Vaters niederwirft, und in seinem Herzen über ihn lacht.
Dieses hat mich bewogen, das Sprüchwort nach seiner alten Lesart beyzubehalten, und ich habe mich deutlich genug darüber erkläret, ohne zu besorgen, daß mich diejenigen, welche stärker denken, als der fromme Pöbel, für einen Quä- ker halten werden.
Jch nehme es also für bekannt an, daß Gott das Amt giebt. Es hebt dieser Satz dasjenige gar nicht auf, was man aus der Erfahrung dar- wider einwenden möchte. Recht wahrscheinlich ist es freylich nicht; aber ein guter Ausleger weis alles zusammen zu reimen.
Jch halte mich in einem sehr kleinen Städt- chen auf, und doch ist es noch immer groß genug, meinen Satz zu behaupten. Außer dem Nacht- wächter weis ich niemanden, welcher auf eine er- laubte Weise zu seinem Amte gekommen wäre. Er würde, als ein alter wohlverdienter und ab- gedankter Soldat haben verhungern müssen: (denn dieses ist immer die gewisse Belohnung de- rer, welche sich für das Vaterland verstümmeln lassen:) wenn er nicht zu diesem wichtigen Posten zu eben der Zeit erhoben worden wäre, als die Bürgerschaft so weit gebracht war, daß sie ihn als einen Hausarmen ernähren sollte. Man machte ihn ohne sein Ansuchen zum Nachtwächter, und sein Beruf muß wohl rechtmäßig seyn, weil er den Amtmann nicht bestochen hat, und von keinem
Raths-
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Vaters niederwirft, und in ſeinem Herzen uͤber ihn lacht.
Dieſes hat mich bewogen, das Spruͤchwort nach ſeiner alten Lesart beyzubehalten, und ich habe mich deutlich genug daruͤber erklaͤret, ohne zu beſorgen, daß mich diejenigen, welche ſtaͤrker denken, als der fromme Poͤbel, fuͤr einen Quaͤ- ker halten werden.
Jch nehme es alſo fuͤr bekannt an, daß Gott das Amt giebt. Es hebt dieſer Satz dasjenige gar nicht auf, was man aus der Erfahrung dar- wider einwenden moͤchte. Recht wahrſcheinlich iſt es freylich nicht; aber ein guter Ausleger weis alles zuſammen zu reimen.
Jch halte mich in einem ſehr kleinen Staͤdt- chen auf, und doch iſt es noch immer groß genug, meinen Satz zu behaupten. Außer dem Nacht- waͤchter weis ich niemanden, welcher auf eine er- laubte Weiſe zu ſeinem Amte gekommen waͤre. Er wuͤrde, als ein alter wohlverdienter und ab- gedankter Soldat haben verhungern muͤſſen: (denn dieſes iſt immer die gewiſſe Belohnung de- rer, welche ſich fuͤr das Vaterland verſtuͤmmeln laſſen:) wenn er nicht zu dieſem wichtigen Poſten zu eben der Zeit erhoben worden waͤre, als die Buͤrgerſchaft ſo weit gebracht war, daß ſie ihn als einen Hausarmen ernaͤhren ſollte. Man machte ihn ohne ſein Anſuchen zum Nachtwaͤchter, und ſein Beruf muß wohl rechtmaͤßig ſeyn, weil er den Amtmann nicht beſtochen hat, und von keinem
Raths-
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Vaters niederwirft, und in ſeinem Herzen uͤber
ihn lacht.
Dieſes hat mich bewogen, das Spruͤchwort
nach ſeiner alten Lesart beyzubehalten, und ich
habe mich deutlich genug daruͤber erklaͤret, ohne
zu beſorgen, daß mich diejenigen, welche ſtaͤrker
denken, als der fromme Poͤbel, fuͤr einen Quaͤ-
ker halten werden.
Jch nehme es alſo fuͤr bekannt an, daß Gott
das Amt giebt. Es hebt dieſer Satz dasjenige
gar nicht auf, was man aus der Erfahrung dar-
wider einwenden moͤchte. Recht wahrſcheinlich
iſt es freylich nicht; aber ein guter Ausleger weis
alles zuſammen zu reimen.
Jch halte mich in einem ſehr kleinen Staͤdt-
chen auf, und doch iſt es noch immer groß genug,
meinen Satz zu behaupten. Außer dem Nacht-
waͤchter weis ich niemanden, welcher auf eine er-
laubte Weiſe zu ſeinem Amte gekommen waͤre.
Er wuͤrde, als ein alter wohlverdienter und ab-
gedankter Soldat haben verhungern muͤſſen:
(denn dieſes iſt immer die gewiſſe Belohnung de-
rer, welche ſich fuͤr das Vaterland verſtuͤmmeln
laſſen:) wenn er nicht zu dieſem wichtigen Poſten
zu eben der Zeit erhoben worden waͤre, als die
Buͤrgerſchaft ſo weit gebracht war, daß ſie ihn als
einen Hausarmen ernaͤhren ſollte. Man machte
ihn ohne ſein Anſuchen zum Nachtwaͤchter, und
ſein Beruf muß wohl rechtmaͤßig ſeyn, weil er den
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/51>, abgerufen am 28.11.2024.
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