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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
dient, hundert Leute durch seinen guten Rath
glücklich gemacht hat, mit ängstlicher Sorgfalt
die Rechte gedrückter Witwen und Waysen schützt;
niemanden um das Seinige bringt, da steht der
rechtschaffenste Patriot. Sein schlechter Anzug
drückt alle Verdienste nieder. Er schleicht sich
beschämt zur Thüre, um sich der Verachtung der
Antichambre zu entziehen. Man stößt ihn mit
Gewalt von derselben weg, man reißt beide Flü-
gel mit einer ehrfurchtsvollen Beschäfftigung auf,
alle Bediente kommen in Bewegung, alle richten
sich in eine demüthige Stellung, der Kammerdie-
ner fliegt ins Zimmer seines Herrn; es wird Lär-
men darinnen, man wirft die Karten hin. Jhro
Excellenz eilen entgegen, und wem? einem ver-
goldeten Narrn, welcher die Treppe herauf gefa-
selt kömmt, und den Schweiß seines betrognen
Gläubigers auf der Weste trägt. Sein Kopf, so
leer er ist, wird bewundert, weil er gut frisirt ist;
sein Geschmack besteht in der Kunst, sich artig zu
bücken. Hätte er Verstand, so würde er alle sech-
zehn Ahnen beschämen, und nur aus kindlicher
Hochachtung gegen seine Vorfahren hat er sich in
Acht genommen, verständiger zu werden, als sie
gewesen sind. Sein Herz ist boshaft, so viel es
ihm seine vornehme Dummheit zuläßt. Er hat
das geringste nicht gelernt, womit er dem Vater-
lande, oder ihm selbst dienen könnte, und womit
er jemanden dient, das sind leere Gnadenversiche-
rungen. Er borgt, er betrügt, er küßt, er pfeift,
er lacht, spielt gern und unglücklich, und Jhro

Ex-
D 2

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dient, hundert Leute durch ſeinen guten Rath
gluͤcklich gemacht hat, mit aͤngſtlicher Sorgfalt
die Rechte gedruͤckter Witwen und Wayſen ſchuͤtzt;
niemanden um das Seinige bringt, da ſteht der
rechtſchaffenſte Patriot. Sein ſchlechter Anzug
druͤckt alle Verdienſte nieder. Er ſchleicht ſich
beſchaͤmt zur Thuͤre, um ſich der Verachtung der
Antichambre zu entziehen. Man ſtoͤßt ihn mit
Gewalt von derſelben weg, man reißt beide Fluͤ-
gel mit einer ehrfurchtsvollen Beſchaͤfftigung auf,
alle Bediente kommen in Bewegung, alle richten
ſich in eine demuͤthige Stellung, der Kammerdie-
ner fliegt ins Zimmer ſeines Herrn; es wird Laͤr-
men darinnen, man wirft die Karten hin. Jhro
Excellenz eilen entgegen, und wem? einem ver-
goldeten Narrn, welcher die Treppe herauf gefa-
ſelt koͤmmt, und den Schweiß ſeines betrognen
Glaͤubigers auf der Weſte traͤgt. Sein Kopf, ſo
leer er iſt, wird bewundert, weil er gut friſirt iſt;
ſein Geſchmack beſteht in der Kunſt, ſich artig zu
buͤcken. Haͤtte er Verſtand, ſo wuͤrde er alle ſech-
zehn Ahnen beſchaͤmen, und nur aus kindlicher
Hochachtung gegen ſeine Vorfahren hat er ſich in
Acht genommen, verſtaͤndiger zu werden, als ſie
geweſen ſind. Sein Herz iſt boshaft, ſo viel es
ihm ſeine vornehme Dummheit zulaͤßt. Er hat
das geringſte nicht gelernt, womit er dem Vater-
lande, oder ihm ſelbſt dienen koͤnnte, und womit
er jemanden dient, das ſind leere Gnadenverſiche-
rungen. Er borgt, er betruͤgt, er kuͤßt, er pfeift,
er lacht, ſpielt gern und ungluͤcklich, und Jhro

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D 2
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[51/0073] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. dient, hundert Leute durch ſeinen guten Rath gluͤcklich gemacht hat, mit aͤngſtlicher Sorgfalt die Rechte gedruͤckter Witwen und Wayſen ſchuͤtzt; niemanden um das Seinige bringt, da ſteht der rechtſchaffenſte Patriot. Sein ſchlechter Anzug druͤckt alle Verdienſte nieder. Er ſchleicht ſich beſchaͤmt zur Thuͤre, um ſich der Verachtung der Antichambre zu entziehen. Man ſtoͤßt ihn mit Gewalt von derſelben weg, man reißt beide Fluͤ- gel mit einer ehrfurchtsvollen Beſchaͤfftigung auf, alle Bediente kommen in Bewegung, alle richten ſich in eine demuͤthige Stellung, der Kammerdie- ner fliegt ins Zimmer ſeines Herrn; es wird Laͤr- men darinnen, man wirft die Karten hin. Jhro Excellenz eilen entgegen, und wem? einem ver- goldeten Narrn, welcher die Treppe herauf gefa- ſelt koͤmmt, und den Schweiß ſeines betrognen Glaͤubigers auf der Weſte traͤgt. Sein Kopf, ſo leer er iſt, wird bewundert, weil er gut friſirt iſt; ſein Geſchmack beſteht in der Kunſt, ſich artig zu buͤcken. Haͤtte er Verſtand, ſo wuͤrde er alle ſech- zehn Ahnen beſchaͤmen, und nur aus kindlicher Hochachtung gegen ſeine Vorfahren hat er ſich in Acht genommen, verſtaͤndiger zu werden, als ſie geweſen ſind. Sein Herz iſt boshaft, ſo viel es ihm ſeine vornehme Dummheit zulaͤßt. Er hat das geringſte nicht gelernt, womit er dem Vater- lande, oder ihm ſelbſt dienen koͤnnte, und womit er jemanden dient, das ſind leere Gnadenverſiche- rungen. Er borgt, er betruͤgt, er kuͤßt, er pfeift, er lacht, ſpielt gern und ungluͤcklich, und Jhro Ex- D 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/73>, abgerufen am 25.11.2024.