen des Cirkels deſto beſſer nachzu- ſtaunen. Derjenige, der bei ihm ſteht, iſt gerade in dem Augenblicke ergriffen, wo es anfaͤngt, hell in ſeiner Seele zu werden: Auch er hat, um beſſer zu ſehen, auf den Knien gelegen, aber nun hebt er ſich in die Hoͤhe, und die freudig geoͤffneten Lippen und der L 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/189>, abgerufen am 24.11.2024.