zehen Minuten. Was werden nicht unsre Bet- schwestern im ganzen Lande, binnen einem Jahre, erlegen müssen!
Der Officier war gleich das Widerspiel von die- ser Heuchlerinn und dennoch eben so lächerlich, und eben so strafbar. Aus Ehrgeiz wollte jene fromm seyn; und dieser war leichtsinnig aus Ehrgeiz. Er warf ihr vor, daß sie der Jugend Gelegenheit gegeben hätte, auszuschweifen, und um deßwillen gab er ihr die schändlichsten Beynamen: Gleich- wohl hielt er es nicht für schändlich, zu gestehen, daß er für sein baares Geld an diesen Ausschwei- fungen Theil genommen habe. Er beleidigte die übrige Gesellschaft besonders dadurch, daß er uns für so ungesittet hielt, zu glauben, wir würden ihn wegen seiner vormaligen Aufführung bewun- dern. Sein Alter machte diese Thorheit noch strafbarer. Wie viel sollen wir einem jun- gen Officier zu gute halten, wenn ein alter Mann, den die Sünde verlassen hat, sich so unanständig aufführt? Es ist ein Unglück, daß junge Hel- den sehr oft so unrichtige Begriffe vom Muthe, von einer männlichen Freyheit, und von dem Wohlstande ihres Amtes haben: Aber desto ge- fährlicher ist ihnen das Exempel eines alten Of- ficiers, welcher Kenntniß der Welt, Erfahrung, Tapferkeit, und vielleicht viele Tugenden, aber keine Sitten hat. Es kostet ihnen die wenigste Mühe, es ihm in dieser letzten Eigen- schaft gleich zu thun; aber sie vergessen, daß die-
ses
Antons Panßa von Mancha
zehen Minuten. Was werden nicht unſre Bet- ſchweſtern im ganzen Lande, binnen einem Jahre, erlegen muͤſſen!
Der Officier war gleich das Widerſpiel von die- ſer Heuchlerinn und dennoch eben ſo laͤcherlich, und eben ſo ſtrafbar. Aus Ehrgeiz wollte jene fromm ſeyn; und dieſer war leichtſinnig aus Ehrgeiz. Er warf ihr vor, daß ſie der Jugend Gelegenheit gegeben haͤtte, auszuſchweifen, und um deßwillen gab er ihr die ſchaͤndlichſten Beynamen: Gleich- wohl hielt er es nicht fuͤr ſchaͤndlich, zu geſtehen, daß er fuͤr ſein baares Geld an dieſen Ausſchwei- fungen Theil genommen habe. Er beleidigte die uͤbrige Geſellſchaft beſonders dadurch, daß er uns fuͤr ſo ungeſittet hielt, zu glauben, wir wuͤrden ihn wegen ſeiner vormaligen Auffuͤhrung bewun- dern. Sein Alter machte dieſe Thorheit noch ſtrafbarer. Wie viel ſollen wir einem jun- gen Officier zu gute halten, wenn ein alter Mann, den die Suͤnde verlaſſen hat, ſich ſo unanſtaͤndig auffuͤhrt? Es iſt ein Ungluͤck, daß junge Hel- den ſehr oft ſo unrichtige Begriffe vom Muthe, von einer maͤnnlichen Freyheit, und von dem Wohlſtande ihres Amtes haben: Aber deſto ge- faͤhrlicher iſt ihnen das Exempel eines alten Of- ficiers, welcher Kenntniß der Welt, Erfahrung, Tapferkeit, und vielleicht viele Tugenden, aber keine Sitten hat. Es koſtet ihnen die wenigſte Muͤhe, es ihm in dieſer letzten Eigen- ſchaft gleich zu thun; aber ſie vergeſſen, daß die-
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[358/0380]
Antons Panßa von Mancha
zehen Minuten. Was werden nicht unſre Bet-
ſchweſtern im ganzen Lande, binnen einem Jahre,
erlegen muͤſſen!
Der Officier war gleich das Widerſpiel von die-
ſer Heuchlerinn und dennoch eben ſo laͤcherlich, und
eben ſo ſtrafbar. Aus Ehrgeiz wollte jene fromm
ſeyn; und dieſer war leichtſinnig aus Ehrgeiz.
Er warf ihr vor, daß ſie der Jugend Gelegenheit
gegeben haͤtte, auszuſchweifen, und um deßwillen
gab er ihr die ſchaͤndlichſten Beynamen: Gleich-
wohl hielt er es nicht fuͤr ſchaͤndlich, zu geſtehen,
daß er fuͤr ſein baares Geld an dieſen Ausſchwei-
fungen Theil genommen habe. Er beleidigte die
uͤbrige Geſellſchaft beſonders dadurch, daß er
uns fuͤr ſo ungeſittet hielt, zu glauben, wir wuͤrden
ihn wegen ſeiner vormaligen Auffuͤhrung bewun-
dern. Sein Alter machte dieſe Thorheit
noch ſtrafbarer. Wie viel ſollen wir einem jun-
gen Officier zu gute halten, wenn ein alter Mann,
den die Suͤnde verlaſſen hat, ſich ſo unanſtaͤndig
auffuͤhrt? Es iſt ein Ungluͤck, daß junge Hel-
den ſehr oft ſo unrichtige Begriffe vom Muthe,
von einer maͤnnlichen Freyheit, und von dem
Wohlſtande ihres Amtes haben: Aber deſto ge-
faͤhrlicher iſt ihnen das Exempel eines alten Of-
ficiers, welcher Kenntniß der Welt, Erfahrung,
Tapferkeit, und vielleicht viele Tugenden,
aber keine Sitten hat. Es koſtet ihnen die
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/380>, abgerufen am 25.11.2024.
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