blickt. Man erblickt sie nur darum zu gleicher Zeit, weil die Gemählde an einer Wand, ohne Absonde- rung durch Rahmen, zusammengestellet sind.
Dies Gemählde bestätiget wieder eine Bemer- kung, die ich oft gemacht habe, daß ungelehrte Au- gen durch Lichter, die stark vom Schatten abstechen, am lebhaftesten gerührt werden. Welch Aufhebens macht man nicht von diesem Gemählde! Es hat Verdienst, es ist nicht zu leugnen, aber den wort- reichen Enthusiasmus, den es so vielen Critikern ein- flößt, rechtfertiget es doch sicherlich nicht.
Das mittelste Gemählde zeigt den heiligen Pe- trus, der vom Engel aus dem Schlafe geweckt wird. Der Engel ist von einer Glorie umgeben, die das Gemählde erleuchtet, und um die Würkung dieses Lichts zu erhöhen, läßt der Künstler mit großer Weis- heit seine Figuren durch ein Gitter sehen, welches das Innere des Gefängnisses, als den Ort der Scene dem Auge aufschließt.
Dies verdient Lob; Allein so weit als Richard- son 45) darf man nicht gehen, und nun das Anzie- hende dieser Anordnung mit dem Zauber der Beleuch- tung vergleichen, den Correggio in seine berühmte Nacht gelegt hat. Der Christ des Correggio ist ein erleuchtendes Wesen, von dem das Licht ausgeht, und dessen lichter Körper blos durch unzählige Degradatio- nen von Licht die Ründung bekommt, die das Auge fühlt, und der Verstand kaum begreift. Hier aber
umgibt
45)Description des statues, tableaux etc. T. III. p. 399.
Der Vaticaniſche Pallaſt.
blickt. Man erblickt ſie nur darum zu gleicher Zeit, weil die Gemaͤhlde an einer Wand, ohne Abſonde- rung durch Rahmen, zuſammengeſtellet ſind.
Dies Gemaͤhlde beſtaͤtiget wieder eine Bemer- kung, die ich oft gemacht habe, daß ungelehrte Au- gen durch Lichter, die ſtark vom Schatten abſtechen, am lebhafteſten geruͤhrt werden. Welch Aufhebens macht man nicht von dieſem Gemaͤhlde! Es hat Verdienſt, es iſt nicht zu leugnen, aber den wort- reichen Enthuſiasmus, den es ſo vielen Critikern ein- floͤßt, rechtfertiget es doch ſicherlich nicht.
Das mittelſte Gemaͤhlde zeigt den heiligen Pe- trus, der vom Engel aus dem Schlafe geweckt wird. Der Engel iſt von einer Glorie umgeben, die das Gemaͤhlde erleuchtet, und um die Wuͤrkung dieſes Lichts zu erhoͤhen, laͤßt der Kuͤnſtler mit großer Weis- heit ſeine Figuren durch ein Gitter ſehen, welches das Innere des Gefaͤngniſſes, als den Ort der Scene dem Auge aufſchließt.
