Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
er um deßwillen am liebsten, weil er die beste Ent-
schuldigung für alle keimende Bosheiten seines
Herzens darinnen findet. Er hört, daß sein Va-
ter schon im zehnten Jahre ein leichtfertiger
Schelm gewesen, und dem Kammermädchen der
Mutter nachgeschlichen ist: Nun schämt sich der
würdige Sohn des Vaters, daß er noch nicht
einmal in seinem eilften Jahre auf diesen artigen
Einfall gekommen ist. Nur aus kindlichem Ehr-
geize schleicht er auch dem Kammermädchen seiner
Mutter nach, und gewöhnt sich spielend an eine
Ausschweifung, die ihn mit der Zeit unglücklich
macht. Jch führe hier nur ein einziges Exempel
an. Mit dem Spiele, mit dem Trunke, mit der
Begierde, andern ihr Vermögen abzuschwatzen,
um seine Unordnungen unterhalten zu können, mit
allen diesen Lastern hat es eine gleiche Bewand-
niß. Den ersten Trieb dazu empfindet der Sohn
bey den lustigen Erzählungen des Vaters. Er
ist von Natur boshafter, als sein Vater; die itzi-
gen Zeiten sind für einen jungen Menschen ver-
führender, als die damaligen Zeiten waren, in de-
nen sein Vater noch als ein junger Thor lebte:
Jst es nunmehr wohl Wunder, wenn der Sohn
in seinen schändlichen Unordnungen viel weiter
ausschweift, als es der Vater gethan; wenn er
sich von seiner Verirrung niemals wieder zurecht
findet, wie sich doch der Vater gefunden hat;
wenn dieser unglückliche Greis endlich den kläg-
lichen Untergang seines Sohnes mit Schrecken
ansehen, und dabey sich selbst die nagenden Vor-

würfe

Antons Panßa von Mancha
er um deßwillen am liebſten, weil er die beſte Ent-
ſchuldigung fuͤr alle keimende Bosheiten ſeines
Herzens darinnen findet. Er hoͤrt, daß ſein Va-
ter ſchon im zehnten Jahre ein leichtfertiger
Schelm geweſen, und dem Kammermaͤdchen der
Mutter nachgeſchlichen iſt: Nun ſchaͤmt ſich der
wuͤrdige Sohn des Vaters, daß er noch nicht
einmal in ſeinem eilften Jahre auf dieſen artigen
Einfall gekommen iſt. Nur aus kindlichem Ehr-
geize ſchleicht er auch dem Kammermaͤdchen ſeiner
Mutter nach, und gewoͤhnt ſich ſpielend an eine
Ausſchweifung, die ihn mit der Zeit ungluͤcklich
macht. Jch fuͤhre hier nur ein einziges Exempel
an. Mit dem Spiele, mit dem Trunke, mit der
Begierde, andern ihr Vermoͤgen abzuſchwatzen,
um ſeine Unordnungen unterhalten zu koͤnnen, mit
allen dieſen Laſtern hat es eine gleiche Bewand-
niß. Den erſten Trieb dazu empfindet der Sohn
bey den luſtigen Erzaͤhlungen des Vaters. Er
iſt von Natur boshafter, als ſein Vater; die itzi-
gen Zeiten ſind fuͤr einen jungen Menſchen ver-
fuͤhrender, als die damaligen Zeiten waren, in de-
nen ſein Vater noch als ein junger Thor lebte:
Jſt es nunmehr wohl Wunder, wenn der Sohn
in ſeinen ſchaͤndlichen Unordnungen viel weiter
ausſchweift, als es der Vater gethan; wenn er
ſich von ſeiner Verirrung niemals wieder zurecht
findet, wie ſich doch der Vater gefunden hat;
wenn dieſer ungluͤckliche Greis endlich den klaͤg-
lichen Untergang ſeines Sohnes mit Schrecken
anſehen, und dabey ſich ſelbſt die nagenden Vor-

