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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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und Ehrenerklärung.
Geschöpfen, die sich auch Menschen nennen, gänz-
lich, oder, wenn sie das nicht thun kann, so will sie
doch ihre Vorzüge vor ihnen behaupten. Sie
weis das Sprüchwort, daß man nicht mehr Ehre
hat, als man sich selbst giebt; sie giebt sich also
so viel Ehre, als sie ihren Vollkommenheiten schul-
dig zu seyn glaubt. Und da diese freylich andern
Leuten so deutlich nicht in die Augen fallen, so be-
hauptet sie diese Vorzüge mit Zank und Heftig-
keit: Und wenn jemand so verwegen ist, ihr zu
widerstehen, so ist ihr Mann, wenn er anders ih-
rer nicht unwürdig seyn will, allerdings schuldig,
sie zu vertheidigen, und ihr durch den Beystand
des Richters Gerechtigkeit zu verschaffen. Das
nennen ihre Feinde Rangstreitigkeiten: Aber sie
nennt es eine Pflicht gegen sich selbst. Wem alle
diese Entschuldigungen ein wenig zu tiefsinnig,
und metaphysisch vorkommen möchten, dem will
ich noch deutlichere Ursachen angeben, die aller-
dings mehr in die Augen fallen. Wollen wir es
etwan der Celsa verdenken, daß sie mit feindseli-
gem Sturme, und mit Beleidigung anderer einen
Rang behauptet, der ihr, wie sie überzeugt ist,
gehört? Wie viel hat es sich Celsa kosten lassen, in
diesen Stand zu kommen, in dem sie itzo lebt!
Sie überließ ihre Hand einem Manne, welcher
wie der Pöbel dachte, und wie der Pöbel lebte.
Durch seine Ausschweifungen war sein gebrechli-
cher Körper noch ekelhafter, und seine dicke Seele
noch dümmer geworden. Er hatte sich in eine
drückende Last von Schulden gesteckt, die er nicht

bezah-

und Ehrenerklaͤrung.
Geſchoͤpfen, die ſich auch Menſchen nennen, gaͤnz-
lich, oder, wenn ſie das nicht thun kann, ſo will ſie
doch ihre Vorzuͤge vor ihnen behaupten. Sie
weis das Spruͤchwort, daß man nicht mehr Ehre
hat, als man ſich ſelbſt giebt; ſie giebt ſich alſo
ſo viel Ehre, als ſie ihren Vollkommenheiten ſchul-
dig zu ſeyn glaubt. Und da dieſe freylich andern
Leuten ſo deutlich nicht in die Augen fallen, ſo be-
hauptet ſie dieſe Vorzuͤge mit Zank und Heftig-
keit: Und wenn jemand ſo verwegen iſt, ihr zu
widerſtehen, ſo iſt ihr Mann, wenn er anders ih-
rer nicht unwuͤrdig ſeyn will, allerdings ſchuldig,
ſie zu vertheidigen, und ihr durch den Beyſtand
des Richters Gerechtigkeit zu verſchaffen. Das
nennen ihre Feinde Rangſtreitigkeiten: Aber ſie
nennt es eine Pflicht gegen ſich ſelbſt. Wem alle
dieſe Entſchuldigungen ein wenig zu tiefſinnig,
und metaphyſiſch vorkommen moͤchten, dem will
ich noch deutlichere Urſachen angeben, die aller-
dings mehr in die Augen fallen. Wollen wir es
etwan der Celſa verdenken, daß ſie mit feindſeli-
gem Sturme, und mit Beleidigung anderer einen
Rang behauptet, der ihr, wie ſie uͤberzeugt iſt,
gehoͤrt? Wie viel hat es ſich Celſa koſten laſſen, in
dieſen Stand zu kommen, in dem ſie itzo lebt!
Sie uͤberließ ihre Hand einem Manne, welcher
wie der Poͤbel dachte, und wie der Poͤbel lebte.
Durch ſeine Ausſchweifungen war ſein gebrechli-
cher Koͤrper noch ekelhafter, und ſeine dicke Seele
noch duͤmmer geworden. Er hatte ſich in eine
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[589[587]/0611] und Ehrenerklaͤrung. Geſchoͤpfen, die ſich auch Menſchen nennen, gaͤnz- lich, oder, wenn ſie das nicht thun kann, ſo will ſie doch ihre Vorzuͤge vor ihnen behaupten. Sie weis das Spruͤchwort, daß man nicht mehr Ehre hat, als man ſich ſelbſt giebt; ſie giebt ſich alſo ſo viel Ehre, als ſie ihren Vollkommenheiten ſchul- dig zu ſeyn glaubt. Und da dieſe freylich andern Leuten ſo deutlich nicht in die Augen fallen, ſo be- hauptet ſie dieſe Vorzuͤge mit Zank und Heftig- keit: Und wenn jemand ſo verwegen iſt, ihr zu widerſtehen, ſo iſt ihr Mann, wenn er anders ih- rer nicht unwuͤrdig ſeyn will, allerdings ſchuldig, ſie zu vertheidigen, und ihr durch den Beyſtand des Richters Gerechtigkeit zu verſchaffen. Das nennen ihre Feinde Rangſtreitigkeiten: Aber ſie nennt es eine Pflicht gegen ſich ſelbſt. Wem alle dieſe Entſchuldigungen ein wenig zu tiefſinnig, und metaphyſiſch vorkommen moͤchten, dem will ich noch deutlichere Urſachen angeben, die aller- dings mehr in die Augen fallen. Wollen wir es etwan der Celſa verdenken, daß ſie mit feindſeli- gem Sturme, und mit Beleidigung anderer einen Rang behauptet, der ihr, wie ſie uͤberzeugt iſt, gehoͤrt? Wie viel hat es ſich Celſa koſten laſſen, in dieſen Stand zu kommen, in dem ſie itzo lebt! Sie uͤberließ ihre Hand einem Manne, welcher wie der Poͤbel dachte, und wie der Poͤbel lebte. Durch ſeine Ausſchweifungen war ſein gebrechli- cher Koͤrper noch ekelhafter, und ſeine dicke Seele noch duͤmmer geworden. Er hatte ſich in eine druͤckende Laſt von Schulden geſteckt, die er nicht bezah-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 589[587]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/611>, abgerufen am 24.11.2024.