er ihn behielte! Aber sein Gesicht gegen die furchtbaren Geister umzuwenden, das wagt er nicht.
Auf der andern Seite flüchten die erschrockenen Weiber mit ihren Kindern zum Pabste. Erstaunen, Schrecken, der mit Neugier kämpft, bildet sich auf ihren Gesichtern, und dies mit der größten Abwechse- lung in Minen und Stellungen. Viele darunter sind äußerst reitzend. Man übersehe nicht die beiden zu- sammengruppirten Figuren, deren eine, um besser zu sehen, sich um eine Säule schlingt, während, daß die andere sich auf das Postamenut zu schwingen sucht. Und wie in alle dem Gewühle der Pabst mit majestä- tischer Ruhe thront!
Allein die übrigen Begleiter des Pabstes belei- digen durch den wenigen Antheil, den sie an der Handlung nehmen. Die Schweizer, die ihn tragen, der Secretair, der voran geht, sind bloße Bildnisse damahls lebender Personen, denen man keine Art des Ausdrucks beilegen kann.
Ich weiß wohl, daß man den Raphael lobt, durch diese Gleichgültigkeit das unbedingte Vertrauen aus- gedrückt zu haben, welches diese Männer auf die Gewalt ihres Herrn setzen. Allein diese ingenieuse Idee contrastirt zu sehr mit dem Ausdrucke der thäti- gen Theilnehmung in den übrigen Figuren, um an dieser Stelle nicht zur Carrikatur zu werden.
Die Behandlung dieses Gemähldes zeigt übri- gens schon die fertige Hand, die durch lange Uebung Sicherheit erhalten hat. Raphael scheint es selbst ausgeführt zu haben.
+ Atti-
Der Vaticaniſche Pallaſt.
er ihn behielte! Aber ſein Geſicht gegen die furchtbaren Geiſter umzuwenden, das wagt er nicht.
Auf der andern Seite fluͤchten die erſchrockenen Weiber mit ihren Kindern zum Pabſte. Erſtaunen, Schrecken, der mit Neugier kaͤmpft, bildet ſich auf ihren Geſichtern, und dies mit der groͤßten Abwechſe- lung in Minen und Stellungen. Viele darunter ſind aͤußerſt reitzend. Man uͤberſehe nicht die beiden zu- ſammengruppirten Figuren, deren eine, um beſſer zu ſehen, ſich um eine Saͤule ſchlingt, waͤhrend, daß die andere ſich auf das Poſtamenut zu ſchwingen ſucht. Und wie in alle dem Gewuͤhle der Pabſt mit majeſtaͤ- tiſcher Ruhe thront!
Allein die uͤbrigen Begleiter des Pabſtes belei- digen durch den wenigen Antheil, den ſie an der Handlung nehmen. Die Schweizer, die ihn tragen, der Secretair, der voran geht, ſind bloße Bildniſſe damahls lebender Perſonen, denen man keine Art des Ausdrucks beilegen kann.
Ich weiß wohl, daß man den Raphael lobt, durch dieſe Gleichguͤltigkeit das unbedingte Vertrauen aus- gedruͤckt zu haben, welches dieſe Maͤnner auf die Gewalt ihres Herrn ſetzen. Allein dieſe ingenieuſe Idee contraſtirt zu ſehr mit dem Ausdrucke der thaͤti- gen Theilnehmung in den uͤbrigen Figuren, um an dieſer Stelle nicht zur Carrikatur zu werden.
Die Behandlung dieſes Gemaͤhldes zeigt uͤbri- gens ſchon die fertige Hand, die durch lange Uebung Sicherheit erhalten hat. Raphael ſcheint es ſelbſt ausgefuͤhrt zu haben.
† Atti-
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
er ihn behielte! Aber ſein Geſicht gegen die furchtbaren
Geiſter umzuwenden, das wagt er nicht.
Auf der andern Seite fluͤchten die erſchrockenen
Weiber mit ihren Kindern zum Pabſte. Erſtaunen,
Schrecken, der mit Neugier kaͤmpft, bildet ſich auf
ihren Geſichtern, und dies mit der groͤßten Abwechſe-
lung in Minen und Stellungen. Viele darunter ſind
aͤußerſt reitzend. Man uͤberſehe nicht die beiden zu-
ſammengruppirten Figuren, deren eine, um beſſer zu
ſehen, ſich um eine Saͤule ſchlingt, waͤhrend, daß
die andere ſich auf das Poſtamenut zu ſchwingen ſucht.
Und wie in alle dem Gewuͤhle der Pabſt mit majeſtaͤ-
tiſcher Ruhe thront!
Allein die uͤbrigen Begleiter des Pabſtes belei-
digen durch den wenigen Antheil, den ſie an der
Handlung nehmen. Die Schweizer, die ihn tragen,
der Secretair, der voran geht, ſind bloße Bildniſſe
damahls lebender Perſonen, denen man keine Art des
Ausdrucks beilegen kann.
Ich weiß wohl, daß man den Raphael lobt, durch
dieſe Gleichguͤltigkeit das unbedingte Vertrauen aus-
gedruͤckt zu haben, welches dieſe Maͤnner auf die
Gewalt ihres Herrn ſetzen. Allein dieſe ingenieuſe
Idee contraſtirt zu ſehr mit dem Ausdrucke der thaͤti-
gen Theilnehmung in den uͤbrigen Figuren, um an
dieſer Stelle nicht zur Carrikatur zu werden.
Die Behandlung dieſes Gemaͤhldes zeigt uͤbri-
gens ſchon die fertige Hand, die durch lange Uebung
Sicherheit erhalten hat. Raphael ſcheint es ſelbſt
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/172>, abgerufen am 18.07.2024.
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