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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
chen Fällen schon von mir ein solches ehrerbietiges
Stilleschweigen gewohnt, daß er mich nicht wei-
ter um die Ursachen befragt. Er weis die Hoch-
achtung, welche ich für die wunderthätigen Klei-
der habe. Sie ist billig. Nur die Kleider sind
es, welche wir an den meisten Großen verehren.
Und weil uns der Körper, so in diesen verdienst-
vollen Kleidern steckt, gleichgültig, und von kei-
ner Wichtigkeit scheint; so verbindet uns unsre
Pflicht, auch alsdann eine demüthige Miene anzu-
nehmen, wenn wir diese Kleider ohne ihre zufäl-
ligen Körper sehen.

So erhaben meine Gedanken sind, wenn ich
den erstaunenden Wirkungen meines Schneiders
in seiner Werkstatt zusehe: so kleinmüthig werde
ich im Namen des größten Theils meiner vorneh-
men Landsleute, so oft ich bey einer Trödelbude
vorbeygehe. Diese ist in Ansehung der Kleider
eben das, was uns Menschen die Begräbnisse sind.
Hier hört aller Unterscheid auf. Oftmals sehe ich
in der Trödelbude den abgetragnen Rock eines
witzigen Kopfs sehr vertraut neben dem Kleide ei-
nes reichen Wuchrers liegen, und es ist wohl eher
geschehen, daß die Weste eines Dorfschulmeisters
über dem Sammetkleide seines Prälaten gehangen
hat. Noch betrübter ist es, wenn diese prächti-
gen Kleider die Hochachtung der Menschenmaschi-
ne, die in selbigen gesteckt, überleben. Man hat
mir einen reichgestickten Rock gezeigt, welcher die
Bewunderung der ganzen Stadt und der besin-
gungswürdige Gegenstand vieler hungrigen Mu-

sen

Antons Panßa von Mancha
chen Faͤllen ſchon von mir ein ſolches ehrerbietiges
Stilleſchweigen gewohnt, daß er mich nicht wei-
ter um die Urſachen befragt. Er weis die Hoch-
achtung, welche ich fuͤr die wunderthaͤtigen Klei-
der habe. Sie iſt billig. Nur die Kleider ſind
es, welche wir an den meiſten Großen verehren.
Und weil uns der Koͤrper, ſo in dieſen verdienſt-
vollen Kleidern ſteckt, gleichguͤltig, und von kei-
ner Wichtigkeit ſcheint; ſo verbindet uns unſre
Pflicht, auch alsdann eine demuͤthige Miene anzu-
nehmen, wenn wir dieſe Kleider ohne ihre zufaͤl-
ligen Koͤrper ſehen.

So erhaben meine Gedanken ſind, wenn ich
den erſtaunenden Wirkungen meines Schneiders
in ſeiner Werkſtatt zuſehe: ſo kleinmuͤthig werde
ich im Namen des groͤßten Theils meiner vorneh-
men Landsleute, ſo oft ich bey einer Troͤdelbude
vorbeygehe. Dieſe iſt in Anſehung der Kleider
eben das, was uns Menſchen die Begraͤbniſſe ſind.
Hier hoͤrt aller Unterſcheid auf. Oftmals ſehe ich
in der Troͤdelbude den abgetragnen Rock eines
witzigen Kopfs ſehr vertraut neben dem Kleide ei-
nes reichen Wuchrers liegen, und es iſt wohl eher
geſchehen, daß die Weſte eines Dorfſchulmeiſters
uͤber dem Sammetkleide ſeines Praͤlaten gehangen
hat. Noch betruͤbter iſt es, wenn dieſe praͤchti-
gen Kleider die Hochachtung der Menſchenmaſchi-
ne, die in ſelbigen geſteckt, uͤberleben. Man hat
mir einen reichgeſtickten Rock gezeigt, welcher die
Bewunderung der ganzen Stadt und der beſin-
gungswuͤrdige Gegenſtand vieler hungrigen Mu-

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[56/0078] Antons Panßa von Mancha chen Faͤllen ſchon von mir ein ſolches ehrerbietiges Stilleſchweigen gewohnt, daß er mich nicht wei- ter um die Urſachen befragt. Er weis die Hoch- achtung, welche ich fuͤr die wunderthaͤtigen Klei- der habe. Sie iſt billig. Nur die Kleider ſind es, welche wir an den meiſten Großen verehren. Und weil uns der Koͤrper, ſo in dieſen verdienſt- vollen Kleidern ſteckt, gleichguͤltig, und von kei- ner Wichtigkeit ſcheint; ſo verbindet uns unſre Pflicht, auch alsdann eine demuͤthige Miene anzu- nehmen, wenn wir dieſe Kleider ohne ihre zufaͤl- ligen Koͤrper ſehen. So erhaben meine Gedanken ſind, wenn ich den erſtaunenden Wirkungen meines Schneiders in ſeiner Werkſtatt zuſehe: ſo kleinmuͤthig werde ich im Namen des groͤßten Theils meiner vorneh- men Landsleute, ſo oft ich bey einer Troͤdelbude vorbeygehe. Dieſe iſt in Anſehung der Kleider eben das, was uns Menſchen die Begraͤbniſſe ſind. Hier hoͤrt aller Unterſcheid auf. Oftmals ſehe ich in der Troͤdelbude den abgetragnen Rock eines witzigen Kopfs ſehr vertraut neben dem Kleide ei- nes reichen Wuchrers liegen, und es iſt wohl eher geſchehen, daß die Weſte eines Dorfſchulmeiſters uͤber dem Sammetkleide ſeines Praͤlaten gehangen hat. Noch betruͤbter iſt es, wenn dieſe praͤchti- gen Kleider die Hochachtung der Menſchenmaſchi- ne, die in ſelbigen geſteckt, uͤberleben. Man hat mir einen reichgeſtickten Rock gezeigt, welcher die Bewunderung der ganzen Stadt und der beſin- gungswuͤrdige Gegenſtand vieler hungrigen Mu- ſen

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/78>, abgerufen am 22.11.2024.