Alles dieses war ein Werk des Zauberers, welcher die Freude seiner Unterthanen in einen ausschweifenden Unsinn verwandelt hatte, damit sie, wie die Trunknen, nicht wissen sollten, was sie sähen, oder was sie hörten.
T' Siamma merkte wohl, daß ihm eine mächtigere Hand widerstund. Er erinnerte sich der weisen Vermahnung seiner gütigen Zoimane, welche ihn beständig aufgemuntert hatte, stand- haft und gelassen zu seyn, wenn er auch unglück- lich wäre. Sie hatte ihm merken lassen, daß er einen mächtigen Feind habe; aber daß dieser Feind ein Zauberer, und zwar der grausame Ciongock sey, das hatte sie ihm niemals sagen wollen, da- mit er den Muth nicht gänzlich sinken lassen, und nicht müde werden möchte, seinem Unglücke zu widerstehen.
Ciongock freute sich, wie sich ein Bösewicht freut. Er sann auf neue Mittel, wie er den tu- gendhaften T' Siamma kränken könne: und da er einer von den gefährlichsten und grausamsten Zauberern war; so nahm er sich vor, die Fröm- migkeit und Weisheit des gütigsten Königs seinen Unterthanen und Nachbarn lächerlich zu machen.
Die Gesetze des Reichs erfoderten, daß der neue König in den ersten dreyßig Sonnen seiner Regierung eine Wallfahrt zu dem Haine des gro- ßen Namu-Amida thun sollte. T' Siamma unterwarf sich diesem Gesetze mit Vergnügen, da es ihn zu einer heiligen Handlung verband, und da er den meisten Theil seiner Unterthanen bey-
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Erſtes Buch.
Alles dieſes war ein Werk des Zauberers, welcher die Freude ſeiner Unterthanen in einen ausſchweifenden Unſinn verwandelt hatte, damit ſie, wie die Trunknen, nicht wiſſen ſollten, was ſie ſaͤhen, oder was ſie hoͤrten.
T’ Siamma merkte wohl, daß ihm eine maͤchtigere Hand widerſtund. Er erinnerte ſich der weiſen Vermahnung ſeiner guͤtigen Zoimane, welche ihn beſtaͤndig aufgemuntert hatte, ſtand- haft und gelaſſen zu ſeyn, wenn er auch ungluͤck- lich waͤre. Sie hatte ihm merken laſſen, daß er einen maͤchtigen Feind habe; aber daß dieſer Feind ein Zauberer, und zwar der grauſame Ciongock ſey, das hatte ſie ihm niemals ſagen wollen, da- mit er den Muth nicht gaͤnzlich ſinken laſſen, und nicht muͤde werden moͤchte, ſeinem Ungluͤcke zu widerſtehen.
Ciongock freute ſich, wie ſich ein Boͤſewicht freut. Er ſann auf neue Mittel, wie er den tu- gendhaften T’ Siamma kraͤnken koͤnne: und da er einer von den gefaͤhrlichſten und grauſamſten Zauberern war; ſo nahm er ſich vor, die Froͤm- migkeit und Weisheit des guͤtigſten Koͤnigs ſeinen Unterthanen und Nachbarn laͤcherlich zu machen.
Die Geſetze des Reichs erfoderten, daß der neue Koͤnig in den erſten dreyßig Sonnen ſeiner Regierung eine Wallfahrt zu dem Haine des gro- ßen Namu-Amida thun ſollte. T’ Siamma unterwarf ſich dieſem Geſetze mit Vergnuͤgen, da es ihn zu einer heiligen Handlung verband, und da er den meiſten Theil ſeiner Unterthanen bey-
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[471[469]/0493]
Erſtes Buch.
Alles dieſes war ein Werk des Zauberers,
welcher die Freude ſeiner Unterthanen in einen
ausſchweifenden Unſinn verwandelt hatte, damit
ſie, wie die Trunknen, nicht wiſſen ſollten, was
ſie ſaͤhen, oder was ſie hoͤrten.
T’ Siamma merkte wohl, daß ihm eine
maͤchtigere Hand widerſtund. Er erinnerte ſich
der weiſen Vermahnung ſeiner guͤtigen Zoimane,
welche ihn beſtaͤndig aufgemuntert hatte, ſtand-
haft und gelaſſen zu ſeyn, wenn er auch ungluͤck-
lich waͤre. Sie hatte ihm merken laſſen, daß er
einen maͤchtigen Feind habe; aber daß dieſer Feind
ein Zauberer, und zwar der grauſame Ciongock
ſey, das hatte ſie ihm niemals ſagen wollen, da-
mit er den Muth nicht gaͤnzlich ſinken laſſen, und
nicht muͤde werden moͤchte, ſeinem Ungluͤcke zu
widerſtehen.
Ciongock freute ſich, wie ſich ein Boͤſewicht
freut. Er ſann auf neue Mittel, wie er den tu-
gendhaften T’ Siamma kraͤnken koͤnne: und da
er einer von den gefaͤhrlichſten und grauſamſten
Zauberern war; ſo nahm er ſich vor, die Froͤm-
migkeit und Weisheit des guͤtigſten Koͤnigs ſeinen
Unterthanen und Nachbarn laͤcherlich zu machen.
Die Geſetze des Reichs erfoderten, daß der
neue Koͤnig in den erſten dreyßig Sonnen ſeiner
Regierung eine Wallfahrt zu dem Haine des gro-
ßen Namu-Amida thun ſollte. T’ Siamma
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 471[469]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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