Da Adler wieder Adler zeugen; ist es wohl Wunder, daß ein Theil Deiner guten Eigenschaf- ten auch bis auf Deine späten Nachkommen fort- gepflanzt worden ist? Jch verstehe darunter die Mäßigkeit, die Gelassenheit, den Fleiß, und die natürliche Abneigung von allem Hochmuthe. Lau- ter Tugenden, die man noch bis auf diese Stunde allen denen Eseln in Mancha vorzüglich zugesteht, welche die Ehre haben, in gerader Linie von Dir abzustammen. Ungeachtet sie Dich zu ihrem An- herrn haben; so ist doch nicht ein einziger unter ihnen, welcher zur Ungebühr darauf stolz wäre, oder durch Deine Verdienste den Mangel eigner Verdienste zu verbergen suchte, oder andere Esel in dem Flecken verachtete, welche eben so lange Ohren, eben so breite Rücken, und eben so ar- beitsame Knochen haben, aber freylich nicht von so gutem Hause, und nicht von so edler Geburt sind, als sie. Jm übrigen wissen die Einwoh- ner zu Mancha diesen Vorzug an ihnen billig zu schätzen. Sie verehren den Namen des Sancho, und zugleich verehren sie das Andenken seines Grauschimmels noch bis auf diese Stunde so un- verbrüchlich, daß sie sein Geschlechtsregister mit eben der Sorgfalt fortführen, mit welcher die Roßtäuscher von Gallicien die Stammbäume ih- rer edelsten Pferde glaubwürdig erhalten.
Dieses wird genug seyn können, die Gründe zu rechtfertigen, welche mich bewogen haben, Dir, theuerster Esel, gegenwärtige Abhand- lungen von Sprüchwörtern zuzueignen. Jch
habe
Zueignungsſchrift.
Da Adler wieder Adler zeugen; iſt es wohl Wunder, daß ein Theil Deiner guten Eigenſchaf- ten auch bis auf Deine ſpaͤten Nachkommen fort- gepflanzt worden iſt? Jch verſtehe darunter die Maͤßigkeit, die Gelaſſenheit, den Fleiß, und die natuͤrliche Abneigung von allem Hochmuthe. Lau- ter Tugenden, die man noch bis auf dieſe Stunde allen denen Eſeln in Mancha vorzuͤglich zugeſteht, welche die Ehre haben, in gerader Linie von Dir abzuſtammen. Ungeachtet ſie Dich zu ihrem An- herrn haben; ſo iſt doch nicht ein einziger unter ihnen, welcher zur Ungebuͤhr darauf ſtolz waͤre, oder durch Deine Verdienſte den Mangel eigner Verdienſte zu verbergen ſuchte, oder andere Eſel in dem Flecken verachtete, welche eben ſo lange Ohren, eben ſo breite Ruͤcken, und eben ſo ar- beitſame Knochen haben, aber freylich nicht von ſo gutem Hauſe, und nicht von ſo edler Geburt ſind, als ſie. Jm uͤbrigen wiſſen die Einwoh- ner zu Mancha dieſen Vorzug an ihnen billig zu ſchaͤtzen. Sie verehren den Namen des Sancho, und zugleich verehren ſie das Andenken ſeines Grauſchimmels noch bis auf dieſe Stunde ſo un- verbruͤchlich, daß ſie ſein Geſchlechtsregiſter mit eben der Sorgfalt fortfuͤhren, mit welcher die Roßtaͤuſcher von Gallicien die Stammbaͤume ih- rer edelſten Pferde glaubwuͤrdig erhalten.
Dieſes wird genug ſeyn koͤnnen, die Gruͤnde zu rechtfertigen, welche mich bewogen haben, Dir, theuerſter Eſel, gegenwaͤrtige Abhand- lungen von Spruͤchwoͤrtern zuzueignen. Jch
habe
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Zueignungsſchrift.
Da Adler wieder Adler zeugen; iſt es wohl
Wunder, daß ein Theil Deiner guten Eigenſchaf-
ten auch bis auf Deine ſpaͤten Nachkommen fort-
gepflanzt worden iſt? Jch verſtehe darunter die
Maͤßigkeit, die Gelaſſenheit, den Fleiß, und die
natuͤrliche Abneigung von allem Hochmuthe. Lau-
ter Tugenden, die man noch bis auf dieſe Stunde
allen denen Eſeln in Mancha vorzuͤglich zugeſteht,
welche die Ehre haben, in gerader Linie von Dir
abzuſtammen. Ungeachtet ſie Dich zu ihrem An-
herrn haben; ſo iſt doch nicht ein einziger unter
ihnen, welcher zur Ungebuͤhr darauf ſtolz waͤre,
oder durch Deine Verdienſte den Mangel eigner
Verdienſte zu verbergen ſuchte, oder andere Eſel
in dem Flecken verachtete, welche eben ſo lange
Ohren, eben ſo breite Ruͤcken, und eben ſo ar-
beitſame Knochen haben, aber freylich nicht von
ſo gutem Hauſe, und nicht von ſo edler Geburt
ſind, als ſie. Jm uͤbrigen wiſſen die Einwoh-
ner zu Mancha dieſen Vorzug an ihnen billig zu
ſchaͤtzen. Sie verehren den Namen des Sancho,
und zugleich verehren ſie das Andenken ſeines
Grauſchimmels noch bis auf dieſe Stunde ſo un-
verbruͤchlich, daß ſie ſein Geſchlechtsregiſter mit
eben der Sorgfalt fortfuͤhren, mit welcher die
Roßtaͤuſcher von Gallicien die Stammbaͤume ih-
rer edelſten Pferde glaubwuͤrdig erhalten.
Dieſes wird genug ſeyn koͤnnen, die Gruͤnde
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/40>, abgerufen am 25.11.2024.
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