Die Fabel vom Prometheusd)hat man bis- her ganz unrecht verstanden. Sie sagt, er habe Menschen geschaffen. Koennen wir dieses nach den Worten nehmen, da wir wissen, dass Men- schen waren, ehe Jupiter und Prometheus ge- boren wurden? Die Begierde Boeses zu reden, war damals nur ein Vorzug der Goetter. Pro- metheus lernte es unter ihnen, und brachte die- ses Geheimniss unter die Menschen. Dadurch machte er sie gesellschaftlich, vorsichtig, witzig, mit einem Worte, er machte sie menschlich. Dieses, und nichts anders, war das Feuer, das er vom Himmel entwandte, und wodurch er die kalten und schlaefrigen Menschen belebte. Durch dieses Feuer, durch diesen vom Himmel ent- wandten Trieb, Boeses zu reden, schuf er die Menschen, die vorher nur Creaturen waren, zu vernünftigen Creaturen, und machte sie den Goettern aehnliche). Jupiter ward eisersüch- tig darüber. Sonst hatte er nur Ursache gehabt, sich vor den zusammengesetzten Kraeften der
rebelli-
d)Prometheus Iapeti, vnius ex Titanibus et Clyme- nes Filius. Fabula nota ex Hesiodo et Metamor- phosi Ovidii. Wie viel koennte ich hier abschrei- ben, wenn ich wollte!
e)Lucian, im Gespraeche: Prometheus oder Caucasus. 'Ego de - - enenoesa os ameinon eie oligon oson tou pelou labonta, zoa tina sustesasthai kai ana- plasai (das muss alles figürlich verstanden wer- den:) tas morphas men emin autois proseoikota - - Taut' estin a megala ego tous Theous edikeka.
Die Fabel vom Prometheusd)hat man bis- her ganz unrecht verſtanden. Sie ſagt, er habe Menſchen geſchaffen. Koennen wir dieſes nach den Worten nehmen, da wir wiſſen, daſs Men- ſchen waren, ehe Jupiter und Prometheus ge- boren wurden? Die Begierde Boeſes zu reden, war damals nur ein Vorzug der Goetter. Pro- metheus lernte es unter ihnen, und brachte die- ſes Geheimniſs unter die Menſchen. Dadurch machte er ſie geſellſchaftlich, vorſichtig, witzig, mit einem Worte, er machte ſie menſchlich. Dieſes, und nichts anders, war das Feuer, das er vom Himmel entwandte, und wodurch er die kalten und ſchlaefrigen Menſchen belebte. Durch dieſes Feuer, durch dieſen vom Himmel ent- wandten Trieb, Boeſes zu reden, ſchuf er die Menſchen, die vorher nur Creaturen waren, zu vernünftigen Creaturen, und machte ſie den Goettern aehnliche). Jupiter ward eiſerſüch- tig darüber. Sonſt hatte er nur Urſache gehabt, ſich vor den zuſammengeſetzten Kraeften der
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d)Prometheus Iapeti, vnius ex Titanibus et Clyme- nes Filius. Fabula nota ex Heſiodo et Metamor- phoſi Ovidii. Wie viel koennte ich hier abſchrei- ben, wenn ich wollte!
e)Lucian, im Geſpraeche: Prometheus oder Caucaſus. ᾽Εγω δε ‒ ‒ ἐνενοησα ὡς ἀμεινον εἰη ὀλιγον ὁσον του πηλου λαβοντα, ζωα τινα συστησασϑαι καὶ ἀνα- πλασαι (das muſs alles figürlich verſtanden wer- den:) τας μορφας μεν ἡμιν ἀυτοις προσεοικοτα ‒ ‒ Ταυτ᾽ ἐστιν ἁ μεγαλα ἐγω τους Θεους ἠδικηκα.
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Die Fabel vom Prometheus d) hat man bis-
her ganz unrecht verſtanden. Sie ſagt, er habe
Menſchen geſchaffen. Koennen wir dieſes nach
den Worten nehmen, da wir wiſſen, daſs Men-
ſchen waren, ehe Jupiter und Prometheus ge-
boren wurden? Die Begierde Boeſes zu reden,
war damals nur ein Vorzug der Goetter. Pro-
metheus lernte es unter ihnen, und brachte die-
ſes Geheimniſs unter die Menſchen. Dadurch
machte er ſie geſellſchaftlich, vorſichtig, witzig,
mit einem Worte, er machte ſie menſchlich.
Dieſes, und nichts anders, war das Feuer, das er
vom Himmel entwandte, und wodurch er die
kalten und ſchlaefrigen Menſchen belebte. Durch
dieſes Feuer, durch dieſen vom Himmel ent-
wandten Trieb, Boeſes zu reden, ſchuf er die
Menſchen, die vorher nur Creaturen waren, zu
vernünftigen Creaturen, und machte ſie den
Goettern aehnlich e). Jupiter ward eiſerſüch-
tig darüber. Sonſt hatte er nur Urſache gehabt,
ſich vor den zuſammengeſetzten Kraeften der
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nes Filius. Fabula nota ex Heſiodo et Metamor-
phoſi Ovidii. Wie viel koennte ich hier abſchrei-
ben, wenn ich wollte!
e) Lucian, im Geſpraeche: Prometheus oder Caucaſus.
᾽Εγω δε ‒ ‒ ἐνενοησα ὡς ἀμεινον εἰη ὀλιγον ὁσον του
πηλου λαβοντα, ζωα τινα συστησασϑαι καὶ ἀνα-
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den:) τας μορφας μεν ἡμιν ἀυτοις προσεοικοτα ‒ ‒
Ταυτ᾽ ἐστιν ἁ μεγαλα ἐγω τους Θεους ἠδικηκα.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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