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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
Die meiste Mühe hat mir ein gewisser Autor
gemacht, dessen Gang so unordentlich, und ab-
wechselnd war, daß ich lange Zeit nicht errathen
konnte, zu welcher Art der Gelehrten er eigentlich
gehöre. Endlich erfuhr ich, daß er ein Poet sey;
und da ich nur einmal das wußte, so lernte ich
ihn in kurzer Zeit so genau kennen, daß ich gleich
beym ersten Anblicke errathen konnte, welche Ar-
ten der Gedichte er unter der Feder hatte. Schlich
er traurig an den Häusern hin, wie ein Hofmann,
welcher keinen Credit mehr hat; so schrieb er Ele-
gien. Hüpfte er faselnd durch die Gassen, wie die
Kinder thun, die auf Stecken reiten; so schrieb
er gewisse Tändeleyen, die er anakreontische Oden
nannte. Wenn er einige Zeit sehr ernsthaft aus-
sah, und alsdenn mit einem male überlaut lachte,
und geschwind in ein Haus sprang; so machte er
Sinngedichte, die er hinter der nächsten Haus-
thüre in seine Tafel schrieb. Spatziert er in den-
jenigen Stunden durch die Gassen, in welchen
andre Leute zu Mittag essen, und grüßt er als-
denn diejenigen demüthig, die er wegen ihrer rei-
chen Westen für Mäcenaten hält; so kann man
gewiß glauben, daß er, aus Mangel der Nahrung,
auf eine poetische Zueignungsschrift denkt. Kömmt
er aus dem Weinhause getaumelt; so ist das ein
richtiger Beweis, daß ihm sein Verleger auf die
Fortsetzung seiner Schriften einige Gulden vorge-
schossen hat.
Ein Mann, der die rechte Faust geballt hält,
an dem Daumen der linken Hand mit den Zähnen
nagt,
B b
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Die meiſte Muͤhe hat mir ein gewiſſer Autor
gemacht, deſſen Gang ſo unordentlich, und ab-
wechſelnd war, daß ich lange Zeit nicht errathen
konnte, zu welcher Art der Gelehrten er eigentlich
gehoͤre. Endlich erfuhr ich, daß er ein Poet ſey;
und da ich nur einmal das wußte, ſo lernte ich
ihn in kurzer Zeit ſo genau kennen, daß ich gleich
beym erſten Anblicke errathen konnte, welche Ar-
ten der Gedichte er unter der Feder hatte. Schlich
er traurig an den Haͤuſern hin, wie ein Hofmann,
welcher keinen Credit mehr hat; ſo ſchrieb er Ele-
gien. Huͤpfte er faſelnd durch die Gaſſen, wie die
Kinder thun, die auf Stecken reiten; ſo ſchrieb
er gewiſſe Taͤndeleyen, die er anakreontiſche Oden
nannte. Wenn er einige Zeit ſehr ernſthaft aus-
ſah, und alsdenn mit einem male uͤberlaut lachte,
und geſchwind in ein Haus ſprang; ſo machte er
Sinngedichte, die er hinter der naͤchſten Haus-
thuͤre in ſeine Tafel ſchrieb. Spatziert er in den-
jenigen Stunden durch die Gaſſen, in welchen
andre Leute zu Mittag eſſen, und gruͤßt er als-
denn diejenigen demuͤthig, die er wegen ihrer rei-
chen Weſten fuͤr Maͤcenaten haͤlt; ſo kann man
gewiß glauben, daß er, aus Mangel der Nahrung,
auf eine poetiſche Zueignungsſchrift denkt. Koͤmmt
er aus dem Weinhauſe getaumelt; ſo iſt das ein
richtiger Beweis, daß ihm ſein Verleger auf die
Fortſetzung ſeiner Schriften einige Gulden vorge-
ſchoſſen hat.
Ein Mann, der die rechte Fauſt geballt haͤlt,
an dem Daumen der linken Hand mit den Zaͤhnen
nagt,
B b
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[385/0407] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. Die meiſte Muͤhe hat mir ein gewiſſer Autor gemacht, deſſen Gang ſo unordentlich, und ab- wechſelnd war, daß ich lange Zeit nicht errathen konnte, zu welcher Art der Gelehrten er eigentlich gehoͤre. Endlich erfuhr ich, daß er ein Poet ſey; und da ich nur einmal das wußte, ſo lernte ich ihn in kurzer Zeit ſo genau kennen, daß ich gleich beym erſten Anblicke errathen konnte, welche Ar- ten der Gedichte er unter der Feder hatte. Schlich er traurig an den Haͤuſern hin, wie ein Hofmann, welcher keinen Credit mehr hat; ſo ſchrieb er Ele- gien. Huͤpfte er faſelnd durch die Gaſſen, wie die Kinder thun, die auf Stecken reiten; ſo ſchrieb er gewiſſe Taͤndeleyen, die er anakreontiſche Oden nannte. Wenn er einige Zeit ſehr ernſthaft aus- ſah, und alsdenn mit einem male uͤberlaut lachte, und geſchwind in ein Haus ſprang; ſo machte er Sinngedichte, die er hinter der naͤchſten Haus- thuͤre in ſeine Tafel ſchrieb. Spatziert er in den- jenigen Stunden durch die Gaſſen, in welchen andre Leute zu Mittag eſſen, und gruͤßt er als- denn diejenigen demuͤthig, die er wegen ihrer rei- chen Weſten fuͤr Maͤcenaten haͤlt; ſo kann man gewiß glauben, daß er, aus Mangel der Nahrung, auf eine poetiſche Zueignungsſchrift denkt. Koͤmmt er aus dem Weinhauſe getaumelt; ſo iſt das ein richtiger Beweis, daß ihm ſein Verleger auf die Fortſetzung ſeiner Schriften einige Gulden vorge- ſchoſſen hat. Ein Mann, der die rechte Fauſt geballt haͤlt, an dem Daumen der linken Hand mit den Zaͤhnen nagt, B b

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/407>, abgerufen am 25.11.2024.