Gefahr laufe, bey meinen schreibenden Landes- leuten alle Achtung zu verlieren. Diejenigen in meinem Vaterlande, die mich kennen, wer- den mir gewiss vorwerfen, dass ich meine Ael- tern noch in ihrer Gruft beschimpfe. Denn mein Grossvater, ein orthodoxer Mann, schrieb Postillen in Quart; mein seliger Vater schrieb beynahe einen Centner geheime Nachrichten in Folio vom spanischen Successionskriege; und ich, meine Herren, ich, der ich nach dem ordentli- chen Laufe der Natur wenigstens Opera omnia in Regal schreiben sollte, ich, fast schaeme ich mich vor mir selbst, ich schreibe ein Werkchen in Octav, und dieses nur in der Absicht, mich dem Preise zu naehern, den Sie ausbieten.
Die Unbilligkeit will ich Ihnen nicht zu- trauen, dass Sie mir den Preis um desswillen ent- ziehen werden, weil ich ein Deutscher bin. Bey uns giebt man Ihren Landesleuten die Parthey- lichkeit Schuld, dass sie behaupten, der Rhein bestimme die unübersteiglichen Graenzen des Witzes. Aus dem Erfolge werde ich sehn, ob dieser Vorwurf gegründet sey. Ich will es nicht hoffen. Ihnen, meine Herren, traue ich die Einsicht zu, dass Sie von der Erfindsamkeit der Deutschen richtigere Begriffe haben werden. Deutsche waren es, die das Pulver, die Ameri- ca,*die die Buchdruckerkunst, ja, wo ich
mich
*Man hat sich, bey Gelegenheit dieser Stelle, im Iournal Etranger und zwar im Novembre 1754. viel Mühe gege- ben, zu beweisen, dass die Erfindung der neuen Welt
kein
Gefahr laufe, bey meinen ſchreibenden Landes- leuten alle Achtung zu verlieren. Diejenigen in meinem Vaterlande, die mich kennen, wer- den mir gewiſs vorwerfen, daſs ich meine Ael- tern noch in ihrer Gruft beſchimpfe. Denn mein Groſsvater, ein orthodoxer Mann, ſchrieb Poſtillen in Quart; mein ſeliger Vater ſchrieb beynahe einen Centner geheime Nachrichten in Folio vom ſpaniſchen Succeſſionskriege; und ich, meine Herren, ich, der ich nach dem ordentli- chen Laufe der Natur wenigſtens Opera omnia in Regal ſchreiben ſollte, ich, faſt ſchaeme ich mich vor mir ſelbſt, ich ſchreibe ein Werkchen in Octav, und dieſes nur in der Abſicht, mich dem Preiſe zu naehern, den Sie ausbieten.
Die Unbilligkeit will ich Ihnen nicht zu- trauen, daſs Sie mir den Preis um deſswillen ent- ziehen werden, weil ich ein Deutſcher bin. Bey uns giebt man Ihren Landesleuten die Parthey- lichkeit Schuld, daſs ſie behaupten, der Rhein beſtimme die unüberſteiglichen Graenzen des Witzes. Aus dem Erfolge werde ich ſehn, ob dieſer Vorwurf gegründet ſey. Ich will es nicht hoffen. Ihnen, meine Herren, traue ich die Einſicht zu, daſs Sie von der Erfindſamkeit der Deutſchen richtigere Begriffe haben werden. Deutſche waren es, die das Pulver, die Ameri- ca,*die die Buchdruckerkunſt, ja, wo ich
mich
*Man hat ſich, bey Gelegenheit dieſer Stelle, im Iournal Etranger und zwar im Novembre 1754. viel Mühe gege- ben, zu beweiſen, daſs die Erfindung der neuen Welt
kein
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Gefahr laufe, bey meinen ſchreibenden Landes-
leuten alle Achtung zu verlieren. Diejenigen
in meinem Vaterlande, die mich kennen, wer-
den mir gewiſs vorwerfen, daſs ich meine Ael-
tern noch in ihrer Gruft beſchimpfe. Denn
mein Groſsvater, ein orthodoxer Mann, ſchrieb
Poſtillen in Quart; mein ſeliger Vater ſchrieb
beynahe einen Centner geheime Nachrichten in
Folio vom ſpaniſchen Succeſſionskriege; und ich,
meine Herren, ich, der ich nach dem ordentli-
chen Laufe der Natur wenigſtens Opera omnia
in Regal ſchreiben ſollte, ich, faſt ſchaeme ich
mich vor mir ſelbſt, ich ſchreibe ein Werkchen
in Octav, und dieſes nur in der Abſicht, mich
dem Preiſe zu naehern, den Sie ausbieten.
Die Unbilligkeit will ich Ihnen nicht zu-
trauen, daſs Sie mir den Preis um deſswillen ent-
ziehen werden, weil ich ein Deutſcher bin. Bey
uns giebt man Ihren Landesleuten die Parthey-
lichkeit Schuld, daſs ſie behaupten, der Rhein
beſtimme die unüberſteiglichen Graenzen des
Witzes. Aus dem Erfolge werde ich ſehn, ob
dieſer Vorwurf gegründet ſey. Ich will es nicht
hoffen. Ihnen, meine Herren, traue ich die
Einſicht zu, daſs Sie von der Erfindſamkeit der
Deutſchen richtigere Begriffe haben werden.
Deutſche waren es, die das Pulver, die Ameri-
ca, * die die Buchdruckerkunſt, ja, wo ich
mich
* Man hat ſich, bey Gelegenheit dieſer Stelle, im Iournal
Etranger und zwar im Novembre 1754. viel Mühe gege-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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