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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Erstes Buch.
freudige Ungeduld des Volks, und knirschte mit
den Zähnen. Er murmelte drey schreckliche Worte:
Sogleich kehrte sich das bezauberte Volk um, und
lief nach einer andern Seite des Schlosses, eine
Bande chinesischer Gaukler zu sehen, die der Zau-
berer dahin gestellt hatte, den Pöbel zu belustigen.
Man urtheile einmal von der Bestürzung des T'
Siamma,
welcher bey dem Austritt aus dem
Zimmer keinen von seinen Unterthanen fand, und
welcher erfahren mußte, daß sie ihn verlassen hat-
ten, um einer Bande Gaukler nachzulaufen. Er
betrübte sich darüber; aber er gab sich auch alle
Mühe, die Leichtsinnigkeit des Volks zu entschul-
digen. Er wartete lange Zeit vergebens auf die
Zurückkunft des Volks, und kehrte endlich beküm-
mert in sein Schloß zurück. Sogleich endigte sich
die Bezauberung. Das Volk verfammelte sich
vom neuen, und ward ungeduldig, daß es so lange
auf seinen König warten sollte.

Man hinterbrachte dem Könige diese Ungeduld
des Volks, welches ihn zu sehen verlangte.
T' Siamma war ein zu gütiger Fürst, als daß
er vermögend gewesen wäre, seinen Unterthanen
eine Bitte abzuschlagen, welche ein Beweis ihrer
Ehrfurcht und Liebe war. Er gieng etlichemal
in seinem Zimmer auf und ab, um sich von der
vorigen Bestürzung zu erhohlen, und zu überle-
gen, wie er in wenigen Worten seine Unterthanen
am nachdrücklichsten an ihre Pflicht erinnern, und
sie zugleich von der liebreichen Vorsorge, mit wel-

cher
G g 3

Erſtes Buch.
freudige Ungeduld des Volks, und knirſchte mit
den Zaͤhnen. Er murmelte drey ſchreckliche Worte:
Sogleich kehrte ſich das bezauberte Volk um, und
lief nach einer andern Seite des Schloſſes, eine
Bande chineſiſcher Gaukler zu ſehen, die der Zau-
berer dahin geſtellt hatte, den Poͤbel zu beluſtigen.
Man urtheile einmal von der Beſtuͤrzung des T’
Siamma,
welcher bey dem Austritt aus dem
Zimmer keinen von ſeinen Unterthanen fand, und
welcher erfahren mußte, daß ſie ihn verlaſſen hat-
ten, um einer Bande Gaukler nachzulaufen. Er
betruͤbte ſich daruͤber; aber er gab ſich auch alle
Muͤhe, die Leichtſinnigkeit des Volks zu entſchul-
digen. Er wartete lange Zeit vergebens auf die
Zuruͤckkunft des Volks, und kehrte endlich bekuͤm-
mert in ſein Schloß zuruͤck. Sogleich endigte ſich
die Bezauberung. Das Volk verfammelte ſich
vom neuen, und ward ungeduldig, daß es ſo lange
auf ſeinen Koͤnig warten ſollte.

Man hinterbrachte dem Koͤnige dieſe Ungeduld
des Volks, welches ihn zu ſehen verlangte.
T’ Siamma war ein zu guͤtiger Fuͤrſt, als daß
er vermoͤgend geweſen waͤre, ſeinen Unterthanen
eine Bitte abzuſchlagen, welche ein Beweis ihrer
Ehrfurcht und Liebe war. Er gieng etlichemal
in ſeinem Zimmer auf und ab, um ſich von der
vorigen Beſtuͤrzung zu erhohlen, und zu uͤberle-
gen, wie er in wenigen Worten ſeine Unterthanen
am nachdruͤcklichſten an ihre Pflicht erinnern, und
ſie zugleich von der liebreichen Vorſorge, mit wel-

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[469[467]/0491] Erſtes Buch. freudige Ungeduld des Volks, und knirſchte mit den Zaͤhnen. Er murmelte drey ſchreckliche Worte: Sogleich kehrte ſich das bezauberte Volk um, und lief nach einer andern Seite des Schloſſes, eine Bande chineſiſcher Gaukler zu ſehen, die der Zau- berer dahin geſtellt hatte, den Poͤbel zu beluſtigen. Man urtheile einmal von der Beſtuͤrzung des T’ Siamma, welcher bey dem Austritt aus dem Zimmer keinen von ſeinen Unterthanen fand, und welcher erfahren mußte, daß ſie ihn verlaſſen hat- ten, um einer Bande Gaukler nachzulaufen. Er betruͤbte ſich daruͤber; aber er gab ſich auch alle Muͤhe, die Leichtſinnigkeit des Volks zu entſchul- digen. Er wartete lange Zeit vergebens auf die Zuruͤckkunft des Volks, und kehrte endlich bekuͤm- mert in ſein Schloß zuruͤck. Sogleich endigte ſich die Bezauberung. Das Volk verfammelte ſich vom neuen, und ward ungeduldig, daß es ſo lange auf ſeinen Koͤnig warten ſollte. Man hinterbrachte dem Koͤnige dieſe Ungeduld des Volks, welches ihn zu ſehen verlangte. T’ Siamma war ein zu guͤtiger Fuͤrſt, als daß er vermoͤgend geweſen waͤre, ſeinen Unterthanen eine Bitte abzuſchlagen, welche ein Beweis ihrer Ehrfurcht und Liebe war. Er gieng etlichemal in ſeinem Zimmer auf und ab, um ſich von der vorigen Beſtuͤrzung zu erhohlen, und zu uͤberle- gen, wie er in wenigen Worten ſeine Unterthanen am nachdruͤcklichſten an ihre Pflicht erinnern, und ſie zugleich von der liebreichen Vorſorge, mit wel- cher G g 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 469[467]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/491>, abgerufen am 25.11.2024.