reden, machen wir den Witz lebhaft. Kann wohl bey unsern Zeiten etwas wichtiger seyn, als dieses, da ein lebhafter Witz mehr gilt, als ein scharfer Verstand? Auch diejenigen werde ich auf meiner Seite haben, die den Werth ei- ner Sache finanzmaessig beurtheilen. Wie gross ist der Einfluss, den die Begierde, Uebels von andern zu schreiben, und dieses zu lesen, in Handel und Wandel hat! Holland ist nie reicher gewesen, als eben zu der Zeit, da alle Pressen beschaefftigt waren, über die Schwachheiten eines alten Koenigs zu spotten, dessen Jugend ihm so schrecklich gewesen war. Holland zog durch diese Schatzung die Reichthümer ganzer Laender an sich, und gab aus dafür seinen Witz. Peter Marteau in Coeln, den die witzige Welt auch alsdenn noch nennen wird, wenn seine Schriftsteller laengst vergessen sind, der ward reich, und wodurch anders, als durch die Be- gierde der Welt, Boeses zu reden?
Sollte wohl, meine Herren, noch iemand an der Wahrheit meines behaupteten Satzes zweifeln, dass diese Begierde, Boeses von an- dern zu reden, einen unendlichen Einfluss in die Glückseligkeit eines ganzen Staates habe? Und müssen Sie nunmehr nicht gestehen, dass eine Handlung, welche der Grund der menschli- c[verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt]en Gesellschaft ist, welche das Vergnügen über alle Familien ausbreitet, welche uns Gele- genheit schafft, andre und uns selbst kennen zu lernen, welche uns aufmerksam und vorsichtig
macht,
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reden, machen wir den Witz lebhaft. Kann wohl bey unſern Zeiten etwas wichtiger ſeyn, als dieſes, da ein lebhafter Witz mehr gilt, als ein ſcharfer Verſtand? Auch diejenigen werde ich auf meiner Seite haben, die den Werth ei- ner Sache finanzmaeſsig beurtheilen. Wie groſs iſt der Einfluſs, den die Begierde, Uebels von andern zu ſchreiben, und dieſes zu leſen, in Handel und Wandel hat! Holland iſt nie reicher geweſen, als eben zu der Zeit, da alle Preſſen beſchaefftigt waren, über die Schwachheiten eines alten Koenigs zu ſpotten, deſſen Jugend ihm ſo ſchrecklich geweſen war. Holland zog durch dieſe Schatzung die Reichthümer ganzer Laender an ſich, und gab aus dafür ſeinen Witz. Peter Marteau in Coeln, den die witzige Welt auch alsdenn noch nennen wird, wenn ſeine Schriftſteller laengſt vergeſſen ſind, der ward reich, und wodurch anders, als durch die Be- gierde der Welt, Boeſes zu reden?
Sollte wohl, meine Herren, noch iemand an der Wahrheit meines behaupteten Satzes zweifeln, daſs dieſe Begierde, Boeſes von an- dern zu reden, einen unendlichen Einfluſs in die Glückſeligkeit eines ganzen Staates habe? Und müſſen Sie nunmehr nicht geſtehen, daſs eine Handlung, welche der Grund der menſchli- c[verlorenes Material – 1 Zeichen fehlt]en Geſellſchaft iſt, welche das Vergnügen über alle Familien ausbreitet, welche uns Gele- genheit ſchafft, andre und uns ſelbſt kennen zu lernen, welche uns aufmerkſam und vorſichtig
macht,
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reden, machen wir den Witz lebhaft. Kann
wohl bey unſern Zeiten etwas wichtiger ſeyn,
als dieſes, da ein lebhafter Witz mehr gilt, als
ein ſcharfer Verſtand? Auch diejenigen werde
ich auf meiner Seite haben, die den Werth ei-
ner Sache finanzmaeſsig beurtheilen. Wie groſs
iſt der Einfluſs, den die Begierde, Uebels von
andern zu ſchreiben, und dieſes zu leſen, in
Handel und Wandel hat! Holland iſt nie reicher
geweſen, als eben zu der Zeit, da alle Preſſen
beſchaefftigt waren, über die Schwachheiten
eines alten Koenigs zu ſpotten, deſſen Jugend
ihm ſo ſchrecklich geweſen war. Holland zog
durch dieſe Schatzung die Reichthümer ganzer
Laender an ſich, und gab aus dafür ſeinen Witz.
Peter Marteau in Coeln, den die witzige Welt
auch alsdenn noch nennen wird, wenn ſeine
Schriftſteller laengſt vergeſſen ſind, der ward
reich, und wodurch anders, als durch die Be-
gierde der Welt, Boeſes zu reden?
Sollte wohl, meine Herren, noch iemand
an der Wahrheit meines behaupteten Satzes
zweifeln, daſs dieſe Begierde, Boeſes von an-
dern zu reden, einen unendlichen Einfluſs in die
Glückſeligkeit eines ganzen Staates habe? Und
müſſen Sie nunmehr nicht geſtehen, daſs eine
Handlung, welche der Grund der menſchli-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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