"Familie einzupfropfen." Dieses Märchen ko- stet vieler Ursachen wegen - - 1 fl.
Gemeiniglich ist diese Moral von dieser Fabel, daß es nur ihr guter Wille gewesen sey, unverheirathet zu bleiben, und daß sie mit Händen und Füßen sich der Freyer erwehren müssen. Für die Ver- günstigung, diese Unwahrheit zu sagen, ohne roth zu werden, giebt sie jährlich - 5 Blafferte.
Und wenn sie gar dem Himmel dafür dankt, so kostet es - - - 10 Blafferte.
Es wiederfährt ihr sehr leicht, daß sie sich in ihrer vestalischen Grausamkeit vergißt. Das soll sie nicht thun. Jst ein junger Cavalier so bos- haft, und küßt ihr seufzend die Hand, und sie giebt ihm nicht einen derben mütterlichen Verweis; so muß sie für diese hochmüthige Leichtgläubigkeit erlegen - - - 1 Blaffert.
Nimmt sie es gar mit einem freundlichen Lächeln an, - - - - 2 Blafferte.
Heißt sie ihn einen losen Vogel, oder schlägt ihn mit dem Fächer, - - 3 Blafferte.
Und läßt sie es gar zu, daß er ihr den Palatin - - - O pfuy! das ist zu arg! das ist eine Sünde wider die Natur! Das soll sie nicht zu- lassen.
Ein Mann, welcher in seinen jüngern Jah- ren alle wollüstige Ausschweifungen begangen hat,
Gemeiniglich iſt dieſe Moral von dieſer Fabel, daß es nur ihr guter Wille geweſen ſey, unverheirathet zu bleiben, und daß ſie mit Haͤnden und Fuͤßen ſich der Freyer erwehren muͤſſen. Fuͤr die Ver- guͤnſtigung, dieſe Unwahrheit zu ſagen, ohne roth zu werden, giebt ſie jaͤhrlich ‒ 5 Blafferte.
Und wenn ſie gar dem Himmel dafuͤr dankt, ſo koſtet es ‒ ‒ ‒ 10 Blafferte.
Es wiederfaͤhrt ihr ſehr leicht, daß ſie ſich in ihrer veſtaliſchen Grauſamkeit vergißt. Das ſoll ſie nicht thun. Jſt ein junger Cavalier ſo bos- haft, und kuͤßt ihr ſeufzend die Hand, und ſie giebt ihm nicht einen derben muͤtterlichen Verweis; ſo muß ſie fuͤr dieſe hochmuͤthige Leichtglaͤubigkeit erlegen ‒ ‒ ‒ 1 Blaffert.
Nimmt ſie es gar mit einem freundlichen Laͤcheln an, ‒ ‒ ‒ ‒ 2 Blafferte.
Heißt ſie ihn einen loſen Vogel, oder ſchlaͤgt ihn mit dem Faͤcher, ‒ ‒ 3 Blafferte.
Und laͤßt ſie es gar zu, daß er ihr den Palatin ‒ ‒ ‒ O pfuy! das iſt zu arg! das iſt eine Suͤnde wider die Natur! Das ſoll ſie nicht zu- laſſen.
Ein Mann, welcher in ſeinen juͤngern Jah- ren alle wolluͤſtige Ausſchweifungen begangen hat,
und
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[285/0307]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
„Familie einzupfropfen.„ Dieſes Maͤrchen ko-
ſtet vieler Urſachen wegen ‒ ‒ 1 fl.
Gemeiniglich iſt dieſe Moral von dieſer Fabel, daß
es nur ihr guter Wille geweſen ſey, unverheirathet
zu bleiben, und daß ſie mit Haͤnden und Fuͤßen
ſich der Freyer erwehren muͤſſen. Fuͤr die Ver-
guͤnſtigung, dieſe Unwahrheit zu ſagen, ohne roth
zu werden, giebt ſie jaͤhrlich ‒ 5 Blafferte.
Und wenn ſie gar dem Himmel dafuͤr dankt, ſo
koſtet es ‒ ‒ ‒ 10 Blafferte.
Es wiederfaͤhrt ihr ſehr leicht, daß ſie ſich in
ihrer veſtaliſchen Grauſamkeit vergißt. Das ſoll
ſie nicht thun. Jſt ein junger Cavalier ſo bos-
haft, und kuͤßt ihr ſeufzend die Hand, und ſie giebt
ihm nicht einen derben muͤtterlichen Verweis;
ſo muß ſie fuͤr dieſe hochmuͤthige Leichtglaͤubigkeit
erlegen ‒ ‒ ‒ 1 Blaffert.
Nimmt ſie es gar mit einem freundlichen Laͤcheln
an, ‒ ‒ ‒ ‒ 2 Blafferte.
Heißt ſie ihn einen loſen Vogel, oder ſchlaͤgt ihn
mit dem Faͤcher, ‒ ‒ 3 Blafferte.
Und laͤßt ſie es gar zu, daß er ihr den Palatin
‒ ‒ ‒ O pfuy! das iſt zu arg! das iſt eine
Suͤnde wider die Natur! Das ſoll ſie nicht zu-
laſſen.
Ein Mann, welcher in ſeinen juͤngern Jah-
ren alle wolluͤſtige Ausſchweifungen begangen hat,
und
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/307>, abgerufen am 22.11.2024.
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