nem Lotterieplane; ihr werdet über seinen Ge- schmack erstaunen! Gegen die Musen ist er hart; aber warum können die Musen nicht bellen und wiehern? Denn gegen seine Hunde und Pferde ist er sehr großmüthig. Mit einem Worte: Die Schuld liegt nur an unsern Scribenten, welche bey der Wahl ihrer Gönner so unvorsichtig, und eigennützig sind. Wenn sie einen reichen Mann finden, den macht ihr Hunger gleich zum Mäce- naten. Dieser erschrickt, er widersetzt sich, er schämt sich, er will es nicht seyn: Aber er muß es schlechterdings werden, denn er kann es bezah- len. Das heißt Mäcenaten pressen, wie man Matrosen preßt. Jst es ihre Schuld, wenn sie ungeschickte und unwissende Mäcenaten sind?
Jch gestehe es, an unsern Dichtern habe ich mich oft versündigt: Jch würde untröstbar seyn, wenn ich es an guten Dichtern gethan hätte; aber ich habe mich nur an unsern Reimern versündigt. Jch habe sie für niederträchtige Schmeichler ge- halten, für Leute, welche die göttlichste der schö- nen Wissenschaften, den Vornehmen und dem Pöbel verächtlich machen; ich hielt sie für über- müthig, und diesen Uebermuth für desto lächer- licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines schmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich lachte über sie; und eben das geht mir nahe: Jch hätte über sie weinen sollen. Kann wohl irgend ein Mensch eine traurigere Rolle zu spielen haben,
als
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und Ehrenerklaͤrung.
nem Lotterieplane; ihr werdet uͤber ſeinen Ge- ſchmack erſtaunen! Gegen die Muſen iſt er hart; aber warum koͤnnen die Muſen nicht bellen und wiehern? Denn gegen ſeine Hunde und Pferde iſt er ſehr großmuͤthig. Mit einem Worte: Die Schuld liegt nur an unſern Scribenten, welche bey der Wahl ihrer Goͤnner ſo unvorſichtig, und eigennuͤtzig ſind. Wenn ſie einen reichen Mann finden, den macht ihr Hunger gleich zum Maͤce- naten. Dieſer erſchrickt, er widerſetzt ſich, er ſchaͤmt ſich, er will es nicht ſeyn: Aber er muß es ſchlechterdings werden, denn er kann es bezah- len. Das heißt Maͤcenaten preſſen, wie man Matroſen preßt. Jſt es ihre Schuld, wenn ſie ungeſchickte und unwiſſende Maͤcenaten ſind?
Jch geſtehe es, an unſern Dichtern habe ich mich oft verſuͤndigt: Jch wuͤrde untroͤſtbar ſeyn, wenn ich es an guten Dichtern gethan haͤtte; aber ich habe mich nur an unſern Reimern verſuͤndigt. Jch habe ſie fuͤr niedertraͤchtige Schmeichler ge- halten, fuͤr Leute, welche die goͤttlichſte der ſchoͤ- nen Wiſſenſchaften, den Vornehmen und dem Poͤbel veraͤchtlich machen; ich hielt ſie fuͤr uͤber- muͤthig, und dieſen Uebermuth fuͤr deſto laͤcher- licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines ſchmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich lachte uͤber ſie; und eben das geht mir nahe: Jch haͤtte uͤber ſie weinen ſollen. Kann wohl irgend ein Menſch eine traurigere Rolle zu ſpielen haben,
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und Ehrenerklaͤrung.
nem Lotterieplane; ihr werdet uͤber ſeinen Ge-
ſchmack erſtaunen! Gegen die Muſen iſt er hart;
aber warum koͤnnen die Muſen nicht bellen und
wiehern? Denn gegen ſeine Hunde und Pferde
iſt er ſehr großmuͤthig. Mit einem Worte: Die
Schuld liegt nur an unſern Scribenten, welche
bey der Wahl ihrer Goͤnner ſo unvorſichtig, und
eigennuͤtzig ſind. Wenn ſie einen reichen Mann
finden, den macht ihr Hunger gleich zum Maͤce-
naten. Dieſer erſchrickt, er widerſetzt ſich, er
ſchaͤmt ſich, er will es nicht ſeyn: Aber er muß
es ſchlechterdings werden, denn er kann es bezah-
len. Das heißt Maͤcenaten preſſen, wie man
Matroſen preßt. Jſt es ihre Schuld, wenn ſie
ungeſchickte und unwiſſende Maͤcenaten ſind?
Jch geſtehe es, an unſern Dichtern habe ich
mich oft verſuͤndigt: Jch wuͤrde untroͤſtbar ſeyn,
wenn ich es an guten Dichtern gethan haͤtte; aber
ich habe mich nur an unſern Reimern verſuͤndigt.
Jch habe ſie fuͤr niedertraͤchtige Schmeichler ge-
halten, fuͤr Leute, welche die goͤttlichſte der ſchoͤ-
nen Wiſſenſchaften, den Vornehmen und dem
Poͤbel veraͤchtlich machen; ich hielt ſie fuͤr uͤber-
muͤthig, und dieſen Uebermuth fuͤr deſto laͤcher-
licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines
ſchmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich
lachte uͤber ſie; und eben das geht mir nahe: Jch
haͤtte uͤber ſie weinen ſollen. Kann wohl irgend
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 569[567]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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