jährlich nur 4. Blafferte Miethzins zu meiner Ge- dankensteuer geben.
Sie will es nicht gestehen, daß ihre schwarzen Haare schon ziemlich ins Weiße fallen. Wenn sie alle Jahre - - - 1/2 fl. - zahlt, soll niemand das Recht haben, ihren grauen Kopf zu merken.
Das kann ich ihr nicht vergeben, daß sie oft, und besonders um die Zeit der Frankfurter Messe, am Fenster ihren Morgensegen mit entblößter Brust betet. Dadurch ärgert sie Himmel und Erde; und wenn sie es gar nicht unterlassen will, kann ich ihr weniger nicht, als 11/2 fl. abfodern.
Ein Bedienter, den sie wegen seines Alters fortgejagt hat, will die Leute versichern, daß sie seit einiger Zeit sich an abgezogne Wasser gewöhnt habe, um immer lebhaft und munter zu seyn. Aus christlicher Liebe halte ich es für eine Ver- leumdung. Es wäre doch himmelschreyend, wenn sich alte Jungfern wollten zu jungen Mädchen saufen! Jch kann ihr diese Thorheit nicht wohl- feiler, als für 1 fl. - - verstatten. Derjenige, der das Herz hat, sie früh nüchtern zu küssen, um die Wahrheit von dieser Beschuldigung zu erfah- ren; der soll aus dem gemeinen Kasten eine an- sehnliche Pension auf Lebenszeit erhalten.
Jch habe immer nicht begreifen können, war- um sie bey allen Gelegenheiten in Gesellschaften, wider die unvorsichtige Zärtlichkeit unglücklicher
Mädchen
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
jaͤhrlich nur 4. Blafferte Miethzins zu meiner Ge- dankenſteuer geben.
Sie will es nicht geſtehen, daß ihre ſchwarzen Haare ſchon ziemlich ins Weiße fallen. Wenn ſie alle Jahre ‒ ‒ ‒ ½ fl. ‒ zahlt, ſoll niemand das Recht haben, ihren grauen Kopf zu merken.
Das kann ich ihr nicht vergeben, daß ſie oft, und beſonders um die Zeit der Frankfurter Meſſe, am Fenſter ihren Morgenſegen mit entbloͤßter Bruſt betet. Dadurch aͤrgert ſie Himmel und Erde; und wenn ſie es gar nicht unterlaſſen will, kann ich ihr weniger nicht, als 1½ fl. abfodern.
Ein Bedienter, den ſie wegen ſeines Alters fortgejagt hat, will die Leute verſichern, daß ſie ſeit einiger Zeit ſich an abgezogne Waſſer gewoͤhnt habe, um immer lebhaft und munter zu ſeyn. Aus chriſtlicher Liebe halte ich es fuͤr eine Ver- leumdung. Es waͤre doch himmelſchreyend, wenn ſich alte Jungfern wollten zu jungen Maͤdchen ſaufen! Jch kann ihr dieſe Thorheit nicht wohl- feiler, als fuͤr 1 fl. ‒ ‒ verſtatten. Derjenige, der das Herz hat, ſie fruͤh nuͤchtern zu kuͤſſen, um die Wahrheit von dieſer Beſchuldigung zu erfah- ren; der ſoll aus dem gemeinen Kaſten eine an- ſehnliche Penſion auf Lebenszeit erhalten.
Jch habe immer nicht begreifen koͤnnen, war- um ſie bey allen Gelegenheiten in Geſellſchaften, wider die unvorſichtige Zaͤrtlichkeit ungluͤcklicher
Maͤdchen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
jaͤhrlich nur 4. Blafferte Miethzins zu meiner Ge-
dankenſteuer geben.
Sie will es nicht geſtehen, daß ihre ſchwarzen
Haare ſchon ziemlich ins Weiße fallen. Wenn
ſie alle Jahre ‒ ‒ ‒ ½ fl. ‒ zahlt, ſoll niemand
das Recht haben, ihren grauen Kopf zu merken.
Das kann ich ihr nicht vergeben, daß ſie oft,
und beſonders um die Zeit der Frankfurter Meſſe,
am Fenſter ihren Morgenſegen mit entbloͤßter
Bruſt betet. Dadurch aͤrgert ſie Himmel und
Erde; und wenn ſie es gar nicht unterlaſſen will,
kann ich ihr weniger nicht, als 1½ fl. abfodern.
Ein Bedienter, den ſie wegen ſeines Alters
fortgejagt hat, will die Leute verſichern, daß ſie
ſeit einiger Zeit ſich an abgezogne Waſſer gewoͤhnt
habe, um immer lebhaft und munter zu ſeyn.
Aus chriſtlicher Liebe halte ich es fuͤr eine Ver-
leumdung. Es waͤre doch himmelſchreyend, wenn
ſich alte Jungfern wollten zu jungen Maͤdchen
ſaufen! Jch kann ihr dieſe Thorheit nicht wohl-
feiler, als fuͤr 1 fl. ‒ ‒ verſtatten. Derjenige,
der das Herz hat, ſie fruͤh nuͤchtern zu kuͤſſen, um
die Wahrheit von dieſer Beſchuldigung zu erfah-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/305>, abgerufen am 25.11.2024.
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