Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
nehme eine Sache über mich, bey der auch der
beste Advocat verzweifeln würde.

Jch finde besonders dreyerley Gattungen Leute,
welche dieses sagen. Es sind entweder diejenigen,
durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott
die Aemter austheilt, oder es sind die selbst, wel-
che die Aemter bekommen, oder es sind endlich die,
welche als Zuschauer über die wunderbare Füh-
rung und Besetzung der Aemter erstaunen. Die
letzten fühlen dabey in ihrem Herzen den freudigen
Trost, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung so
vielen Narren Aemter giebt, auch sie nicht unver-
sorgt lassen, und wenn sie versorgt sind, auch sie
alsdann mit dem nöthigen Verstande ausrüsten
wird, den sie nicht haben, und den sie ohne ein
Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.

Diese Betrachtungen zeugen von ihrer De-
muth, und sie beschämen dadurch eine unzählige
Menge Leute, welche doppelt unglücklich sind, da
sie keinen Verstand haben, und ihn doch nicht
vermissen.

Noch weit stärker aber ist das Vertrauen zur
göttlichen Vorsorge bey denenjenigen, welche die
Pflicht auf sich haben, die Aemter zu besetzen.
Bey verschiednen von ihnen würde ihr Betragen
unsinnig seyn; man würde sie für Betrüger, für
heimliche Verräther ihres eigenen Vaterlandes,
für die gefährlichsten Bösewichter halten, wenn
man sieht, wie unbedachtsam sie bey der Besetzung

der
C

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
nehme eine Sache uͤber mich, bey der auch der
beſte Advocat verzweifeln wuͤrde.

Jch finde beſonders dreyerley Gattungen Leute,
welche dieſes ſagen. Es ſind entweder diejenigen,
durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott
die Aemter austheilt, oder es ſind die ſelbſt, wel-
che die Aemter bekommen, oder es ſind endlich die,
welche als Zuſchauer uͤber die wunderbare Fuͤh-
rung und Beſetzung der Aemter erſtaunen. Die
letzten fuͤhlen dabey in ihrem Herzen den freudigen
Troſt, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung ſo
vielen Narren Aemter giebt, auch ſie nicht unver-
ſorgt laſſen, und wenn ſie verſorgt ſind, auch ſie
alsdann mit dem noͤthigen Verſtande ausruͤſten
wird, den ſie nicht haben, und den ſie ohne ein
Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.

Dieſe Betrachtungen zeugen von ihrer De-
muth, und ſie beſchaͤmen dadurch eine unzaͤhlige
Menge Leute, welche doppelt ungluͤcklich ſind, da
ſie keinen Verſtand haben, und ihn doch nicht
vermiſſen.

Noch weit ſtaͤrker aber iſt das Vertrauen zur
goͤttlichen Vorſorge bey denenjenigen, welche die
Pflicht auf ſich haben, die Aemter zu beſetzen.
Bey verſchiednen von ihnen wuͤrde ihr Betragen
unſinnig ſeyn; man wuͤrde ſie fuͤr Betruͤger, fuͤr
heimliche Verraͤther ihres eigenen Vaterlandes,
fuͤr die gefaͤhrlichſten Boͤſewichter halten, wenn
man ſieht, wie unbedachtſam ſie bey der Beſetzung

