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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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ist dabey, dass eine jede Gesellschaft ihre eigne
Art hat, Boeses zu reden.

Der Greis seufzt über die schlimmen Zeiten;
die Jugend über den Eigensinn und Geiz des
Greises. Ehrwürdige alte Jungfern reden Boe-
ses von den flatterhaften Maedchen, die schon
gern sündigen, und doch nur achtzehn Jahr alt
sind; und diese lachen über die fromme Buhle-
rey der alten Heiligen. Die Bürger reden Boe-
ses von den Pressungen und der Partheylichkeit
des Magistrats; und dieser noch mehr Boeses
von dem Ungehorsame und müssigen Leben des
Bürgers. Der Narr redet Boeses von der Reli-
gion, und der Kaetzermacher zankt sich mit dem
Teufel. Der junge Marquis ist nie witziger und
muthwilliger, als wenn er etwas Boeses von ei-
nem Philosophen erzaehlen kann, und der Phi-
losoph untersucht, ob dieser Muthwille aus
Hochmuth, oder aus Bosheit herrühre. Mit
einem Worte: die ganze Stadt redet Uebels,
und die ganze Stadt eilt mit Vergnügen in die
Gesellschaften, wo sie es reden kann. Man
nehme ihnen die Erlaubniss Boeses zu reden, so
nimmt man der Welt ihre Sonne.

Diejenigen, welche die unglückliche Leiden-
schaft des Spielens zu Sclaven gemacht hat, wis-
sen sich immer damit zu entschuldigen, dass
man alsdann, wenn gespielt wird, nicht Zeit
habe, Uebels von andern zu reden. Welche
Thorheit! Einen Fehler damit entschuldigen,

dass



iſt dabey, daſs eine jede Geſellſchaft ihre eigne
Art hat, Boeſes zu reden.

Der Greis ſeufzt über die ſchlimmen Zeiten;
die Jugend über den Eigenſinn und Geiz des
Greiſes. Ehrwürdige alte Jungfern reden Boe-
ſes von den flatterhaften Maedchen, die ſchon
gern ſündigen, und doch nur achtzehn Jahr alt
ſind; und dieſe lachen über die fromme Buhle-
rey der alten Heiligen. Die Bürger reden Boe-
ſes von den Preſſungen und der Partheylichkeit
des Magiſtrats; und dieſer noch mehr Boeſes
von dem Ungehorſame und müſsigen Leben des
Bürgers. Der Narr redet Boeſes von der Reli-
gion, und der Kaetzermacher zankt ſich mit dem
Teufel. Der junge Marquis iſt nie witziger und
muthwilliger, als wenn er etwas Boeſes von ei-
nem Philoſophen erzaehlen kann, und der Phi-
loſoph unterſucht, ob dieſer Muthwille aus
Hochmuth, oder aus Bosheit herrühre. Mit
einem Worte: die ganze Stadt redet Uebels,
und die ganze Stadt eilt mit Vergnügen in die
Geſellſchaften, wo ſie es reden kann. Man
nehme ihnen die Erlaubniſs Boeſes zu reden, ſo
nimmt man der Welt ihre Sonne.

Diejenigen, welche die unglückliche Leiden-
ſchaft des Spielens zu Sclaven gemacht hat, wiſ-
ſen ſich immer damit zu entſchuldigen, daſs
man alsdann, wenn geſpielt wird, nicht Zeit
habe, Uebels von andern zu reden. Welche
Thorheit! Einen Fehler damit entſchuldigen,

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[413/0435] iſt dabey, daſs eine jede Geſellſchaft ihre eigne Art hat, Boeſes zu reden. Der Greis ſeufzt über die ſchlimmen Zeiten; die Jugend über den Eigenſinn und Geiz des Greiſes. Ehrwürdige alte Jungfern reden Boe- ſes von den flatterhaften Maedchen, die ſchon gern ſündigen, und doch nur achtzehn Jahr alt ſind; und dieſe lachen über die fromme Buhle- rey der alten Heiligen. Die Bürger reden Boe- ſes von den Preſſungen und der Partheylichkeit des Magiſtrats; und dieſer noch mehr Boeſes von dem Ungehorſame und müſsigen Leben des Bürgers. Der Narr redet Boeſes von der Reli- gion, und der Kaetzermacher zankt ſich mit dem Teufel. Der junge Marquis iſt nie witziger und muthwilliger, als wenn er etwas Boeſes von ei- nem Philoſophen erzaehlen kann, und der Phi- loſoph unterſucht, ob dieſer Muthwille aus Hochmuth, oder aus Bosheit herrühre. Mit einem Worte: die ganze Stadt redet Uebels, und die ganze Stadt eilt mit Vergnügen in die Geſellſchaften, wo ſie es reden kann. Man nehme ihnen die Erlaubniſs Boeſes zu reden, ſo nimmt man der Welt ihre Sonne. Diejenigen, welche die unglückliche Leiden- ſchaft des Spielens zu Sclaven gemacht hat, wiſ- ſen ſich immer damit zu entſchuldigen, daſs man alsdann, wenn geſpielt wird, nicht Zeit habe, Uebels von andern zu reden. Welche Thorheit! Einen Fehler damit entſchuldigen, daſs

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/435>, abgerufen am 25.11.2024.