hat. - - Und bey dem allen können sie mich noch so ruhig ansehen; noch immer so zufrieden mit ihren Handlungen seyn? Wären sie wohl stra- fenswürdiger gewesen, wenn sie diesem Elenden gleich anfangs den Dolch in die Brust gestoßen hätten? Wenigstens würde er auf diese Art, aller der Schande und allem Jammer entgan- gen seyn, worein er durch ihre Pasqville gestürzt worden ist. - - - Ja, allerdings, durch ihre Pasquille. Sie schämen sich des Namens ei- nes Pasqvillanten; und schämen sich doch nicht, ihn zu verdienen? Nun sind sie doppelt stra- fenswürdig, da sie ihre Unverschämtheit so weit treiben, daß sie ihre ehrenrührigen Schriften Satiren nennen. Entheiligen sie, Nieder- trächtiger, einen Namen nicht, welcher so einen wichtigen Theil unsrer Sittenlehre ausmacht, und dessen niemand würdig seyn kann, als wer ein Verehrer der Religion, ein Freund der Tu- gend, und ein Mensch ist! Durch ihren Mis- brauch machen sie der Welt die Satire ver- dächtig. Man zittert vor der Satire, weil man sie nicht kennt, und weil man vor dem Pasqvillanten zittert. Die rächenden Gesetze - - - Nein, mein Herr, ich kenne nun ihre spottende Miene. Jch weis es gar wohl, daß sie das nicht im Ernste von mir bitten: Aber, einer so anständigen Strafe sind sie auch nicht werth. Die jährliche Gedankensteuer von 100 Gulden, die sie mir anbieten, damit sie die Er- laubniß von mir lösen mögen, zu glauben, daß
ihre
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
hat. ‒ ‒ Und bey dem allen koͤnnen ſie mich noch ſo ruhig anſehen; noch immer ſo zufrieden mit ihren Handlungen ſeyn? Waͤren ſie wohl ſtra- fenswuͤrdiger geweſen, wenn ſie dieſem Elenden gleich anfangs den Dolch in die Bruſt geſtoßen haͤtten? Wenigſtens wuͤrde er auf dieſe Art, aller der Schande und allem Jammer entgan- gen ſeyn, worein er durch ihre Pasqville geſtuͤrzt worden iſt. ‒ ‒ ‒ Ja, allerdings, durch ihre Pasquille. Sie ſchaͤmen ſich des Namens ei- nes Pasqvillanten; und ſchaͤmen ſich doch nicht, ihn zu verdienen? Nun ſind ſie doppelt ſtra- fenswuͤrdig, da ſie ihre Unverſchaͤmtheit ſo weit treiben, daß ſie ihre ehrenruͤhrigen Schriften Satiren nennen. Entheiligen ſie, Nieder- traͤchtiger, einen Namen nicht, welcher ſo einen wichtigen Theil unſrer Sittenlehre ausmacht, und deſſen niemand wuͤrdig ſeyn kann, als wer ein Verehrer der Religion, ein Freund der Tu- gend, und ein Menſch iſt! Durch ihren Mis- brauch machen ſie der Welt die Satire ver- daͤchtig. Man zittert vor der Satire, weil man ſie nicht kennt, und weil man vor dem Pasqvillanten zittert. Die raͤchenden Geſetze ‒ ‒ ‒ Nein, mein Herr, ich kenne nun ihre ſpottende Miene. Jch weis es gar wohl, daß ſie das nicht im Ernſte von mir bitten: Aber, einer ſo anſtaͤndigen Strafe ſind ſie auch nicht werth. Die jaͤhrliche Gedankenſteuer von 100 Gulden, die ſie mir anbieten, damit ſie die Er- laubniß von mir loͤſen moͤgen, zu glauben, daß
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
hat. ‒ ‒ Und bey dem allen koͤnnen ſie mich noch
ſo ruhig anſehen; noch immer ſo zufrieden mit
ihren Handlungen ſeyn? Waͤren ſie wohl ſtra-
fenswuͤrdiger geweſen, wenn ſie dieſem Elenden
gleich anfangs den Dolch in die Bruſt geſtoßen
haͤtten? Wenigſtens wuͤrde er auf dieſe Art,
aller der Schande und allem Jammer entgan-
gen ſeyn, worein er durch ihre Pasqville geſtuͤrzt
worden iſt. ‒ ‒ ‒ Ja, allerdings, durch ihre
Pasquille. Sie ſchaͤmen ſich des Namens ei-
nes Pasqvillanten; und ſchaͤmen ſich doch nicht,
ihn zu verdienen? Nun ſind ſie doppelt ſtra-
fenswuͤrdig, da ſie ihre Unverſchaͤmtheit ſo weit
treiben, daß ſie ihre ehrenruͤhrigen Schriften
Satiren nennen. Entheiligen ſie, Nieder-
traͤchtiger, einen Namen nicht, welcher ſo einen
wichtigen Theil unſrer Sittenlehre ausmacht,
und deſſen niemand wuͤrdig ſeyn kann, als wer
ein Verehrer der Religion, ein Freund der Tu-
gend, und ein Menſch iſt! Durch ihren Mis-
brauch machen ſie der Welt die Satire ver-
daͤchtig. Man zittert vor der Satire, weil
man ſie nicht kennt, und weil man vor dem
Pasqvillanten zittert. Die raͤchenden Geſetze
‒ ‒ ‒ Nein, mein Herr, ich kenne nun ihre
ſpottende Miene. Jch weis es gar wohl, daß
ſie das nicht im Ernſte von mir bitten: Aber,
einer ſo anſtaͤndigen Strafe ſind ſie auch nicht
werth. Die jaͤhrliche Gedankenſteuer von 100
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/367>, abgerufen am 16.02.2025.
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