der
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
nehme eine Sache u&#x0364;ber mich, bey der auch der<lb/>
be&#x017F;te Advocat verzweifeln wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Jch finde be&#x017F;onders dreyerley Gattungen Leute,<lb/>
welche die&#x017F;es &#x017F;agen. Es &#x017F;ind entweder diejenigen,<lb/>
durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott<lb/>
die Aemter austheilt, oder es &#x017F;ind die &#x017F;elb&#x017F;t, wel-<lb/>
che die Aemter bekommen, oder es &#x017F;ind endlich die,<lb/>
welche als Zu&#x017F;chauer u&#x0364;ber die wunderbare Fu&#x0364;h-<lb/>
rung und Be&#x017F;etzung der Aemter er&#x017F;taunen. Die<lb/>
letzten fu&#x0364;hlen dabey in ihrem Herzen den freudigen<lb/>
Tro&#x017F;t, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung &#x017F;o<lb/>
vielen Narren Aemter giebt, auch &#x017F;ie nicht unver-<lb/>
&#x017F;orgt la&#x017F;&#x017F;en, und wenn &#x017F;ie ver&#x017F;orgt &#x017F;ind, auch &#x017F;ie<lb/>
alsdann mit dem no&#x0364;thigen Ver&#x017F;tande ausru&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
wird, den &#x017F;ie nicht haben, und den &#x017F;ie ohne ein<lb/>
Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Betrachtungen zeugen von ihrer De-<lb/>
muth, und &#x017F;ie be&#x017F;cha&#x0364;men dadurch eine unza&#x0364;hlige<lb/>
Menge Leute, welche doppelt unglu&#x0364;cklich &#x017F;ind, da<lb/>
&#x017F;ie keinen Ver&#x017F;tand haben, und ihn doch nicht<lb/>
vermi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Noch weit &#x017F;ta&#x0364;rker aber i&#x017F;t das Vertrauen zur<lb/>
go&#x0364;ttlichen Vor&#x017F;orge bey denenjenigen, welche die<lb/>
Pflicht auf &#x017F;ich haben, die Aemter zu be&#x017F;etzen.<lb/>
Bey ver&#x017F;chiednen von ihnen wu&#x0364;rde ihr Betragen<lb/>
un&#x017F;innig &#x017F;eyn; man wu&#x0364;rde &#x017F;ie fu&#x0364;r Betru&#x0364;ger, fu&#x0364;r<lb/>
heimliche Verra&#x0364;ther ihres eigenen Vaterlandes,<lb/>
fu&#x0364;r die gefa&#x0364;hrlich&#x017F;ten Bo&#x0364;&#x017F;ewichter halten, wenn<lb/>
man &#x017F;ieht, wie unbedacht&#x017F;am &#x017F;ie bey der Be&#x017F;etzung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0055] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. nehme eine Sache uͤber mich, bey der auch der beſte Advocat verzweifeln wuͤrde. Jch finde beſonders dreyerley Gattungen Leute, welche dieſes ſagen. Es ſind entweder diejenigen, durch welche, nach ihrer Sprache zu reden, Gott die Aemter austheilt, oder es ſind die ſelbſt, wel- che die Aemter bekommen, oder es ſind endlich die, welche als Zuſchauer uͤber die wunderbare Fuͤh- rung und Beſetzung der Aemter erſtaunen. Die letzten fuͤhlen dabey in ihrem Herzen den freudigen Troſt, daß Gott, welcher nach ihrer Meynung ſo vielen Narren Aemter giebt, auch ſie nicht unver- ſorgt laſſen, und wenn ſie verſorgt ſind, auch ſie alsdann mit dem noͤthigen Verſtande ausruͤſten wird, den ſie nicht haben, und den ſie ohne ein Wunderwerk auch nicht zu erlangen hoffen. Dieſe Betrachtungen zeugen von ihrer De- muth, und ſie beſchaͤmen dadurch eine unzaͤhlige Menge Leute, welche doppelt ungluͤcklich ſind, da ſie keinen Verſtand haben, und ihn doch nicht vermiſſen. Noch weit ſtaͤrker aber iſt das Vertrauen zur goͤttlichen Vorſorge bey denenjenigen, welche die Pflicht auf ſich haben, die Aemter zu beſetzen. Bey verſchiednen von ihnen wuͤrde ihr Betragen unſinnig ſeyn; man wuͤrde ſie fuͤr Betruͤger, fuͤr heimliche Verraͤther ihres eigenen Vaterlandes, fuͤr die gefaͤhrlichſten Boͤſewichter halten, wenn man ſieht, wie unbedachtſam ſie bey der Beſetzung der C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/55
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/55>, abgerufen am 24.11.2024.