Peter Hum ist Schuld daran! Peter Hum? Ja freylich! Dieser Mann, den die Welt nicht kennt, den so gar in der Stadt, worinnen er wohnt, nur wenige kennen; dieser Mann ist seit Karls des sechsten Tode an allen Verwirrungen Schuld. Er residirt in einem sehr weitläuftigen, und weichgepolsterten Großvaterstuhle, in wel- chem sein politischer Bauch, von früh neun Uhr bis Abends um acht Uhr, ausgestreckt liegt, und die ganze Welt regiert. Denn das muß man wis- sen, daß dieser Mann ganz Bauch ist, nur für seinen Bauch lebt, und mit dem Bauche denkt. Sein Vater, ein geschickter und vermögender Kaufmann, war über die unempfindliche Träg- heit seines sich mästenden Sohnes sehr bekümmert. Er sann immer auf Mittel, ihn in Bewegung und Geschäffte zu bringen: Aber alle seine guten Ab- sichten wurden durch die weibische Verzärtelung sei- ner Mutter hintertrieben, welche ihrem einzigen Sohne nichts verstattete, als zu schlafen, und sich zu füttern. Sie wußte, daß ihr Vermögen hin- reichend genug seyn würde, ihn gemächlich zu nähren: Sie konnte es daher nicht über ihr müt- terliches Gewissen bringen, daß sie ihm einige Arbeit oder Beschäfftigung hätte zulassen sollen, welche ihn an der Verdauung hindern können. Jn den wenigen Stunden, wo er nicht schlief, und nicht aß, mußte er neben ihr auf dem Cana- pee sitzen, und ihr politische Zeitungen vorlesen, von welchen sie, in Ermangelung neuer Stadt- zeitungen, eine besondere Liebhaberinn war. Sie
freute
Antons Panßa von Mancha
Peter Hum iſt Schuld daran! Peter Hum? Ja freylich! Dieſer Mann, den die Welt nicht kennt, den ſo gar in der Stadt, worinnen er wohnt, nur wenige kennen; dieſer Mann iſt ſeit Karls des ſechſten Tode an allen Verwirrungen Schuld. Er reſidirt in einem ſehr weitlaͤuftigen, und weichgepolſterten Großvaterſtuhle, in wel- chem ſein politiſcher Bauch, von fruͤh neun Uhr bis Abends um acht Uhr, ausgeſtreckt liegt, und die ganze Welt regiert. Denn das muß man wiſ- ſen, daß dieſer Mann ganz Bauch iſt, nur fuͤr ſeinen Bauch lebt, und mit dem Bauche denkt. Sein Vater, ein geſchickter und vermoͤgender Kaufmann, war uͤber die unempfindliche Traͤg- heit ſeines ſich maͤſtenden Sohnes ſehr bekuͤmmert. Er ſann immer auf Mittel, ihn in Bewegung und Geſchaͤffte zu bringen: Aber alle ſeine guten Ab- ſichten wurden durch die weibiſche Verzaͤrtelung ſei- ner Mutter hintertrieben, welche ihrem einzigen Sohne nichts verſtattete, als zu ſchlafen, und ſich zu fuͤttern. Sie wußte, daß ihr Vermoͤgen hin- reichend genug ſeyn wuͤrde, ihn gemaͤchlich zu naͤhren: Sie konnte es daher nicht uͤber ihr muͤt- terliches Gewiſſen bringen, daß ſie ihm einige Arbeit oder Beſchaͤfftigung haͤtte zulaſſen ſollen, welche ihn an der Verdauung hindern koͤnnen. Jn den wenigen Stunden, wo er nicht ſchlief, und nicht aß, mußte er neben ihr auf dem Cana- pee ſitzen, und ihr politiſche Zeitungen vorleſen, von welchen ſie, in Ermangelung neuer Stadt- zeitungen, eine beſondere Liebhaberinn war. Sie
freute
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Antons Panßa von Mancha
Peter Hum iſt Schuld daran! Peter Hum?
Ja freylich! Dieſer Mann, den die Welt nicht
kennt, den ſo gar in der Stadt, worinnen er
wohnt, nur wenige kennen; dieſer Mann iſt ſeit
Karls des ſechſten Tode an allen Verwirrungen
Schuld. Er reſidirt in einem ſehr weitlaͤuftigen,
und weichgepolſterten Großvaterſtuhle, in wel-
chem ſein politiſcher Bauch, von fruͤh neun Uhr bis
Abends um acht Uhr, ausgeſtreckt liegt, und die
ganze Welt regiert. Denn das muß man wiſ-
ſen, daß dieſer Mann ganz Bauch iſt, nur fuͤr
ſeinen Bauch lebt, und mit dem Bauche denkt.
Sein Vater, ein geſchickter und vermoͤgender
Kaufmann, war uͤber die unempfindliche Traͤg-
heit ſeines ſich maͤſtenden Sohnes ſehr bekuͤmmert.
Er ſann immer auf Mittel, ihn in Bewegung und
Geſchaͤffte zu bringen: Aber alle ſeine guten Ab-
ſichten wurden durch die weibiſche Verzaͤrtelung ſei-
ner Mutter hintertrieben, welche ihrem einzigen
Sohne nichts verſtattete, als zu ſchlafen, und ſich
zu fuͤttern. Sie wußte, daß ihr Vermoͤgen hin-
reichend genug ſeyn wuͤrde, ihn gemaͤchlich zu
naͤhren: Sie konnte es daher nicht uͤber ihr muͤt-
terliches Gewiſſen bringen, daß ſie ihm einige
Arbeit oder Beſchaͤfftigung haͤtte zulaſſen ſollen,
welche ihn an der Verdauung hindern koͤnnen.
Jn den wenigen Stunden, wo er nicht ſchlief,
und nicht aß, mußte er neben ihr auf dem Cana-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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