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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
wegen seiner Frau verspottete. Ueberlegen sie
nun einmal, mein Herr, was waren die schreck-
lichen Folgen ihres unmenschlichen Witzes?
Sie scheinen noch darüber zu frohlocken, da
sie unverschämt genug sind, mir alles mit einer
so heitern, und zufriednen Miene zu erzählen.
Sie haben gemacht, daß dieser Mann mit dem
ersten Schritte, den er in die Welt that, um
sein Glück zu machen, unsrer gelehrten Welt
verächtlich wurde. Sie haben ihn an dem
Fortgange seines Glücks gehindert. Er würde
bey seinem Fleiße vielleicht ein geschickter Arzt
geworden seyn: Aber man trug Bedenken, sich
einem Manne anzuvertrauen, dessen Name schon
lächerlich war. Gleichwohl nöthigten ihn seine
Umstände, von dieser Profession zu leben: Er
ward also ein Qvacksalber, durch dessen Hände
so viele Unschuldige ihr Leben verlieren. Fällt
es ihnen niemals ein, daß sie durch ihren wü-
tenden Witz die erste Ursache aller dieser Mord-
thaten sind? Jch habe nicht Ursache zu zweifeln,
daß seine Frau tugendhaft, und, wenn ich viel
einräumen soll, nur nicht vorsichtig genug gewe-
sen ist: Wenigstens waren sie der erste, der
ihre Aufführung der Stadt verdächtig machte.
Dadurch verlor sie ihren guten Namen ohne
Rettung. - - - Gut, ich will es zugeben, daß
sie in den folgenden Jahren sich der größten
Ausschweifungen auch öffentlich nicht geschämt
hat: Aber wer war sonst Schuld daran, als
sie? Die Verzweiflung hat diese Unglückliche

laster-
Y 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wegen ſeiner Frau verſpottete. Ueberlegen ſie
nun einmal, mein Herr, was waren die ſchreck-
lichen Folgen ihres unmenſchlichen Witzes?
Sie ſcheinen noch daruͤber zu frohlocken, da
ſie unverſchaͤmt genug ſind, mir alles mit einer
ſo heitern, und zufriednen Miene zu erzaͤhlen.
Sie haben gemacht, daß dieſer Mann mit dem
erſten Schritte, den er in die Welt that, um
ſein Gluͤck zu machen, unſrer gelehrten Welt
veraͤchtlich wurde. Sie haben ihn an dem
Fortgange ſeines Gluͤcks gehindert. Er wuͤrde
bey ſeinem Fleiße vielleicht ein geſchickter Arzt
geworden ſeyn: Aber man trug Bedenken, ſich
einem Manne anzuvertrauen, deſſen Name ſchon
laͤcherlich war. Gleichwohl noͤthigten ihn ſeine
Umſtaͤnde, von dieſer Profeſſion zu leben: Er
ward alſo ein Qvackſalber, durch deſſen Haͤnde
ſo viele Unſchuldige ihr Leben verlieren. Faͤllt
es ihnen niemals ein, daß ſie durch ihren wuͤ-
tenden Witz die erſte Urſache aller dieſer Mord-
thaten ſind? Jch habe nicht Urſache zu zweifeln,
daß ſeine Frau tugendhaft, und, wenn ich viel
einraͤumen ſoll, nur nicht vorſichtig genug gewe-
ſen iſt: Wenigſtens waren ſie der erſte, der
ihre Auffuͤhrung der Stadt verdaͤchtig machte.
Dadurch verlor ſie ihren guten Namen ohne
Rettung. ‒ ‒ ‒ Gut, ich will es zugeben, daß
ſie in den folgenden Jahren ſich der groͤßten
Ausſchweifungen auch oͤffentlich nicht geſchaͤmt
hat: Aber wer war ſonſt Schuld daran, als
ſie? Die Verzweiflung hat dieſe Ungluͤckliche

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Y 4
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[343/0365] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. wegen ſeiner Frau verſpottete. Ueberlegen ſie nun einmal, mein Herr, was waren die ſchreck- lichen Folgen ihres unmenſchlichen Witzes? Sie ſcheinen noch daruͤber zu frohlocken, da ſie unverſchaͤmt genug ſind, mir alles mit einer ſo heitern, und zufriednen Miene zu erzaͤhlen. Sie haben gemacht, daß dieſer Mann mit dem erſten Schritte, den er in die Welt that, um ſein Gluͤck zu machen, unſrer gelehrten Welt veraͤchtlich wurde. Sie haben ihn an dem Fortgange ſeines Gluͤcks gehindert. Er wuͤrde bey ſeinem Fleiße vielleicht ein geſchickter Arzt geworden ſeyn: Aber man trug Bedenken, ſich einem Manne anzuvertrauen, deſſen Name ſchon laͤcherlich war. Gleichwohl noͤthigten ihn ſeine Umſtaͤnde, von dieſer Profeſſion zu leben: Er ward alſo ein Qvackſalber, durch deſſen Haͤnde ſo viele Unſchuldige ihr Leben verlieren. Faͤllt es ihnen niemals ein, daß ſie durch ihren wuͤ- tenden Witz die erſte Urſache aller dieſer Mord- thaten ſind? Jch habe nicht Urſache zu zweifeln, daß ſeine Frau tugendhaft, und, wenn ich viel einraͤumen ſoll, nur nicht vorſichtig genug gewe- ſen iſt: Wenigſtens waren ſie der erſte, der ihre Auffuͤhrung der Stadt verdaͤchtig machte. Dadurch verlor ſie ihren guten Namen ohne Rettung. ‒ ‒ ‒ Gut, ich will es zugeben, daß ſie in den folgenden Jahren ſich der groͤßten Ausſchweifungen auch oͤffentlich nicht geſchaͤmt hat: Aber wer war ſonſt Schuld daran, als ſie? Die Verzweiflung hat dieſe Ungluͤckliche laſter- Y 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/365>, abgerufen am 25.11.2024.