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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abbitte
zimmern die Begierde zu schönen Wissenschaften
zu unterdrücken; so fiel man auf ein sehr boshaf-
tes Mittel. So bald ein Frauenzimmer nur ein
wenig mehr verstund, als man wollte, daß ein
Frauenzimmer von der Gelehrsamkeit verstehen
sollte; so machte man sie durch übertriebne Lob-
sprüche schwindlicht, und beredete ihre Eigenliebe,
welche schon vorhin geneigt genug war, es sich be-
reden zu lassen, daß sie das witzigste, gelehrteste,
vollkommenste Frauenzimmer, und wo nicht gar
Minerva, doch zum wenigsten eine zehnte Muse
sey. Dadurch benahm man ihr den Gedanken,
weiter zu gehen, welches sie bey ihrer Vollkom-
menheit nunmehr für überflüßig hielt. Sie blieb
an dem Fuße des Parnasses stehen, beschäfftigte
sich mit witzigen Tändeleyen, und wurde von dem
verrätherischen Lobe der Mannspersonen trunken.
So ist es Kallisten gegangen. Habe ich also
etwas unrechtes gesagt, wenn ich behauptete, daß
ihr pedantischer Stolz ein Fehler der Mannsper-
sonen sey? Verstünde Kalliste diese Sprache
unsrer Schmeicheley, so würde sie darüber sehr
kleinmüthig werden. Man erstaunt, daß sie ein
wenig von Gelehrsamkeit, und wohl gar Verse
plaudern kann: So wie man einen Papagoy be-
wundert, welcher menschliche Töne nachplaudern
kann, ungeachtet ihn die Natur nur zu einem Pa-
pagoy erschuf. Könnte für Kallistens Stolz
wohl etwas demüthigender seyn, als dieser belei-
digende Beyfall?

Daß

Abbitte
zimmern die Begierde zu ſchoͤnen Wiſſenſchaften
zu unterdruͤcken; ſo fiel man auf ein ſehr boshaf-
tes Mittel. So bald ein Frauenzimmer nur ein
wenig mehr verſtund, als man wollte, daß ein
Frauenzimmer von der Gelehrſamkeit verſtehen
ſollte; ſo machte man ſie durch uͤbertriebne Lob-
ſpruͤche ſchwindlicht, und beredete ihre Eigenliebe,
welche ſchon vorhin geneigt genug war, es ſich be-
reden zu laſſen, daß ſie das witzigſte, gelehrteſte,
vollkommenſte Frauenzimmer, und wo nicht gar
Minerva, doch zum wenigſten eine zehnte Muſe
ſey. Dadurch benahm man ihr den Gedanken,
weiter zu gehen, welches ſie bey ihrer Vollkom-
menheit nunmehr fuͤr uͤberfluͤßig hielt. Sie blieb
an dem Fuße des Parnaſſes ſtehen, beſchaͤfftigte
ſich mit witzigen Taͤndeleyen, und wurde von dem
verraͤtheriſchen Lobe der Mannsperſonen trunken.
So iſt es Kalliſten gegangen. Habe ich alſo
etwas unrechtes geſagt, wenn ich behauptete, daß
ihr pedantiſcher Stolz ein Fehler der Mannsper-
ſonen ſey? Verſtuͤnde Kalliſte dieſe Sprache
unſrer Schmeicheley, ſo wuͤrde ſie daruͤber ſehr
kleinmuͤthig werden. Man erſtaunt, daß ſie ein
wenig von Gelehrſamkeit, und wohl gar Verſe
plaudern kann: So wie man einen Papagoy be-
wundert, welcher menſchliche Toͤne nachplaudern
kann, ungeachtet ihn die Natur nur zu einem Pa-
pagoy erſchuf. Koͤnnte fuͤr Kalliſtens Stolz
wohl etwas demuͤthigender ſeyn, als dieſer belei-
digende Beyfall?

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[598[596]/0620] Abbitte zimmern die Begierde zu ſchoͤnen Wiſſenſchaften zu unterdruͤcken; ſo fiel man auf ein ſehr boshaf- tes Mittel. So bald ein Frauenzimmer nur ein wenig mehr verſtund, als man wollte, daß ein Frauenzimmer von der Gelehrſamkeit verſtehen ſollte; ſo machte man ſie durch uͤbertriebne Lob- ſpruͤche ſchwindlicht, und beredete ihre Eigenliebe, welche ſchon vorhin geneigt genug war, es ſich be- reden zu laſſen, daß ſie das witzigſte, gelehrteſte, vollkommenſte Frauenzimmer, und wo nicht gar Minerva, doch zum wenigſten eine zehnte Muſe ſey. Dadurch benahm man ihr den Gedanken, weiter zu gehen, welches ſie bey ihrer Vollkom- menheit nunmehr fuͤr uͤberfluͤßig hielt. Sie blieb an dem Fuße des Parnaſſes ſtehen, beſchaͤfftigte ſich mit witzigen Taͤndeleyen, und wurde von dem verraͤtheriſchen Lobe der Mannsperſonen trunken. So iſt es Kalliſten gegangen. Habe ich alſo etwas unrechtes geſagt, wenn ich behauptete, daß ihr pedantiſcher Stolz ein Fehler der Mannsper- ſonen ſey? Verſtuͤnde Kalliſte dieſe Sprache unſrer Schmeicheley, ſo wuͤrde ſie daruͤber ſehr kleinmuͤthig werden. Man erſtaunt, daß ſie ein wenig von Gelehrſamkeit, und wohl gar Verſe plaudern kann: So wie man einen Papagoy be- wundert, welcher menſchliche Toͤne nachplaudern kann, ungeachtet ihn die Natur nur zu einem Pa- pagoy erſchuf. Koͤnnte fuͤr Kalliſtens Stolz wohl etwas demuͤthigender ſeyn, als dieſer belei- digende Beyfall? Daß

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 598[596]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/620>, abgerufen am 24.11.2024.