hörten die Entschuldigungen des Königes nicht, und riefen dem Volke zu: Sie sollten die Beschimp- fungen ihres Gottes rächen, und den ungläubi- gen T' Siamma erwürgen. Das Volk fieng schon an zu murren. Kaum konnte der unglück- liche König noch so viel Zeit gewinnen, sich in sein Schloß zu flüchten, wo er drey Tage lang ver- schlossen blieb, und auf seinen Knieen rohe Bohnen aß, um den Zorn des schrecklichen Namu-Amida zu versöhnen; denn er glaubte, daß dieser auf ihn erzürnt sey, und aus Zorn seine Geschenke in so verächtliche Sachen verwandelt habe. Am vierten Tage versammelte er den großen Rath. Es ward beschlossen, der König solle durch einen seiner verschwiegensten Knechte den Priestern Ge- schenke senden, und solche verdoppeln. Er that es. Die Priester ließen sich bewegen, die Ge- schenke anzunehmen, und ihr Gott ward ver- söhnet.
Seit diesem Zufalle blieb der König immer traurig; denn die Gnade seiner Götter, und die Liebe seiner Unterthanen verloren zu haben, das waren diesem guten Könige zwo schreckliche Sa- chen. Die Räthe merkten seine Schwermuth, welche weder die Geschäffte seiner Regierung, noch die öftern Lustbarkeiten zerstreuen konnten. Sie riethen ihm am, er solle sich vermählen. Es vergiengen dreyßig Monden, ehe er sich entschlies- sen konnte. Endlich stellten sie ihm vor: Das Wohl seines Landes erfodere dieses; und sogleich entschloß er sich.
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Erſtes Buch.
hoͤrten die Entſchuldigungen des Koͤniges nicht, und riefen dem Volke zu: Sie ſollten die Beſchimp- fungen ihres Gottes raͤchen, und den unglaͤubi- gen T’ Siamma erwuͤrgen. Das Volk fieng ſchon an zu murren. Kaum konnte der ungluͤck- liche Koͤnig noch ſo viel Zeit gewinnen, ſich in ſein Schloß zu fluͤchten, wo er drey Tage lang ver- ſchloſſen blieb, und auf ſeinen Knieen rohe Bohnen aß, um den Zorn des ſchrecklichen Namu-Amida zu verſoͤhnen; denn er glaubte, daß dieſer auf ihn erzuͤrnt ſey, und aus Zorn ſeine Geſchenke in ſo veraͤchtliche Sachen verwandelt habe. Am vierten Tage verſammelte er den großen Rath. Es ward beſchloſſen, der Koͤnig ſolle durch einen ſeiner verſchwiegenſten Knechte den Prieſtern Ge- ſchenke ſenden, und ſolche verdoppeln. Er that es. Die Prieſter ließen ſich bewegen, die Ge- ſchenke anzunehmen, und ihr Gott ward ver- ſoͤhnet.
Seit dieſem Zufalle blieb der Koͤnig immer traurig; denn die Gnade ſeiner Goͤtter, und die Liebe ſeiner Unterthanen verloren zu haben, das waren dieſem guten Koͤnige zwo ſchreckliche Sa- chen. Die Raͤthe merkten ſeine Schwermuth, welche weder die Geſchaͤffte ſeiner Regierung, noch die oͤftern Luſtbarkeiten zerſtreuen konnten. Sie riethen ihm am, er ſolle ſich vermaͤhlen. Es vergiengen dreyßig Monden, ehe er ſich entſchlieſ- ſen konnte. Endlich ſtellten ſie ihm vor: Das Wohl ſeines Landes erfodere dieſes; und ſogleich entſchloß er ſich.
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Erſtes Buch.
hoͤrten die Entſchuldigungen des Koͤniges nicht,
und riefen dem Volke zu: Sie ſollten die Beſchimp-
fungen ihres Gottes raͤchen, und den unglaͤubi-
gen T’ Siamma erwuͤrgen. Das Volk fieng
ſchon an zu murren. Kaum konnte der ungluͤck-
liche Koͤnig noch ſo viel Zeit gewinnen, ſich in ſein
Schloß zu fluͤchten, wo er drey Tage lang ver-
ſchloſſen blieb, und auf ſeinen Knieen rohe Bohnen
aß, um den Zorn des ſchrecklichen Namu-Amida
zu verſoͤhnen; denn er glaubte, daß dieſer auf
ihn erzuͤrnt ſey, und aus Zorn ſeine Geſchenke in
ſo veraͤchtliche Sachen verwandelt habe. Am
vierten Tage verſammelte er den großen Rath.
Es ward beſchloſſen, der Koͤnig ſolle durch einen
ſeiner verſchwiegenſten Knechte den Prieſtern Ge-
ſchenke ſenden, und ſolche verdoppeln. Er that
es. Die Prieſter ließen ſich bewegen, die Ge-
ſchenke anzunehmen, und ihr Gott ward ver-
ſoͤhnet.
Seit dieſem Zufalle blieb der Koͤnig immer
traurig; denn die Gnade ſeiner Goͤtter, und die
Liebe ſeiner Unterthanen verloren zu haben, das
waren dieſem guten Koͤnige zwo ſchreckliche Sa-
chen. Die Raͤthe merkten ſeine Schwermuth,
welche weder die Geſchaͤffte ſeiner Regierung, noch
die oͤftern Luſtbarkeiten zerſtreuen konnten. Sie
riethen ihm am, er ſolle ſich vermaͤhlen. Es
vergiengen dreyßig Monden, ehe er ſich entſchlieſ-
ſen konnte. Endlich ſtellten ſie ihm vor: Das
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 473[471]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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