steuer verschonen: Aber ihre Aeltern, oder ihre Verwandten, oder auch ihre Lehrer, welche den Unverstand dieser guten Kinder misbrauchen, sollen für sie bezahlen. Jnzwischen ist es doch nöthig, zu sorgen, daß diese orthodoxen Buben nicht gar zu ungezogen werden, und wie es immer geschieht, den Wohlstand nicht gar zu sehr belei- digen. Wagen sie sich zum Exempel an einen Mann, dessen Gelehrsamkeit, und wahre Ver- dienste um alle Arten der Wissenschaften die un- partheyische Welt erkennt, dessen Stand und ehr- würdiges Alter die Hochachtung aller Vernünf- tigen verdient, und welcher weiter keinen Fehler hat, als diesen, daß er nicht eben das glaubt, was unser Knabe und seine Mutter glauben; wagt er sich an diesen Mann, und beobachtet nicht alle Bescheidenheit, die gesittete Männer auch alsdann einander schuldig sind, wenn sie schon nicht einerley Meynung haben; redet er die Sprache des Pöbels, wenn er die Sprache des Glaubens zu reden vermeynt: So soll ihn sein Präceptor stäupen, und für ieden ungesitteten Ausdruck einen Streich geben. Und dafür er- laube ich ihm das Vergnügen, sich einzubilden, daß er nicht wegen seines Muthwillens, sondern als ein junger Märtyrer gepeitschet werde.
Diese zwo Proben werden genug seyn, mei- nen Lesern einen Begriff von dem Plane zu ma- chen, nach welchem ich junge Scribenten zu mei-
ner
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſteuer verſchonen: Aber ihre Aeltern, oder ihre Verwandten, oder auch ihre Lehrer, welche den Unverſtand dieſer guten Kinder misbrauchen, ſollen fuͤr ſie bezahlen. Jnzwiſchen iſt es doch noͤthig, zu ſorgen, daß dieſe orthodoxen Buben nicht gar zu ungezogen werden, und wie es immer geſchieht, den Wohlſtand nicht gar zu ſehr belei- digen. Wagen ſie ſich zum Exempel an einen Mann, deſſen Gelehrſamkeit, und wahre Ver- dienſte um alle Arten der Wiſſenſchaften die un- partheyiſche Welt erkennt, deſſen Stand und ehr- wuͤrdiges Alter die Hochachtung aller Vernuͤnf- tigen verdient, und welcher weiter keinen Fehler hat, als dieſen, daß er nicht eben das glaubt, was unſer Knabe und ſeine Mutter glauben; wagt er ſich an dieſen Mann, und beobachtet nicht alle Beſcheidenheit, die geſittete Maͤnner auch alsdann einander ſchuldig ſind, wenn ſie ſchon nicht einerley Meynung haben; redet er die Sprache des Poͤbels, wenn er die Sprache des Glaubens zu reden vermeynt: So ſoll ihn ſein Praͤceptor ſtaͤupen, und fuͤr ieden ungeſitteten Ausdruck einen Streich geben. Und dafuͤr er- laube ich ihm das Vergnuͤgen, ſich einzubilden, daß er nicht wegen ſeines Muthwillens, ſondern als ein junger Maͤrtyrer gepeitſchet werde.
Dieſe zwo Proben werden genug ſeyn, mei- nen Leſern einen Begriff von dem Plane zu ma- chen, nach welchem ich junge Scribenten zu mei-
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſteuer verſchonen: Aber ihre Aeltern, oder ihre
Verwandten, oder auch ihre Lehrer, welche den
Unverſtand dieſer guten Kinder misbrauchen,
ſollen fuͤr ſie bezahlen. Jnzwiſchen iſt es doch
noͤthig, zu ſorgen, daß dieſe orthodoxen Buben
nicht gar zu ungezogen werden, und wie es immer
geſchieht, den Wohlſtand nicht gar zu ſehr belei-
digen. Wagen ſie ſich zum Exempel an einen
Mann, deſſen Gelehrſamkeit, und wahre Ver-
dienſte um alle Arten der Wiſſenſchaften die un-
partheyiſche Welt erkennt, deſſen Stand und ehr-
wuͤrdiges Alter die Hochachtung aller Vernuͤnf-
tigen verdient, und welcher weiter keinen Fehler
hat, als dieſen, daß er nicht eben das glaubt,
was unſer Knabe und ſeine Mutter glauben;
wagt er ſich an dieſen Mann, und beobachtet
nicht alle Beſcheidenheit, die geſittete Maͤnner
auch alsdann einander ſchuldig ſind, wenn ſie
ſchon nicht einerley Meynung haben; redet er die
Sprache des Poͤbels, wenn er die Sprache des
Glaubens zu reden vermeynt: So ſoll ihn ſein
Praͤceptor ſtaͤupen, und fuͤr ieden ungeſitteten
Ausdruck einen Streich geben. Und dafuͤr er-
laube ich ihm das Vergnuͤgen, ſich einzubilden,
daß er nicht wegen ſeines Muthwillens, ſondern
als ein junger Maͤrtyrer gepeitſchet werde.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/347>, abgerufen am 16.02.2025.
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