Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Märchen vom ersten April.
von Gewalt und Reichthume: Aber im Kurzen
wird er merken, daß alles nur ein Traum gewe-
sen ist. Er wird wieder auf sein Landgut flüch-
ten, und suchen, durch eine genau eingeschränkte
Wirthschaft in zehn Jahren so viel zu ersparen, als
er es sich in einem Jahre hat kosten lassen, dem
Hofe lächerlich zu seyn.

3.

Nasidien (2) hat in der Stadt, wo der Hof
wohnt, seit zwanzig Jahren ein ansehnliches Ver-
mögen, durch alle nur ersinnliche, sowohl vor-
nehme, als niederträchtige Ausschweifungen zer-
streut. Weil er für den Prinzen ein besondres
Gallakleid, ein anderes für die Gemahlinn des
Prinzen, und für einen jeden Vetter und eine je-
de Muhme des fürstlichen Hauses wenigstens eine
reiche Weste gehabt; weil er zwanzig Jahre in
der Antichambre müßig geplaudert hat; weil er
sich sein Geld bey Hofe hat abgewinnen lassen;
weil er seine Gesundheit, in der Gesellschaft eini-
ger Frauenspersonen vom Theater eingebüßt hat:
So glaubt er, ein Recht zu haben, von dem Prin-
zen eine Belohnung seiner treuen Dienste, und
eine Schadloshaltung für das ansehnliche Ver-
mögen zu fodern, welches er, nach seiner Art zu
reden, im Dienste des Fürsten zugesetzt hat. Er
entschließt sich also, diesen Morgen ernstlich um
ein Amt, oder, welches bey ihm einerley ist, um

eine
(2) Seine Gläubiger werden es gleich errathen, daß ich
den Herrn von N - - meyne.

Das Maͤrchen vom erſten April.
von Gewalt und Reichthume: Aber im Kurzen
wird er merken, daß alles nur ein Traum gewe-
ſen iſt. Er wird wieder auf ſein Landgut fluͤch-
ten, und ſuchen, durch eine genau eingeſchraͤnkte
Wirthſchaft in zehn Jahren ſo viel zu erſparen, als
er es ſich in einem Jahre hat koſten laſſen, dem
Hofe laͤcherlich zu ſeyn.

3.

Naſidien (2) hat in der Stadt, wo der Hof
wohnt, ſeit zwanzig Jahren ein anſehnliches Ver-
moͤgen, durch alle nur erſinnliche, ſowohl vor-
nehme, als niedertraͤchtige Ausſchweifungen zer-
ſtreut. Weil er fuͤr den Prinzen ein beſondres
Gallakleid, ein anderes fuͤr die Gemahlinn des
Prinzen, und fuͤr einen jeden Vetter und eine je-
de Muhme des fuͤrſtlichen Hauſes wenigſtens eine
reiche Weſte gehabt; weil er zwanzig Jahre in
der Antichambre muͤßig geplaudert hat; weil er
ſich ſein Geld bey Hofe hat abgewinnen laſſen;
weil er ſeine Geſundheit, in der Geſellſchaft eini-
ger Frauensperſonen vom Theater eingebuͤßt hat:
So glaubt er, ein Recht zu haben, von dem Prin-
zen eine Belohnung ſeiner treuen Dienſte, und
eine Schadloshaltung fuͤr das anſehnliche Ver-
moͤgen zu fodern, welches er, nach ſeiner Art zu
reden, im Dienſte des Fuͤrſten zugeſetzt hat. Er
entſchließt ſich alſo, dieſen Morgen ernſtlich um
ein Amt, oder, welches bey ihm einerley iſt, um

