so weise, daß er denenjenigen unbescheiden wider- spricht, die ihn vor zwanzig Jahren auf den Ar- men trugen? Und das ist seine Frau Mutter? Sie weint vor Freuden, daß der Himmel ihren Sohn mit so vieler Weisheit, und Lunge ausge- rüstet hat. Jhre Freude wird nicht lange dauern. Das weise Kind, welches heute vor Gelehrsam- keit bersten möchte, wird in drey Monaten erfah- ren, daß er ein elender Jgnorant sey. Er wird verstummen, und alsdann erst wird er erträg- lich seyn.
8.
Heute wird der unglückliche Ball seyn, auf welchem so viele zärtliche Thoren den Grund zu ihrem Misvergnügen legen.
Der junge Herr (7) in weißen Strümpfen und mit den reichen Aufschlägen, flattert um seine Schöne, wie die Motte ums Licht. Er sieht ein paar schwarze Augen, er fühlt eine weiche Hand, er schielt nach dem Palatine, und wird so heiß vor Liebe, daß er schmelzen möchte. Morgen wird er seine Göttinn besuchen, und seufzen; über- morgen wird er seine Liebe entdecken; in vier Wo- chen wird er ihr Mann seyn; und in vier Mona- ten möchte er sich vor den Kopf schießen, so oft es ihm einfällt, daß er die Thorheit gehabt hat, der Mann eines Frauenzimmers zu werden, dessen unvorsichtige Ausschweifungen ihn vor der ganzen Stadt lächerlich machen.
9. Selinde,
(7) Der süsse Herr S - -, der dort rechter Hand wohnt, wenn man nach dem Markte zugeht.
Zweytes Buch.
ſo weiſe, daß er denenjenigen unbeſcheiden wider- ſpricht, die ihn vor zwanzig Jahren auf den Ar- men trugen? Und das iſt ſeine Frau Mutter? Sie weint vor Freuden, daß der Himmel ihren Sohn mit ſo vieler Weisheit, und Lunge ausge- ruͤſtet hat. Jhre Freude wird nicht lange dauern. Das weiſe Kind, welches heute vor Gelehrſam- keit berſten moͤchte, wird in drey Monaten erfah- ren, daß er ein elender Jgnorant ſey. Er wird verſtummen, und alsdann erſt wird er ertraͤg- lich ſeyn.
8.
Heute wird der ungluͤckliche Ball ſeyn, auf welchem ſo viele zaͤrtliche Thoren den Grund zu ihrem Misvergnuͤgen legen.
Der junge Herr (7) in weißen Struͤmpfen und mit den reichen Aufſchlaͤgen, flattert um ſeine Schoͤne, wie die Motte ums Licht. Er ſieht ein paar ſchwarze Augen, er fuͤhlt eine weiche Hand, er ſchielt nach dem Palatine, und wird ſo heiß vor Liebe, daß er ſchmelzen moͤchte. Morgen wird er ſeine Goͤttinn beſuchen, und ſeufzen; uͤber- morgen wird er ſeine Liebe entdecken; in vier Wo- chen wird er ihr Mann ſeyn; und in vier Mona- ten moͤchte er ſich vor den Kopf ſchießen, ſo oft es ihm einfaͤllt, daß er die Thorheit gehabt hat, der Mann eines Frauenzimmers zu werden, deſſen unvorſichtige Ausſchweifungen ihn vor der ganzen Stadt laͤcherlich machen.
9. Selinde,
(7) Der ſuͤſſe Herr S ‒ ‒, der dort rechter Hand wohnt, wenn man nach dem Markte zugeht.
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[507[505]/0529]
Zweytes Buch.
ſo weiſe, daß er denenjenigen unbeſcheiden wider-
ſpricht, die ihn vor zwanzig Jahren auf den Ar-
men trugen? Und das iſt ſeine Frau Mutter?
Sie weint vor Freuden, daß der Himmel ihren
Sohn mit ſo vieler Weisheit, und Lunge ausge-
ruͤſtet hat. Jhre Freude wird nicht lange dauern.
Das weiſe Kind, welches heute vor Gelehrſam-
keit berſten moͤchte, wird in drey Monaten erfah-
ren, daß er ein elender Jgnorant ſey. Er wird
verſtummen, und alsdann erſt wird er ertraͤg-
lich ſeyn.
8.
Heute wird der ungluͤckliche Ball ſeyn, auf
welchem ſo viele zaͤrtliche Thoren den Grund zu
ihrem Misvergnuͤgen legen.
Der junge Herr (7) in weißen Struͤmpfen
und mit den reichen Aufſchlaͤgen, flattert um ſeine
Schoͤne, wie die Motte ums Licht. Er ſieht ein
paar ſchwarze Augen, er fuͤhlt eine weiche Hand,
er ſchielt nach dem Palatine, und wird ſo heiß
vor Liebe, daß er ſchmelzen moͤchte. Morgen
wird er ſeine Goͤttinn beſuchen, und ſeufzen; uͤber-
morgen wird er ſeine Liebe entdecken; in vier Wo-
chen wird er ihr Mann ſeyn; und in vier Mona-
ten moͤchte er ſich vor den Kopf ſchießen, ſo oft
es ihm einfaͤllt, daß er die Thorheit gehabt hat,
der Mann eines Frauenzimmers zu werden, deſſen
unvorſichtige Ausſchweifungen ihn vor der ganzen
Stadt laͤcherlich machen.
9. Selinde,
(7) Der ſuͤſſe Herr S ‒ ‒, der dort rechter Hand wohnt,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 507[505]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/529>, abgerufen am 22.12.2024.
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