Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
auf Mittel, den außerordentlichen Aufwand be-
streiten zu können. Er borgt, und hat schon so
viel geborgt, daß ihm niemand mehr leihen will.
Der unglückliche Mündel, den man seiner Vor-
sorge anvertraute, hat seine Ausschweifungen noch
einige Jahre lang unterhalten können. Nun ist
diese Quelle auch erschöpfet, und die Zeit kömmt,
da er Rechnung ablegen soll. Er zittert, wenn
er an diesen schrecklichen Augenblick gedenkt:
Aber durch die freundschaftliche Beyhülfe eines
eben so großen Betrügers, als er ist, hat er sich
mit untergeschobnen Qvittungen versehn, und
sich gefaßt gemacht, einen Eid zu schwören. Jch
zweifle, daß die Rache des Himmels ihn diese
Zeit wird erleben lassen. Seine täglichen Aus-
schweifungen, und ein Gewissen, welches sich
nicht ganz übertäuben läßt, verzehren die übrigen
Kräfte seines Körpers. Seine unglückliche
Wittwe wird er in der äußersten Armuth verlassen.
Sein Sohn wird, durch das Beyspiel des Va-
ters gestärkt, ein würdiger Sohn seines Vaters,
und, wie er, ein elender Bösewicht seyn. Die
betrognen Gläubiger werden sein Andenken ver-
fluchen; und wie viel Unschuldige werden nach
seinem Tode noch hungern müssen, denen er ihr
Vermögen geraubt hat! - - - Und sie, mein
Herr, der sie dieser Bösewicht sind, sie schämen
sich nicht, uns ein so vortreffliches Buch von der
Verderbniß des menschlichen Herzens zu schrei-
ben, in welchem eine jede Zeile für sie ein

schreck-
X 5

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
auf Mittel, den außerordentlichen Aufwand be-
ſtreiten zu koͤnnen. Er borgt, und hat ſchon ſo
viel geborgt, daß ihm niemand mehr leihen will.
Der ungluͤckliche Muͤndel, den man ſeiner Vor-
ſorge anvertraute, hat ſeine Ausſchweifungen noch
einige Jahre lang unterhalten koͤnnen. Nun iſt
dieſe Quelle auch erſchoͤpfet, und die Zeit koͤmmt,
da er Rechnung ablegen ſoll. Er zittert, wenn
er an dieſen ſchrecklichen Augenblick gedenkt:
Aber durch die freundſchaftliche Beyhuͤlfe eines
eben ſo großen Betruͤgers, als er iſt, hat er ſich
mit untergeſchobnen Qvittungen verſehn, und
ſich gefaßt gemacht, einen Eid zu ſchwoͤren. Jch
zweifle, daß die Rache des Himmels ihn dieſe
Zeit wird erleben laſſen. Seine taͤglichen Aus-
ſchweifungen, und ein Gewiſſen, welches ſich
nicht ganz uͤbertaͤuben laͤßt, verzehren die uͤbrigen
Kraͤfte ſeines Koͤrpers. Seine ungluͤckliche
Wittwe wird er in der aͤußerſten Armuth verlaſſen.
Sein Sohn wird, durch das Beyſpiel des Va-
ters geſtaͤrkt, ein wuͤrdiger Sohn ſeines Vaters,
und, wie er, ein elender Boͤſewicht ſeyn. Die
betrognen Glaͤubiger werden ſein Andenken ver-
fluchen; und wie viel Unſchuldige werden nach
ſeinem Tode noch hungern muͤſſen, denen er ihr
Vermoͤgen geraubt hat! ‒ ‒ ‒ Und ſie, mein
Herr, der ſie dieſer Boͤſewicht ſind, ſie ſchaͤmen
ſich nicht, uns ein ſo vortreffliches Buch von der
Verderbniß des menſchlichen Herzens zu ſchrei-
ben, in welchem eine jede Zeile fuͤr ſie ein

