nehme eine Sache über mich, bey der auch der beste Advocat verzweifeln würde.
Jch finde besonders dreyerley Gattungen Leute, welche dieses sagen. Es sind entweder diejenigen, durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott die Aemter austheilt, oder es sind die selbst, wel- che die Aemter bekommen, oder es sind endlich die, welche als Zuschauer über die wunderbare Füh- rung und Besetzung der Aemter erstaunen. Die letzten fühlen dabey in ihrem Herzen den freudigen Trost, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung so vielen Narren Aemter giebt, auch sie nicht unver- sorgt lassen, und wenn sie versorgt sind, auch sie alsdann mit dem nöthigen Verstande ausrüsten wird, den sie nicht haben, und den sie ohne ein Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.
Diese Betrachtungen zeugen von ihrer De- muth, und sie beschämen dadurch eine unzählige Menge Leute, welche doppelt unglücklich sind, da sie keinen Verstand haben, und ihn doch nicht vermissen.
Noch weit stärker aber ist das Vertrauen zur göttlichen Vorsorge bey denenjenigen, welche die Pflicht auf sich haben, die Aemter zu besetzen. Bey verschiednen von ihnen würde ihr Betragen unsinnig seyn; man würde sie für Betrüger, für heimliche Verräther ihres eigenen Vaterlandes, für die gefährlichsten Bösewichter halten, wenn man sieht, wie unbedachtsam sie bey der Besetzung
der
C
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
nehme eine Sache uͤber mich, bey der auch der beſte Advocat verzweifeln wuͤrde.
Jch finde beſonders dreyerley Gattungen Leute, welche dieſes ſagen. Es ſind entweder diejenigen, durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott die Aemter austheilt, oder es ſind die ſelbſt, wel- che die Aemter bekommen, oder es ſind endlich die, welche als Zuſchauer uͤber die wunderbare Fuͤh- rung und Beſetzung der Aemter erſtaunen. Die letzten fuͤhlen dabey in ihrem Herzen den freudigen Troſt, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung ſo vielen Narren Aemter giebt, auch ſie nicht unver- ſorgt laſſen, und wenn ſie verſorgt ſind, auch ſie alsdann mit dem noͤthigen Verſtande ausruͤſten wird, den ſie nicht haben, und den ſie ohne ein Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.
Dieſe Betrachtungen zeugen von ihrer De- muth, und ſie beſchaͤmen dadurch eine unzaͤhlige Menge Leute, welche doppelt ungluͤcklich ſind, da ſie keinen Verſtand haben, und ihn doch nicht vermiſſen.
Noch weit ſtaͤrker aber iſt das Vertrauen zur goͤttlichen Vorſorge bey denenjenigen, welche die Pflicht auf ſich haben, die Aemter zu beſetzen. Bey verſchiednen von ihnen wuͤrde ihr Betragen unſinnig ſeyn; man wuͤrde ſie fuͤr Betruͤger, fuͤr heimliche Verraͤther ihres eigenen Vaterlandes, fuͤr die gefaͤhrlichſten Boͤſewichter halten, wenn man ſieht, wie unbedachtſam ſie bey der Beſetzung
der
C
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="33"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.</hi></fw><lb/>
nehme eine Sache uͤber mich, bey der auch der<lb/>
beſte Advocat verzweifeln wuͤrde.</p><lb/><p>Jch finde beſonders dreyerley Gattungen Leute,<lb/>
welche dieſes ſagen. Es ſind entweder diejenigen,<lb/>
durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott<lb/>
die Aemter austheilt, oder es ſind die ſelbſt, wel-<lb/>
che die Aemter bekommen, oder es ſind endlich die,<lb/>
welche als Zuſchauer uͤber die wunderbare Fuͤh-<lb/>
rung und Beſetzung der Aemter erſtaunen. Die<lb/>
letzten fuͤhlen dabey in ihrem Herzen den freudigen<lb/>
Troſt, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung ſo<lb/>
vielen Narren Aemter giebt, auch ſie nicht unver-<lb/>ſorgt laſſen, und wenn ſie verſorgt ſind, auch ſie<lb/>
alsdann mit dem noͤthigen Verſtande ausruͤſten<lb/>
wird, den ſie nicht haben, und den ſie ohne ein<lb/>
Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.</p><lb/><p>Dieſe Betrachtungen zeugen von ihrer De-<lb/>
muth, und ſie beſchaͤmen dadurch eine unzaͤhlige<lb/>
Menge Leute, welche doppelt ungluͤcklich ſind, da<lb/>ſie keinen Verſtand haben, und ihn doch nicht<lb/>
vermiſſen.</p><lb/><p>Noch weit ſtaͤrker aber iſt das Vertrauen zur<lb/>
goͤttlichen Vorſorge bey denenjenigen, welche die<lb/>
Pflicht auf ſich haben, die Aemter zu beſetzen.<lb/>
Bey verſchiednen von ihnen wuͤrde ihr Betragen<lb/>
unſinnig ſeyn; man wuͤrde ſie fuͤr Betruͤger, fuͤr<lb/>
heimliche Verraͤther ihres eigenen Vaterlandes,<lb/>
fuͤr die gefaͤhrlichſten Boͤſewichter halten, wenn<lb/>
man ſieht, wie unbedachtſam ſie bey der Beſetzung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C</fw><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[33/0055]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
nehme eine Sache uͤber mich, bey der auch der
beſte Advocat verzweifeln wuͤrde.
Jch finde beſonders dreyerley Gattungen Leute,
welche dieſes ſagen. Es ſind entweder diejenigen,
durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott
die Aemter austheilt, oder es ſind die ſelbſt, wel-
che die Aemter bekommen, oder es ſind endlich die,
welche als Zuſchauer uͤber die wunderbare Fuͤh-
rung und Beſetzung der Aemter erſtaunen. Die
letzten fuͤhlen dabey in ihrem Herzen den freudigen
Troſt, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung ſo
vielen Narren Aemter giebt, auch ſie nicht unver-
ſorgt laſſen, und wenn ſie verſorgt ſind, auch ſie
alsdann mit dem noͤthigen Verſtande ausruͤſten
wird, den ſie nicht haben, und den ſie ohne ein
Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.
Dieſe Betrachtungen zeugen von ihrer De-
muth, und ſie beſchaͤmen dadurch eine unzaͤhlige
Menge Leute, welche doppelt ungluͤcklich ſind, da
ſie keinen Verſtand haben, und ihn doch nicht
vermiſſen.
Noch weit ſtaͤrker aber iſt das Vertrauen zur
goͤttlichen Vorſorge bey denenjenigen, welche die
Pflicht auf ſich haben, die Aemter zu beſetzen.
Bey verſchiednen von ihnen wuͤrde ihr Betragen
unſinnig ſeyn; man wuͤrde ſie fuͤr Betruͤger, fuͤr
heimliche Verraͤther ihres eigenen Vaterlandes,
fuͤr die gefaͤhrlichſten Boͤſewichter halten, wenn
man ſieht, wie unbedachtſam ſie bey der Beſetzung
der
C
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/55>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.