wuͤrfe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
er um deßwillen am lieb&#x017F;ten, weil er die be&#x017F;te Ent-<lb/>
&#x017F;chuldigung fu&#x0364;r alle keimende Bosheiten &#x017F;eines<lb/>
Herzens darinnen findet. Er ho&#x0364;rt, daß &#x017F;ein Va-<lb/>
ter &#x017F;chon im zehnten Jahre ein leichtfertiger<lb/>
Schelm gewe&#x017F;en, und dem Kammerma&#x0364;dchen der<lb/>
Mutter nachge&#x017F;chlichen i&#x017F;t: Nun &#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;ich der<lb/>
wu&#x0364;rdige Sohn des Vaters, daß er noch nicht<lb/>
einmal in &#x017F;einem eilften Jahre auf die&#x017F;en artigen<lb/>
Einfall gekommen i&#x017F;t. Nur aus kindlichem Ehr-<lb/>
geize &#x017F;chleicht er auch dem Kammerma&#x0364;dchen &#x017F;einer<lb/>
Mutter nach, und gewo&#x0364;hnt &#x017F;ich &#x017F;pielend an eine<lb/>
Aus&#x017F;chweifung, die ihn mit der Zeit unglu&#x0364;cklich<lb/>
macht. Jch fu&#x0364;hre hier nur ein einziges Exempel<lb/>
an. Mit dem Spiele, mit dem Trunke, mit der<lb/>
Begierde, andern ihr Vermo&#x0364;gen abzu&#x017F;chwatzen,<lb/>
um &#x017F;eine Unordnungen unterhalten zu ko&#x0364;nnen, mit<lb/>
allen die&#x017F;en La&#x017F;tern hat es eine gleiche Bewand-<lb/>
niß. Den er&#x017F;ten Trieb dazu empfindet der Sohn<lb/>
bey den lu&#x017F;tigen Erza&#x0364;hlungen des Vaters. Er<lb/>
i&#x017F;t von Natur boshafter, als &#x017F;ein Vater; die itzi-<lb/>
gen Zeiten &#x017F;ind fu&#x0364;r einen jungen Men&#x017F;chen ver-<lb/>
fu&#x0364;hrender, als die damaligen Zeiten waren, in de-<lb/>
nen &#x017F;ein Vater noch als ein junger Thor lebte:<lb/>
J&#x017F;t es nunmehr wohl Wunder, wenn der Sohn<lb/>
in &#x017F;einen &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Unordnungen viel weiter<lb/>
aus&#x017F;chweift, als es der Vater gethan; wenn er<lb/>
&#x017F;ich von &#x017F;einer Verirrung niemals wieder zurecht<lb/>
findet, wie &#x017F;ich doch der Vater gefunden hat;<lb/>
wenn die&#x017F;er unglu&#x0364;ckliche Greis endlich den kla&#x0364;g-<lb/>
lichen Untergang &#x017F;eines Sohnes mit Schrecken<lb/>
an&#x017F;ehen, und dabey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die nagenden Vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wu&#x0364;rfe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0310] Antons Panßa von Mancha er um deßwillen am liebſten, weil er die beſte Ent- ſchuldigung fuͤr alle keimende Bosheiten ſeines Herzens darinnen findet. Er hoͤrt, daß ſein Va- ter ſchon im zehnten Jahre ein leichtfertiger Schelm geweſen, und dem Kammermaͤdchen der Mutter nachgeſchlichen iſt: Nun ſchaͤmt ſich der wuͤrdige Sohn des Vaters, daß er noch nicht einmal in ſeinem eilften Jahre auf dieſen artigen Einfall gekommen iſt. Nur aus kindlichem Ehr- geize ſchleicht er auch dem Kammermaͤdchen ſeiner Mutter nach, und gewoͤhnt ſich ſpielend an eine Ausſchweifung, die ihn mit der Zeit ungluͤcklich macht. Jch fuͤhre hier nur ein einziges Exempel an. Mit dem Spiele, mit dem Trunke, mit der Begierde, andern ihr Vermoͤgen abzuſchwatzen, um ſeine Unordnungen unterhalten zu koͤnnen, mit allen dieſen Laſtern hat es eine gleiche Bewand- niß. Den erſten Trieb dazu empfindet der Sohn bey den luſtigen Erzaͤhlungen des Vaters. Er iſt von Natur boshafter, als ſein Vater; die itzi- gen Zeiten ſind fuͤr einen jungen Menſchen ver- fuͤhrender, als die damaligen Zeiten waren, in de- nen ſein Vater noch als ein junger Thor lebte: Jſt es nunmehr wohl Wunder, wenn der Sohn in ſeinen ſchaͤndlichen Unordnungen viel weiter ausſchweift, als es der Vater gethan; wenn er ſich von ſeiner Verirrung niemals wieder zurecht findet, wie ſich doch der Vater gefunden hat; wenn dieſer ungluͤckliche Greis endlich den klaͤg- lichen Untergang ſeines Sohnes mit Schrecken anſehen, und dabey ſich ſelbſt die nagenden Vor- wuͤrfe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/310
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/310>, abgerufen am 25.11.2024.