bläst, daß ihm Schweiß und Ruß über das Ge- sicht laufen. Er arbeitet auch an der Erfindung des großen Geheimnisses: Aber wie sehr ist er von dem tugendhaften Philet unterschieden! Argyl hat ein ansehnliches Vermögen auf die niederträch- tigste Art verschwendet, und noch viele Leute bos- haft um das Jhrige gebracht. Nun macht ihn die Verzweiflung zum Narren. Er ist einem bet- telnden Landstreicher in die Hände gefallen, wel- cher ihn diese wichtige Kunst lehren will. Argyl lechzet nach den versprochnen Schätzen, nicht, daß er tugendhaft leben, andre glücklich machen, und seine Schulden bezahlen will: Keinesweges! Er will Gold machen, damit er eine unerschöpfliche Quelle habe, seine gewohnten Ausschweifungen fort zu setzen. Er hat heute einen neuen Proceß angefangen. Er macht ein großes Geheimniß daraus; aber ich will ihn verrathen:
"Rec. . fin. solvire solche in aquafort. Ziehe "das aquafort davon, und dieses wiederhole "zum drittenmale. Nun gießet destillirten acet, "drauf, und solviret darinnen alles, was sich "solviren will, ziehet den acet. destill. davon, "und solches wiederholt auch zum drittenmale: "Das hinterbliebene Salz solvire in aqua plu- "viali, filtrire und coagulire es ad consistentiam "discretam, so ist es fertig."
Nun hat Argyl alles, was er sich wünscht. Aber ich weis es besser, was er hat: Er hat - - - - - die Narrentinctur.
25. Bla-
Das Maͤrchen vom erſten April.
blaͤſt, daß ihm Schweiß und Ruß uͤber das Ge- ſicht laufen. Er arbeitet auch an der Erfindung des großen Geheimniſſes: Aber wie ſehr iſt er von dem tugendhaften Philet unterſchieden! Argyl hat ein anſehnliches Vermoͤgen auf die niedertraͤch- tigſte Art verſchwendet, und noch viele Leute bos- haft um das Jhrige gebracht. Nun macht ihn die Verzweiflung zum Narren. Er iſt einem bet- telnden Landſtreicher in die Haͤnde gefallen, wel- cher ihn dieſe wichtige Kunſt lehren will. Argyl lechzet nach den verſprochnen Schaͤtzen, nicht, daß er tugendhaft leben, andre gluͤcklich machen, und ſeine Schulden bezahlen will: Keinesweges! Er will Gold machen, damit er eine unerſchoͤpfliche Quelle habe, ſeine gewohnten Ausſchweifungen fort zu ſetzen. Er hat heute einen neuen Proceß angefangen. Er macht ein großes Geheimniß daraus; aber ich will ihn verrathen:
„Rec. ☽. fin. ſolvire ſolche in aquafort. Ziehe „das aquafort davon, und dieſes wiederhole „zum drittenmale. Nun gießet deſtillirten acet, „drauf, und ſolviret darinnen alles, was ſich „ſolviren will, ziehet den acet. deſtill. davon, „und ſolches wiederholt auch zum drittenmale: „Das hinterbliebene Salz ſolvire in aqua plu- „viali, filtrire und coagulire es ad conſiſtentiam „discretam, ſo iſt es fertig.„
Nun hat Argyl alles, was er ſich wuͤnſcht. Aber ich weis es beſſer, was er hat: Er hat ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ die Narrentinctur.
25. Bla-
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[526[524]/0548]
Das Maͤrchen vom erſten April.
blaͤſt, daß ihm Schweiß und Ruß uͤber das Ge-
ſicht laufen. Er arbeitet auch an der Erfindung
des großen Geheimniſſes: Aber wie ſehr iſt er von
dem tugendhaften Philet unterſchieden! Argyl
hat ein anſehnliches Vermoͤgen auf die niedertraͤch-
tigſte Art verſchwendet, und noch viele Leute bos-
haft um das Jhrige gebracht. Nun macht ihn
die Verzweiflung zum Narren. Er iſt einem bet-
telnden Landſtreicher in die Haͤnde gefallen, wel-
cher ihn dieſe wichtige Kunſt lehren will. Argyl
lechzet nach den verſprochnen Schaͤtzen, nicht, daß
er tugendhaft leben, andre gluͤcklich machen, und
ſeine Schulden bezahlen will: Keinesweges! Er
will Gold machen, damit er eine unerſchoͤpfliche
Quelle habe, ſeine gewohnten Ausſchweifungen
fort zu ſetzen. Er hat heute einen neuen Proceß
angefangen. Er macht ein großes Geheimniß
daraus; aber ich will ihn verrathen:
„Rec. ☽. fin. ſolvire ſolche in aquafort. Ziehe
„das aquafort davon, und dieſes wiederhole
„zum drittenmale. Nun gießet deſtillirten acet,
„drauf, und ſolviret darinnen alles, was ſich
„ſolviren will, ziehet den acet. deſtill. davon,
„und ſolches wiederholt auch zum drittenmale:
„Das hinterbliebene Salz ſolvire in aqua plu-
„viali, filtrire und coagulire es ad conſiſtentiam
„discretam, ſo iſt es fertig.„
Nun hat Argyl alles, was er ſich wuͤnſcht. Aber
ich weis es beſſer, was er hat: Er hat ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
die Narrentinctur.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 526[524]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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