Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
eine Pension anzusuchen. Man hört sein Bitten
an, und macht ihm ein gnädiges Compliment; er
bittet noch einmal, und man verweist ihn zur Ge-
duld; er bittet zum drittenmale, und nunmehr
findet man seine Bitte sehr unbescheiden. Man
wird ihn fragen, worinnen denn eigentlich die
wichtigen Dienste bestehen, die er dem Hofe mit
Aufwendung eines so ansehnlichen Vermögens
geleistet habe? Dieser Frage hatte er sich nicht
versehen. Er geht, misvergnügt über den Hof,
zurück, lebt noch einige Zeit in der Stadt von den
Wohlthaten seiner Bekannten, von der Leicht-
gläubigkeit einiger Wucherer, und von seiner eig-
nen Unverschämtheit. Endlich flieht er aufs Land,
und füttert sich in etlichen adlichen Familien zu
Tode, wo er der gnädigen Frau viel Nachtheili-
ges von den Hofdamen erzählt, der Fräulein ein
paar abgesetzte Operarien vorheult, den Junker
die Geographie von allen verdächtigen Häusern
der Residenz lehrt, und mit dem alten Ritter,
beym Kamine, über die Regierung, und den Un-
dank des Hofs patriotisch seufzet.

4.

Der Prinz wird nach der Tafel einige Minu-
ten mit dem Grafen N. - - (3) am Fenster stehen,
sehr vertraut mit ihm reden, und ihm einigemal
etwas ins Ohr sagen. Es sind in der That nur
gleichgültige Dinge, die er mit ihm spricht, und

die
(3) Der Graf E - -, ist ihnen der unbekannt?
J i 3

Zweytes Buch.
eine Penſion anzuſuchen. Man hoͤrt ſein Bitten
an, und macht ihm ein gnaͤdiges Compliment; er
bittet noch einmal, und man verweiſt ihn zur Ge-
duld; er bittet zum drittenmale, und nunmehr
findet man ſeine Bitte ſehr unbeſcheiden. Man
wird ihn fragen, worinnen denn eigentlich die
wichtigen Dienſte beſtehen, die er dem Hofe mit
Aufwendung eines ſo anſehnlichen Vermoͤgens
geleiſtet habe? Dieſer Frage hatte er ſich nicht
verſehen. Er geht, misvergnuͤgt uͤber den Hof,
zuruͤck, lebt noch einige Zeit in der Stadt von den
Wohlthaten ſeiner Bekannten, von der Leicht-
glaͤubigkeit einiger Wucherer, und von ſeiner eig-
nen Unverſchaͤmtheit. Endlich flieht er aufs Land,
und fuͤttert ſich in etlichen adlichen Familien zu
Tode, wo er der gnaͤdigen Frau viel Nachtheili-
ges von den Hofdamen erzaͤhlt, der Fraͤulein ein
paar abgeſetzte Operarien vorheult, den Junker
die Geographie von allen verdaͤchtigen Haͤuſern
der Reſidenz lehrt, und mit dem alten Ritter,
beym Kamine, uͤber die Regierung, und den Un-
dank des Hofs patriotiſch ſeufzet.

4.

Der Prinz wird nach der Tafel einige Minu-
ten mit dem Grafen N. ‒ ‒ (3) am Fenſter ſtehen,
ſehr vertraut mit ihm reden, und ihm einigemal
etwas ins Ohr ſagen. Es ſind in der That nur
gleichguͤltige Dinge, die er mit ihm ſpricht, und

