pfindlich und kalt. Wollte er sie küssen; so klagte sie über Schmerzen am Haupte. Verlangte er, daß sie mit an seiner Tafel speisen sollte; so wen- dete sie eine Andacht vor, und fastete. Redete er mit ihr, und sagte ihr die zärtlichsten Schmei- cheleyen; so spielte sie mit ihrem kleinen Drachen. Redete er nicht mit ihr; so warf sie ihm seine Un- empfindlichkeit vor. Was ihm gefiel, tadelte sie. War er aufgeräumt, so vergoß sie Thränen, daß er bey ihrem Kummer noch scherzen könne. Jn den traurigen Stunden, wenn er seinen Schmerz weiter nicht bergen konnte, machte sie ihm bittre Vorwürfe, und klagte, daß er sie nicht mehr liebe, daß er allemal aufgeräumt, und nur in ihrer Ge- genwart immer traurig sey.
Das Exempel der Königinn breitete sich durch die ganze Stadt aus. Die Weiber der Vorneh- men ahmeten sie nach. Die Aerzte hielten es für eine Krankheit, aber sie wußten kein Mittel da- wider. Sie gaben dieser Krankheit einen gelehr- ten Namen, und nannten sie: Ongasauwara- Sinano;* Das war alles, was sie thun konnten. Unerachtet dieses gelehrten Namens, blieben die Männer bey dem misvergnügten, und sich widersprechenden Eigensinne ihrer Weiber un- glücklich. T' Siamma sahe die Zerrüttung mit
Betrüb-
* Der berühmte Pere du Halde erzählt eben diese Geschichte, aber nur mit einigen Veränderungen. Er drückt das Ongasauwarg-Singno durch sein Vapeurs aus, und ich weis nicht, ob er es getroffen hat.
Das Maͤrchen vom erſten April.
pfindlich und kalt. Wollte er ſie kuͤſſen; ſo klagte ſie uͤber Schmerzen am Haupte. Verlangte er, daß ſie mit an ſeiner Tafel ſpeiſen ſollte; ſo wen- dete ſie eine Andacht vor, und faſtete. Redete er mit ihr, und ſagte ihr die zaͤrtlichſten Schmei- cheleyen; ſo ſpielte ſie mit ihrem kleinen Drachen. Redete er nicht mit ihr; ſo warf ſie ihm ſeine Un- empfindlichkeit vor. Was ihm gefiel, tadelte ſie. War er aufgeraͤumt, ſo vergoß ſie Thraͤnen, daß er bey ihrem Kummer noch ſcherzen koͤnne. Jn den traurigen Stunden, wenn er ſeinen Schmerz weiter nicht bergen konnte, machte ſie ihm bittre Vorwuͤrfe, und klagte, daß er ſie nicht mehr liebe, daß er allemal aufgeraͤumt, und nur in ihrer Ge- genwart immer traurig ſey.
Das Exempel der Koͤniginn breitete ſich durch die ganze Stadt aus. Die Weiber der Vorneh- men ahmeten ſie nach. Die Aerzte hielten es fuͤr eine Krankheit, aber ſie wußten kein Mittel da- wider. Sie gaben dieſer Krankheit einen gelehr- ten Namen, und nannten ſie: Ongaſauwara- Sinano;* Das war alles, was ſie thun konnten. Unerachtet dieſes gelehrten Namens, blieben die Maͤnner bey dem misvergnuͤgten, und ſich widerſprechenden Eigenſinne ihrer Weiber un- gluͤcklich. T’ Siamma ſahe die Zerruͤttung mit
Betruͤb-
* Der beruͤhmte Pere du Halde erzaͤhlt eben dieſe Geſchichte, aber nur mit einigen Veraͤnderungen. Er druͤckt das Ongaſauwarg-Singno durch ſein Vapeurs aus, und ich weis nicht, ob er es getroffen hat.
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[486[484]/0508]
Das Maͤrchen vom erſten April.
pfindlich und kalt. Wollte er ſie kuͤſſen; ſo klagte
ſie uͤber Schmerzen am Haupte. Verlangte er,
daß ſie mit an ſeiner Tafel ſpeiſen ſollte; ſo wen-
dete ſie eine Andacht vor, und faſtete. Redete
er mit ihr, und ſagte ihr die zaͤrtlichſten Schmei-
cheleyen; ſo ſpielte ſie mit ihrem kleinen Drachen.
Redete er nicht mit ihr; ſo warf ſie ihm ſeine Un-
empfindlichkeit vor. Was ihm gefiel, tadelte ſie.
War er aufgeraͤumt, ſo vergoß ſie Thraͤnen, daß
er bey ihrem Kummer noch ſcherzen koͤnne. Jn
den traurigen Stunden, wenn er ſeinen Schmerz
weiter nicht bergen konnte, machte ſie ihm bittre
Vorwuͤrfe, und klagte, daß er ſie nicht mehr liebe,
daß er allemal aufgeraͤumt, und nur in ihrer Ge-
genwart immer traurig ſey.
Das Exempel der Koͤniginn breitete ſich durch
die ganze Stadt aus. Die Weiber der Vorneh-
men ahmeten ſie nach. Die Aerzte hielten es fuͤr
eine Krankheit, aber ſie wußten kein Mittel da-
wider. Sie gaben dieſer Krankheit einen gelehr-
ten Namen, und nannten ſie: Ongaſauwara-
Sinano; * Das war alles, was ſie thun
konnten. Unerachtet dieſes gelehrten Namens,
blieben die Maͤnner bey dem misvergnuͤgten, und
ſich widerſprechenden Eigenſinne ihrer Weiber un-
gluͤcklich. T’ Siamma ſahe die Zerruͤttung mit
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* Der beruͤhmte Pere du Halde erzaͤhlt eben dieſe Geſchichte,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 486[484]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/508>, abgerufen am 22.11.2024.
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