und, wenigstens durch die guten Absichten zu entschuldigen sind. Dieser Satz fand allgemei- nen Beyfall. Nun war niemand mehr lasterhaft. Vom aeussersten Ende Hesperiens bis an den Ganges sahe man nichts als menschenfreundliche Mitbürger, als tugendhafte Handlungen, als Vertraulichkeit, als Nachbarn, die einander entschuldigten. Bittern Hass, Verkaetzerun- gen, denn auch die Priester des Saturnus ver- kaetzerten schon, ungerechte Laesterungen; alle diese Ungeheuer des menschlichen Geschlechts rottete der Philosoph aus. Dieses waren die vergoetterten Thaten, die Hercules, der Welt- weise, verrichtete, ohne vielleicht jemals aus seinem Vaterlande zu kommen. Das kriegeri- sche Alterthum machte daraus einen bewaffne- ten Held, mühsame Abentheuer, Hydren, und, was das billigste war, ihn endlich zum Gott.
So weit geht mein Ehrgeiz nicht. Die Schriftsteller haben das alte Recht, sich selbst zu vergoettern; aber auch diesem Rechte entsage ich. Ich werde mich für voellig be- lohnt halten, wenn Sie, meine Herren, mei- ner neuen Wahrheit Ihren Beyfall nicht ent- ziehen, und wenn mein geselliges Beyspiel andre aufmuntert, die Handlungen ihrer Mit- bürger als billig und gerecht zu vertheidigen, oder, wo sie das nicht thun dürfen, sie doch zu entschuldigen. Wie sehr wird dieses der Mensch- heit zur Ehre gereichen! Wie beneidenswerth würde diese glückliche Verwandlung unsern Vor-
fahren
und, wenigſtens durch die guten Abſichten zu entſchuldigen ſind. Dieſer Satz fand allgemei- nen Beyfall. Nun war niemand mehr laſterhaft. Vom aeuſserſten Ende Heſperiens bis an den Ganges ſahe man nichts als menſchenfreundliche Mitbürger, als tugendhafte Handlungen, als Vertraulichkeit, als Nachbarn, die einander entſchuldigten. Bittern Haſs, Verkaetzerun- gen, denn auch die Prieſter des Saturnus ver- kaetzerten ſchon, ungerechte Laeſterungen; alle dieſe Ungeheuer des menſchlichen Geſchlechts rottete der Philoſoph aus. Dieſes waren die vergoetterten Thaten, die Hercules, der Welt- weiſe, verrichtete, ohne vielleicht jemals aus ſeinem Vaterlande zu kommen. Das kriegeri- ſche Alterthum machte daraus einen bewaffne- ten Held, mühſame Abentheuer, Hydren, und, was das billigſte war, ihn endlich zum Gott.
So weit geht mein Ehrgeiz nicht. Die Schriftſteller haben das alte Recht, ſich ſelbſt zu vergoettern; aber auch dieſem Rechte entſage ich. Ich werde mich für voellig be- lohnt halten, wenn Sie, meine Herren, mei- ner neuen Wahrheit Ihren Beyfall nicht ent- ziehen, und wenn mein geſelliges Beyſpiel andre aufmuntert, die Handlungen ihrer Mit- bürger als billig und gerecht zu vertheidigen, oder, wo ſie das nicht thun dürfen, ſie doch zu entſchuldigen. Wie ſehr wird dieſes der Menſch- heit zur Ehre gereichen! Wie beneidenswerth würde dieſe glückliche Verwandlung unſern Vor-
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und, wenigſtens durch die guten Abſichten zu
entſchuldigen ſind. Dieſer Satz fand allgemei-
nen Beyfall. Nun war niemand mehr laſterhaft.
Vom aeuſserſten Ende Heſperiens bis an den
Ganges ſahe man nichts als menſchenfreundliche
Mitbürger, als tugendhafte Handlungen, als
Vertraulichkeit, als Nachbarn, die einander
entſchuldigten. Bittern Haſs, Verkaetzerun-
gen, denn auch die Prieſter des Saturnus ver-
kaetzerten ſchon, ungerechte Laeſterungen; alle
dieſe Ungeheuer des menſchlichen Geſchlechts
rottete der Philoſoph aus. Dieſes waren die
vergoetterten Thaten, die Hercules, der Welt-
weiſe, verrichtete, ohne vielleicht jemals aus
ſeinem Vaterlande zu kommen. Das kriegeri-
ſche Alterthum machte daraus einen bewaffne-
ten Held, mühſame Abentheuer, Hydren, und,
was das billigſte war, ihn endlich zum Gott.
So weit geht mein Ehrgeiz nicht. Die
Schriftſteller haben das alte Recht, ſich ſelbſt
zu vergoettern; aber auch dieſem Rechte
entſage ich. Ich werde mich für voellig be-
lohnt halten, wenn Sie, meine Herren, mei-
ner neuen Wahrheit Ihren Beyfall nicht ent-
ziehen, und wenn mein geſelliges Beyſpiel
andre aufmuntert, die Handlungen ihrer Mit-
bürger als billig und gerecht zu vertheidigen,
oder, wo ſie das nicht thun dürfen, ſie doch zu
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/424>, abgerufen am 22.11.2024.
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