die
(3) Der Graf E ‒ ‒, iſt ihnen der unbekannt?
J i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0523" n="501[499]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/>
eine Pen&#x017F;ion anzu&#x017F;uchen. Man ho&#x0364;rt &#x017F;ein Bitten<lb/>
an, und macht ihm ein gna&#x0364;diges Compliment; er<lb/>
bittet noch einmal, und man verwei&#x017F;t ihn zur Ge-<lb/>
duld; er bittet zum drittenmale, und nunmehr<lb/>
findet man &#x017F;eine Bitte &#x017F;ehr unbe&#x017F;cheiden. Man<lb/>
wird ihn fragen, worinnen denn eigentlich die<lb/>
wichtigen Dien&#x017F;te be&#x017F;tehen, die er dem Hofe mit<lb/>
Aufwendung eines &#x017F;o an&#x017F;ehnlichen Vermo&#x0364;gens<lb/>
gelei&#x017F;tet habe? Die&#x017F;er Frage hatte er &#x017F;ich nicht<lb/>
ver&#x017F;ehen. Er geht, misvergnu&#x0364;gt u&#x0364;ber den Hof,<lb/>
zuru&#x0364;ck, lebt noch einige Zeit in der Stadt von den<lb/>
Wohlthaten &#x017F;einer Bekannten, von der Leicht-<lb/>
gla&#x0364;ubigkeit einiger Wucherer, und von &#x017F;einer eig-<lb/>
nen Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit. Endlich flieht er aufs Land,<lb/>
und fu&#x0364;ttert &#x017F;ich in etlichen adlichen Familien zu<lb/>
Tode, wo er der gna&#x0364;digen Frau viel Nachtheili-<lb/>
ges von den Hofdamen erza&#x0364;hlt, der Fra&#x0364;ulein ein<lb/>
paar abge&#x017F;etzte Operarien vorheult, den Junker<lb/>
die Geographie von allen verda&#x0364;chtigen Ha&#x0364;u&#x017F;ern<lb/>
der Re&#x017F;idenz lehrt, und mit dem alten Ritter,<lb/>
beym Kamine, u&#x0364;ber die Regierung, und den Un-<lb/>
dank des Hofs patrioti&#x017F;ch &#x017F;eufzet.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>4.</head><lb/>
              <p>Der Prinz wird nach der Tafel einige Minu-<lb/>
ten mit dem Grafen <hi rendition="#fr">N.</hi> &#x2012; &#x2012; <note place="foot" n="(3)">Der Graf <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">E</hi></hi> &#x2012; &#x2012;, i&#x017F;t ihnen der unbekannt?</note> am Fen&#x017F;ter &#x017F;tehen,<lb/>
&#x017F;ehr vertraut mit ihm reden, und ihm einigemal<lb/>
etwas ins Ohr &#x017F;agen. Es &#x017F;ind in der That nur<lb/>
gleichgu&#x0364;ltige Dinge, die er mit ihm &#x017F;pricht, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i 3</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501[499]/0523] Zweytes Buch. eine Penſion anzuſuchen. Man hoͤrt ſein Bitten an, und macht ihm ein gnaͤdiges Compliment; er bittet noch einmal, und man verweiſt ihn zur Ge- duld; er bittet zum drittenmale, und nunmehr findet man ſeine Bitte ſehr unbeſcheiden. Man wird ihn fragen, worinnen denn eigentlich die wichtigen Dienſte beſtehen, die er dem Hofe mit Aufwendung eines ſo anſehnlichen Vermoͤgens geleiſtet habe? Dieſer Frage hatte er ſich nicht verſehen. Er geht, misvergnuͤgt uͤber den Hof, zuruͤck, lebt noch einige Zeit in der Stadt von den Wohlthaten ſeiner Bekannten, von der Leicht- glaͤubigkeit einiger Wucherer, und von ſeiner eig- nen Unverſchaͤmtheit. Endlich flieht er aufs Land, und fuͤttert ſich in etlichen adlichen Familien zu Tode, wo er der gnaͤdigen Frau viel Nachtheili- ges von den Hofdamen erzaͤhlt, der Fraͤulein ein paar abgeſetzte Operarien vorheult, den Junker die Geographie von allen verdaͤchtigen Haͤuſern der Reſidenz lehrt, und mit dem alten Ritter, beym Kamine, uͤber die Regierung, und den Un- dank des Hofs patriotiſch ſeufzet. 4. Der Prinz wird nach der Tafel einige Minu- ten mit dem Grafen N. ‒ ‒ (3) am Fenſter ſtehen, ſehr vertraut mit ihm reden, und ihm einigemal etwas ins Ohr ſagen. Es ſind in der That nur gleichguͤltige Dinge, die er mit ihm ſpricht, und die (3) Der Graf E ‒ ‒, iſt ihnen der unbekannt? J i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/523
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 501[499]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/523>, abgerufen am 20.11.2024.