eine
(2) Seine Glaͤubiger werden es gleich errathen, daß ich
den Herrn von N ‒ ‒ meyne.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0522" n="500[498]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Ma&#x0364;rchen vom er&#x017F;ten April.</hi></fw><lb/>
von Gewalt und Reichthume: Aber im Kurzen<lb/>
wird er merken, daß alles nur ein Traum gewe-<lb/>
&#x017F;en i&#x017F;t. Er wird wieder auf &#x017F;ein Landgut flu&#x0364;ch-<lb/>
ten, und &#x017F;uchen, durch eine genau einge&#x017F;chra&#x0364;nkte<lb/>
Wirth&#x017F;chaft in zehn Jahren &#x017F;o viel zu er&#x017F;paren, als<lb/>
er es &#x017F;ich in einem Jahre hat ko&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en, dem<lb/>
Hofe la&#x0364;cherlich zu &#x017F;eyn.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>3.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Na&#x017F;idien</hi><note place="foot" n="(2)">Seine Gla&#x0364;ubiger werden es gleich errathen, daß ich<lb/>
den Herrn von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">N</hi></hi> &#x2012; &#x2012; meyne.</note> hat in der Stadt, wo der Hof<lb/>
wohnt, &#x017F;eit zwanzig Jahren ein an&#x017F;ehnliches Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, durch alle nur er&#x017F;innliche, &#x017F;owohl vor-<lb/>
nehme, als niedertra&#x0364;chtige Aus&#x017F;chweifungen zer-<lb/>
&#x017F;treut. Weil er fu&#x0364;r den Prinzen ein be&#x017F;ondres<lb/>
Gallakleid, ein anderes fu&#x0364;r die Gemahlinn des<lb/>
Prinzen, und fu&#x0364;r einen jeden Vetter und eine je-<lb/>
de Muhme des fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Hau&#x017F;es wenig&#x017F;tens eine<lb/>
reiche We&#x017F;te gehabt; weil er zwanzig Jahre in<lb/>
der Antichambre mu&#x0364;ßig geplaudert hat; weil er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ein Geld bey Hofe hat abgewinnen la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
weil er &#x017F;eine Ge&#x017F;undheit, in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eini-<lb/>
ger Frauensper&#x017F;onen vom Theater eingebu&#x0364;ßt hat:<lb/>
So glaubt er, ein Recht zu haben, von dem Prin-<lb/>
zen eine Belohnung &#x017F;einer treuen Dien&#x017F;te, und<lb/>
eine Schadloshaltung fu&#x0364;r das an&#x017F;ehnliche Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen zu fodern, welches er, nach &#x017F;einer Art zu<lb/>
reden, im Dien&#x017F;te des Fu&#x0364;r&#x017F;ten zuge&#x017F;etzt hat. Er<lb/>
ent&#x017F;chließt &#x017F;ich al&#x017F;o, die&#x017F;en Morgen ern&#x017F;tlich um<lb/>
ein Amt, oder, welches bey ihm einerley i&#x017F;t, um<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[500[498]/0522] Das Maͤrchen vom erſten April. von Gewalt und Reichthume: Aber im Kurzen wird er merken, daß alles nur ein Traum gewe- ſen iſt. Er wird wieder auf ſein Landgut fluͤch- ten, und ſuchen, durch eine genau eingeſchraͤnkte Wirthſchaft in zehn Jahren ſo viel zu erſparen, als er es ſich in einem Jahre hat koſten laſſen, dem Hofe laͤcherlich zu ſeyn. 3. Naſidien (2) hat in der Stadt, wo der Hof wohnt, ſeit zwanzig Jahren ein anſehnliches Ver- moͤgen, durch alle nur erſinnliche, ſowohl vor- nehme, als niedertraͤchtige Ausſchweifungen zer- ſtreut. Weil er fuͤr den Prinzen ein beſondres Gallakleid, ein anderes fuͤr die Gemahlinn des Prinzen, und fuͤr einen jeden Vetter und eine je- de Muhme des fuͤrſtlichen Hauſes wenigſtens eine reiche Weſte gehabt; weil er zwanzig Jahre in der Antichambre muͤßig geplaudert hat; weil er ſich ſein Geld bey Hofe hat abgewinnen laſſen; weil er ſeine Geſundheit, in der Geſellſchaft eini- ger Frauensperſonen vom Theater eingebuͤßt hat: So glaubt er, ein Recht zu haben, von dem Prin- zen eine Belohnung ſeiner treuen Dienſte, und eine Schadloshaltung fuͤr das anſehnliche Ver- moͤgen zu fodern, welches er, nach ſeiner Art zu reden, im Dienſte des Fuͤrſten zugeſetzt hat. Er entſchließt ſich alſo, dieſen Morgen ernſtlich um ein Amt, oder, welches bey ihm einerley iſt, um eine (2) Seine Glaͤubiger werden es gleich errathen, daß ich den Herrn von N ‒ ‒ meyne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/522
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 500[498]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/522>, abgerufen am 20.11.2024.