ten rühmt, die den guten Namen der treuherzigen Selinde zweydeutig machen. Sie hoffte, der Ball würde die erste Gelegenheit zu ihrem künfti- gen Glücke seyn: aber durch eben diese einfältige Treuherzigkeit hat sie ihren guten Namen verloren, welchen ihre Unschuld nicht retten kann. Sela- don ist ein Bösewicht: Und einem Bösewichte, der etwas Nachtheiliges von einem Frauenzimmer er- zählt, glaubt die lästernde Welt immer lieber, als einem Frauenzimmer, welches seine Unschuld eid- lich erhärtet.
10.
Aber Seladon bleibt nicht ungestraft. Er hat an eben diesem Abende eine Bekanntschaft mit der Tochter (9) eines Kaufmanns gemacht, die er nebst der Bekanntschaft mit Selinden zugleich un- terhält. Denn ein junger Mensch von Verdien- sten, wie Seladon, muß mehr, als ein Mädchen auf einmal betrügen. Und diesesmal wird Sela- don selbst betrogen. Die Tochter des Kaufmanns hat nicht Ursache, spröde zu seyn. Jhr Vater hat ausgerechnet, daß er kaum noch ein Jahr lang im Stande seyn werde, seinen ehrlichen Na- men vor der Welt zu erhalten. Seladon ist be- mittelt genug, ihn noch einige Zeit zu retten. Der Vater räth der Tochter, diese Beute nicht fahren zu lassen. Sie thut alle Anfälle einer verschlag- nen Buhlerinn auf ihn, und thut sie mit gutem
Erfolge,
(9) Die Mademoiselle S - - ist es, die der Himmel geschaf- fen hat, den ungetreuen Seladon zu bestrafen.
Zweytes Buch.
ten ruͤhmt, die den guten Namen der treuherzigen Selinde zweydeutig machen. Sie hoffte, der Ball wuͤrde die erſte Gelegenheit zu ihrem kuͤnfti- gen Gluͤcke ſeyn: aber durch eben dieſe einfaͤltige Treuherzigkeit hat ſie ihren guten Namen verloren, welchen ihre Unſchuld nicht retten kann. Sela- don iſt ein Boͤſewicht: Und einem Boͤſewichte, der etwas Nachtheiliges von einem Frauenzimmer er- zaͤhlt, glaubt die laͤſternde Welt immer lieber, als einem Frauenzimmer, welches ſeine Unſchuld eid- lich erhaͤrtet.
10.
Aber Seladon bleibt nicht ungeſtraft. Er hat an eben dieſem Abende eine Bekanntſchaft mit der Tochter (9) eines Kaufmanns gemacht, die er nebſt der Bekanntſchaft mit Selinden zugleich un- terhaͤlt. Denn ein junger Menſch von Verdien- ſten, wie Seladon, muß mehr, als ein Maͤdchen auf einmal betruͤgen. Und dieſesmal wird Sela- don ſelbſt betrogen. Die Tochter des Kaufmanns hat nicht Urſache, ſproͤde zu ſeyn. Jhr Vater hat ausgerechnet, daß er kaum noch ein Jahr lang im Stande ſeyn werde, ſeinen ehrlichen Na- men vor der Welt zu erhalten. Seladon iſt be- mittelt genug, ihn noch einige Zeit zu retten. Der Vater raͤth der Tochter, dieſe Beute nicht fahren zu laſſen. Sie thut alle Anfaͤlle einer verſchlag- nen Buhlerinn auf ihn, und thut ſie mit gutem
Erfolge,
(9) Die Mademoiſelle S ‒ ‒ iſt es, die der Himmel geſchaf- fen hat, den ungetreuen Seladon zu beſtrafen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0531"n="509[507]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/>
ten ruͤhmt, die den guten Namen der treuherzigen<lb/>
Selinde zweydeutig machen. Sie hoffte, der<lb/>
Ball wuͤrde die erſte Gelegenheit zu ihrem kuͤnfti-<lb/>
gen Gluͤcke ſeyn: aber durch eben dieſe einfaͤltige<lb/>
