und doch edle Stellung des jungen Helden im Helme, den Alcibiades, den Liebling der Natur, an den sie ihre Gaben verschwendet hatte.
Man braucht kein besonderer Bemerker zu seyn, um in jenem andern Kopfe mit der Mütze den halb- aufgeklärten Dünkel zu erkennen, der sich gern den Anstrich der Weisheit geben möchte, und nur hört, um Einwürfe zu machen.
Die hinterste Figur verbindet diese Gruppe mit den Personen, die durch einen Seiteneingang in das Gebäude eilen. Sie winket sie zum Socrates herzu. Der Jüngling, der dem Winke folgt, und beinahe nackt seine Schrift-Rollen unter dem Arme trägt, ist ein Bild der rohen Natur, die vor Begierde brennt, sich zu unterrichten.
Der wohlgemästete Wollüstling mit Weinlaub bekränzt, -- nicht Eichenlaub, wie Bellori träumt -- scheint Epicur zu seyn, nach der falschen Vorstellungs- art, die man sich dazumahl von seinen Lehrbegriffen machte. Der Alte, der mit dem Kinde auf den Armen bei ihm steht, gilt einigen für den Epichar- mus, anderen, für einen Vater, der sein Kind früh in die Schule der Weisen bringt. Ich glaube, bei- des wird ohne hinlänglichen Grund behauptet: es ist vielmehr zu glauben, der Künstler habe damit sagen wollen, die Philosophie des Epicur sey eine Philoso- phie für schwache Köpfe, und selbstische Herzen der Kinder und der Greise.
Pythagoras ist der Philosoph, der die Folge einer langen Reihe von Ideen in ein Buch schreibt,
welches
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
und doch edle Stellung des jungen Helden im Helme, den Alcibiades, den Liebling der Natur, an den ſie ihre Gaben verſchwendet hatte.
Man braucht kein beſonderer Bemerker zu ſeyn, um in jenem andern Kopfe mit der Muͤtze den halb- aufgeklaͤrten Duͤnkel zu erkennen, der ſich gern den Anſtrich der Weisheit geben moͤchte, und nur hoͤrt, um Einwuͤrfe zu machen.
Die hinterſte Figur verbindet dieſe Gruppe mit den Perſonen, die durch einen Seiteneingang in das Gebaͤude eilen. Sie winket ſie zum Socrates herzu. Der Juͤngling, der dem Winke folgt, und beinahe nackt ſeine Schrift-Rollen unter dem Arme traͤgt, iſt ein Bild der rohen Natur, die vor Begierde brennt, ſich zu unterrichten.
Der wohlgemaͤſtete Wolluͤſtling mit Weinlaub bekraͤnzt, — nicht Eichenlaub, wie Bellori traͤumt — ſcheint Epicur zu ſeyn, nach der falſchen Vorſtellungs- art, die man ſich dazumahl von ſeinen Lehrbegriffen machte. Der Alte, der mit dem Kinde auf den Armen bei ihm ſteht, gilt einigen fuͤr den Epichar- mus, anderen, fuͤr einen Vater, der ſein Kind fruͤh in die Schule der Weiſen bringt. Ich glaube, bei- des wird ohne hinlaͤnglichen Grund behauptet: es iſt vielmehr zu glauben, der Kuͤnſtler habe damit ſagen wollen, die Philoſophie des Epicur ſey eine Philoſo- phie fuͤr ſchwache Koͤpfe, und ſelbſtiſche Herzen der Kinder und der Greiſe.
Pythagoras iſt der Philoſoph, der die Folge einer langen Reihe von Ideen in ein Buch ſchreibt,
welches
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
und doch edle Stellung des jungen Helden im Helme,
den Alcibiades, den Liebling der Natur, an den ſie
ihre Gaben verſchwendet hatte.
Man braucht kein beſonderer Bemerker zu ſeyn,
um in jenem andern Kopfe mit der Muͤtze den halb-
aufgeklaͤrten Duͤnkel zu erkennen, der ſich gern den
Anſtrich der Weisheit geben moͤchte, und nur hoͤrt,
um Einwuͤrfe zu machen.
Die hinterſte Figur verbindet dieſe Gruppe mit
den Perſonen, die durch einen Seiteneingang in das
Gebaͤude eilen. Sie winket ſie zum Socrates herzu.
Der Juͤngling, der dem Winke folgt, und beinahe
nackt ſeine Schrift-Rollen unter dem Arme traͤgt, iſt
ein Bild der rohen Natur, die vor Begierde brennt,
ſich zu unterrichten.
Der wohlgemaͤſtete Wolluͤſtling mit Weinlaub
bekraͤnzt, — nicht Eichenlaub, wie Bellori traͤumt —
ſcheint Epicur zu ſeyn, nach der falſchen Vorſtellungs-
art, die man ſich dazumahl von ſeinen Lehrbegriffen
machte. Der Alte, der mit dem Kinde auf den
Armen bei ihm ſteht, gilt einigen fuͤr den Epichar-
mus, anderen, fuͤr einen Vater, der ſein Kind fruͤh
in die Schule der Weiſen bringt. Ich glaube, bei-
des wird ohne hinlaͤnglichen Grund behauptet: es iſt
vielmehr zu glauben, der Kuͤnſtler habe damit ſagen
wollen, die Philoſophie des Epicur ſey eine Philoſo-
phie fuͤr ſchwache Koͤpfe, und ſelbſtiſche Herzen der
Kinder und der Greiſe.
Pythagoras iſt der Philoſoph, der die Folge
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/187>, abgerufen am 17.07.2024.
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