Dies verdient Lob; Allein ſo weit als Richard- ſon 45) darf man nicht gehen, und nun das Anzie- hende dieſer Anordnung mit dem Zauber der Beleuch- tung vergleichen, den Correggio in ſeine beruͤhmte Nacht gelegt hat. Der Chriſt des Correggio iſt ein erleuchtendes Weſen, von dem das Licht ausgeht, und deſſen lichter Koͤrper blos durch unzaͤhlige Degradatio- nen von Licht die Ruͤndung bekommt, die das Auge fuͤhlt, und der Verſtand kaum begreift. Hier aber
umgibt
45)Deſcription des ſtatues, tableaux etc. T. III. p. 399.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0178"n="156"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Vaticaniſche Pallaſt.</hi></fw><lb/>
blickt. Man erblickt ſie nur darum zu gleicher Zeit,<lb/>
weil die Gemaͤhlde an einer Wand, ohne Abſonde-<lb/>
rung durch Rahmen, zuſammengeſtellet ſind.</p><lb/><p>Dies Gemaͤhlde beſtaͤtiget wieder eine Bemer-<lb/>
kung, die ich oft gemacht habe, daß ungelehrte Au-<lb/>
gen durch Lichter, die ſtark vom Schatten abſtechen,<lb/>
am lebhafteſten geruͤhrt werden. Welch Aufhebens<lb/>
macht man nicht von dieſem Gemaͤhlde! Es hat<lb/>
Verdienſt, es iſt nicht zu leugnen, aber den wort-<lb/>
reichen Enthuſiasmus, den es ſo vielen Critikern ein-<lb/>
floͤßt, rechtfertiget es doch ſicherlich nicht.</p><lb/><p>Das mittelſte Gemaͤhlde zeigt den heiligen Pe-<lb/>
trus, der vom Engel aus dem Schlafe geweckt wird.<lb/>
Der Engel iſt von einer Glorie umgeben, die das<lb/>
Gemaͤhlde erleuchtet, und um die Wuͤrkung dieſes<lb/>
Lichts zu erhoͤhen, laͤßt der Kuͤnſtler mit großer Weis-<lb/>
heit ſeine Figuren durch ein Gitter ſehen, welches das<lb/>
Innere des Gefaͤngniſſes, als den Ort der Scene<lb/>
dem Auge aufſchließt.</p><lb/><p>Dies verdient Lob; Allein ſo weit als Richard-<lb/>ſon <noteplace="foot"n="45)"><hirendition="#aq">Deſcription des ſtatues, tableaux etc. T. III.<lb/>
p.</hi> 399.</note> darf man nicht gehen, und nun das Anzie-<lb/>
hende dieſer Anordnung mit dem Zauber der Beleuch-<lb/>
tung vergleichen, den Correggio in ſeine beruͤhmte<lb/>
Nacht gelegt hat. Der Chriſt des Correggio iſt ein<lb/>
erleuchtendes Weſen, von dem das Licht ausgeht, und<lb/>
deſſen lichter Koͤrper blos durch unzaͤhlige Degradatio-<lb/>
nen von Licht die Ruͤndung bekommt, die das Auge<lb/>
fuͤhlt, und der Verſtand kaum begreift. Hier aber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">umgibt</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[156/0178]
Der Vaticaniſche Pallaſt.
blickt. Man erblickt ſie nur darum zu gleicher Zeit,
weil die Gemaͤhlde an einer Wand, ohne Abſonde-
rung durch Rahmen, zuſammengeſtellet ſind.
Dies Gemaͤhlde beſtaͤtiget wieder eine Bemer-
kung, die ich oft gemacht habe, daß ungelehrte Au-
gen durch Lichter, die ſtark vom Schatten abſtechen,
am lebhafteſten geruͤhrt werden. Welch Aufhebens
macht man nicht von dieſem Gemaͤhlde! Es hat
Verdienſt, es iſt nicht zu leugnen, aber den wort-
reichen Enthuſiasmus, den es ſo vielen Critikern ein-
floͤßt, rechtfertiget es doch ſicherlich nicht.
Das mittelſte Gemaͤhlde zeigt den heiligen Pe-
trus, der vom Engel aus dem Schlafe geweckt wird.
Der Engel iſt von einer Glorie umgeben, die das
Gemaͤhlde erleuchtet, und um die Wuͤrkung dieſes
Lichts zu erhoͤhen, laͤßt der Kuͤnſtler mit großer Weis-
heit ſeine Figuren durch ein Gitter ſehen, welches das
Innere des Gefaͤngniſſes, als den Ort der Scene
dem Auge aufſchließt.
Dies verdient Lob; Allein ſo weit als Richard-
ſon 45) darf man nicht gehen, und nun das Anzie-
hende dieſer Anordnung mit dem Zauber der Beleuch-
tung vergleichen, den Correggio in ſeine beruͤhmte
Nacht gelegt hat. Der Chriſt des Correggio iſt ein
erleuchtendes Weſen, von dem das Licht ausgeht, und
deſſen lichter Koͤrper blos durch unzaͤhlige Degradatio-
nen von Licht die Ruͤndung bekommt, die das Auge
fuͤhlt, und der Verſtand kaum begreift. Hier aber
umgibt
45) Deſcription des ſtatues, tableaux etc. T. III.
p. 399.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/178>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.