ſchreck-
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="329"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
auf Mittel, den außerordentlichen Aufwand be-<lb/>
&#x017F;treiten zu ko&#x0364;nnen. Er borgt, und hat &#x017F;chon &#x017F;o<lb/>
viel geborgt, daß ihm niemand mehr leihen will.<lb/>
Der unglu&#x0364;ckliche Mu&#x0364;ndel, den man &#x017F;einer Vor-<lb/>
&#x017F;orge anvertraute, hat &#x017F;eine Aus&#x017F;chweifungen noch<lb/>
einige Jahre lang unterhalten ko&#x0364;nnen. Nun i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e Quelle auch er&#x017F;cho&#x0364;pfet, und die Zeit ko&#x0364;mmt,<lb/>
da er Rechnung ablegen &#x017F;oll. Er zittert, wenn<lb/>
er an die&#x017F;en &#x017F;chrecklichen Augenblick gedenkt:<lb/>
Aber durch die freund&#x017F;chaftliche Beyhu&#x0364;lfe eines<lb/>
eben &#x017F;o großen Betru&#x0364;gers, als er i&#x017F;t, hat er &#x017F;ich<lb/>
mit unterge&#x017F;chobnen Qvittungen ver&#x017F;ehn, und<lb/>
&#x017F;ich gefaßt gemacht, einen Eid zu &#x017F;chwo&#x0364;ren. Jch<lb/>
zweifle, daß die Rache des Himmels ihn die&#x017F;e<lb/>
Zeit wird erleben la&#x017F;&#x017F;en. Seine ta&#x0364;glichen Aus-<lb/>
&#x017F;chweifungen, und ein Gewi&#x017F;&#x017F;en, welches &#x017F;ich<lb/>
nicht ganz u&#x0364;berta&#x0364;uben la&#x0364;ßt, verzehren die u&#x0364;brigen<lb/>
Kra&#x0364;fte &#x017F;eines Ko&#x0364;rpers. Seine unglu&#x0364;ckliche<lb/>
Wittwe wird er in der a&#x0364;ußer&#x017F;ten Armuth verla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Sein Sohn wird, durch das Bey&#x017F;piel des Va-<lb/>
ters ge&#x017F;ta&#x0364;rkt, ein wu&#x0364;rdiger Sohn &#x017F;eines Vaters,<lb/>
und, wie er, ein elender Bo&#x0364;&#x017F;ewicht &#x017F;eyn. Die<lb/>
betrognen Gla&#x0364;ubiger werden &#x017F;ein Andenken ver-<lb/>
fluchen; und wie viel Un&#x017F;chuldige werden nach<lb/>
&#x017F;einem Tode noch hungern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, denen er ihr<lb/>
Vermo&#x0364;gen geraubt hat! &#x2012; &#x2012; &#x2012; Und &#x017F;ie, mein<lb/>
Herr, der &#x017F;ie die&#x017F;er Bo&#x0364;&#x017F;ewicht &#x017F;ind, &#x017F;ie &#x017F;cha&#x0364;men<lb/>
&#x017F;ich nicht, uns ein &#x017F;o vortreffliches Buch von der<lb/>
Verderbniß des men&#x017F;chlichen Herzens zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, in welchem eine jede Zeile fu&#x0364;r &#x017F;ie ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chreck-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0351] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. auf Mittel, den außerordentlichen Aufwand be- ſtreiten zu koͤnnen. Er borgt, und hat ſchon ſo viel geborgt, daß ihm niemand mehr leihen will. Der ungluͤckliche Muͤndel, den man ſeiner Vor- ſorge anvertraute, hat ſeine Ausſchweifungen noch einige Jahre lang unterhalten koͤnnen. Nun iſt dieſe Quelle auch erſchoͤpfet, und die Zeit koͤmmt, da er Rechnung ablegen ſoll. Er zittert, wenn er an dieſen ſchrecklichen Augenblick gedenkt: Aber durch die freundſchaftliche Beyhuͤlfe eines eben ſo großen Betruͤgers, als er iſt, hat er ſich mit untergeſchobnen Qvittungen verſehn, und ſich gefaßt gemacht, einen Eid zu ſchwoͤren. Jch zweifle, daß die Rache des Himmels ihn dieſe Zeit wird erleben laſſen. Seine taͤglichen Aus- ſchweifungen, und ein Gewiſſen, welches ſich nicht ganz uͤbertaͤuben laͤßt, verzehren die uͤbrigen Kraͤfte ſeines Koͤrpers. Seine ungluͤckliche Wittwe wird er in der aͤußerſten Armuth verlaſſen. Sein Sohn wird, durch das Beyſpiel des Va- ters geſtaͤrkt, ein wuͤrdiger Sohn ſeines Vaters, und, wie er, ein elender Boͤſewicht ſeyn. Die betrognen Glaͤubiger werden ſein Andenken ver- fluchen; und wie viel Unſchuldige werden nach ſeinem Tode noch hungern muͤſſen, denen er ihr Vermoͤgen geraubt hat! ‒ ‒ ‒ Und ſie, mein Herr, der ſie dieſer Boͤſewicht ſind, ſie ſchaͤmen ſich nicht, uns ein ſo vortreffliches Buch von der Verderbniß des menſchlichen Herzens zu ſchrei- ben, in welchem eine jede Zeile fuͤr ſie ein ſchreck- X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/351
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/351>, abgerufen am 23.11.2024.