Treuherzigkeit hat ſie ihren guten Namen verloren,<lb/>
welchen ihre Unſchuld nicht retten kann. Sela-<lb/>
don iſt ein Boͤſewicht: Und einem Boͤſewichte, der<lb/>
etwas Nachtheiliges von einem Frauenzimmer er-<lb/>
zaͤhlt, glaubt die laͤſternde Welt immer lieber, als<lb/>
einem Frauenzimmer, welches ſeine Unſchuld eid-<lb/>
lich erhaͤrtet.</p></div><lb/><divn="4"><head>10.</head><lb/><p>Aber Seladon bleibt nicht ungeſtraft. Er hat<lb/>
an eben dieſem Abende eine Bekanntſchaft mit der<lb/>
Tochter <noteplace="foot"n="(9)">Die Mademoiſelle <hirendition="#aq"><hirendition="#i">S</hi></hi>‒‒ iſt es, die der Himmel geſchaf-<lb/>
fen hat, den ungetreuen Seladon zu beſtrafen.</note> eines Kaufmanns gemacht, die er<lb/>
nebſt der Bekanntſchaft mit Selinden zugleich un-<lb/>
terhaͤlt. Denn ein junger Menſch von Verdien-<lb/>ſten, wie Seladon, muß mehr, als ein Maͤdchen<lb/>
auf einmal betruͤgen. Und dieſesmal wird Sela-<lb/>
don ſelbſt betrogen. Die Tochter des Kaufmanns<lb/>
hat nicht Urſache, ſproͤde zu ſeyn. Jhr Vater<lb/>
hat ausgerechnet, daß er kaum noch ein Jahr<lb/>
lang im Stande ſeyn werde, ſeinen ehrlichen Na-<lb/>
men vor der Welt zu erhalten. Seladon iſt be-<lb/>
mittelt genug, ihn noch einige Zeit zu retten. Der<lb/>
Vater raͤth der Tochter, dieſe Beute nicht fahren<lb/>
zu laſſen. Sie thut alle Anfaͤlle einer verſchlag-<lb/>
nen Buhlerinn auf ihn, und thut ſie mit gutem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Erfolge,</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[509[507]/0531]
Zweytes Buch.
ten ruͤhmt, die den guten Namen der treuherzigen
Selinde zweydeutig machen. Sie hoffte, der
Ball wuͤrde die erſte Gelegenheit zu ihrem kuͤnfti-
gen Gluͤcke ſeyn: aber durch eben dieſe einfaͤltige
Treuherzigkeit hat ſie ihren guten Namen verloren,
welchen ihre Unſchuld nicht retten kann. Sela-
don iſt ein Boͤſewicht: Und einem Boͤſewichte, der
etwas Nachtheiliges von einem Frauenzimmer er-
zaͤhlt, glaubt die laͤſternde Welt immer lieber, als
einem Frauenzimmer, welches ſeine Unſchuld eid-
lich erhaͤrtet.
10.
Aber Seladon bleibt nicht ungeſtraft. Er hat
an eben dieſem Abende eine Bekanntſchaft mit der
Tochter (9) eines Kaufmanns gemacht, die er
nebſt der Bekanntſchaft mit Selinden zugleich un-
terhaͤlt. Denn ein junger Menſch von Verdien-
ſten, wie Seladon, muß mehr, als ein Maͤdchen
auf einmal betruͤgen. Und dieſesmal wird Sela-
don ſelbſt betrogen. Die Tochter des Kaufmanns
hat nicht Urſache, ſproͤde zu ſeyn. Jhr Vater
hat ausgerechnet, daß er kaum noch ein Jahr
lang im Stande ſeyn werde, ſeinen ehrlichen Na-
men vor der Welt zu erhalten. Seladon iſt be-
mittelt genug, ihn noch einige Zeit zu retten. Der
Vater raͤth der Tochter, dieſe Beute nicht fahren
zu laſſen. Sie thut alle Anfaͤlle einer verſchlag-
nen Buhlerinn auf ihn, und thut ſie mit gutem
Erfolge,
(9) Die Mademoiſelle S ‒ ‒ iſt es, die der Himmel geſchaf-
fen hat, den ungetreuen Seladon zu beſtrafen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 509[507]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/531>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.