will ich sie zu meiner Gedankensteuer ziehen, und ich hoffe, ein ansehnliches Stück Geld aus ihr zu lösen.
So oft sie die gefährlichen Schönheiten ihrer Jugend rühmet, so oft schmeichelt sie sich mit einer Einbildung, die ganz falsch ist. Dieses aber thun zu dürfen, zahlt sie ein Jahr über, - 1 fl.
Sie erzählt, eben so wie ein junger Officier, sehr gern die Siege, die sie gehabt, und erzählt auch die, die sie nicht gehabt. Wir wollen ihr nicht wehren, sich so viel Liebhaber zu denken, als sie für gut findet: Aber sie muß diese Liebhaber be- zahlen, und giebt für jedes Stück - 1 Blaffert.
Sie mag sich gern bunt kleiden, und daher kömmt es manchmal, daß sie in der Ferne Scha- den thut. Mir ist es leider so gegangen. Unge- achtet meines geschwollnen Fusses, bin ich ihr ein- mal in Münster drey Gassen zärtlich nachgehinkt, um ein Gesicht zu sehen, das ich für jung und schön hielt. Aber die Untreue, die ich dadurch an mei- ner damals noch lebenden Frau erwies, strafte der Himmel schrecklich an mir; denn es war unser Fräulein, die ich erblickte. Man wird mir diese kleine Rache gönnen, und erlauben, daß ich ihr für die Freyheit, sich dieser Maske eines jungen Mäd- chens zu bedienen, jährlich abfodre - 1/2 fl.
Für die Schminkpflästerchen, die sie in die Furchen ihres Gesichts so häufig säet, muß sie auch etwas geben. Freylich thut sie es nicht, wie
unsre
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
will ich ſie zu meiner Gedankenſteuer ziehen, und ich hoffe, ein anſehnliches Stuͤck Geld aus ihr zu loͤſen.
So oft ſie die gefaͤhrlichen Schoͤnheiten ihrer Jugend ruͤhmet, ſo oft ſchmeichelt ſie ſich mit einer Einbildung, die ganz falſch iſt. Dieſes aber thun zu duͤrfen, zahlt ſie ein Jahr uͤber, ‒ 1 fl.
Sie erzaͤhlt, eben ſo wie ein junger Officier, ſehr gern die Siege, die ſie gehabt, und erzaͤhlt auch die, die ſie nicht gehabt. Wir wollen ihr nicht wehren, ſich ſo viel Liebhaber zu denken, als ſie fuͤr gut findet: Aber ſie muß dieſe Liebhaber be- zahlen, und giebt fuͤr jedes Stuͤck ‒ 1 Blaffert.
Sie mag ſich gern bunt kleiden, und daher koͤmmt es manchmal, daß ſie in der Ferne Scha- den thut. Mir iſt es leider ſo gegangen. Unge- achtet meines geſchwollnen Fuſſes, bin ich ihr ein- mal in Muͤnſter drey Gaſſen zaͤrtlich nachgehinkt, um ein Geſicht zu ſehen, das ich fuͤr jung und ſchoͤn hielt. Aber die Untreue, die ich dadurch an mei- ner damals noch lebenden Frau erwies, ſtrafte der Himmel ſchrecklich an mir; denn es war unſer Fraͤulein, die ich erblickte. Man wird mir dieſe kleine Rache goͤnnen, und erlauben, daß ich ihr fuͤr die Freyheit, ſich dieſer Maske eines jungen Maͤd- chens zu bedienen, jaͤhrlich abfodre ‒ ½ fl.
Fuͤr die Schminkpflaͤſterchen, die ſie in die Furchen ihres Geſichts ſo haͤufig ſaͤet, muß ſie auch etwas geben. Freylich thut ſie es nicht, wie
unſre
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
will ich ſie zu meiner Gedankenſteuer ziehen, und
ich hoffe, ein anſehnliches Stuͤck Geld aus ihr
zu loͤſen.
So oft ſie die gefaͤhrlichen Schoͤnheiten ihrer
Jugend ruͤhmet, ſo oft ſchmeichelt ſie ſich mit einer
Einbildung, die ganz falſch iſt. Dieſes aber thun
zu duͤrfen, zahlt ſie ein Jahr uͤber, ‒ 1 fl.
Sie erzaͤhlt, eben ſo wie ein junger Officier,
ſehr gern die Siege, die ſie gehabt, und erzaͤhlt
auch die, die ſie nicht gehabt. Wir wollen ihr
nicht wehren, ſich ſo viel Liebhaber zu denken, als
ſie fuͤr gut findet: Aber ſie muß dieſe Liebhaber be-
zahlen, und giebt fuͤr jedes Stuͤck ‒ 1 Blaffert.
Sie mag ſich gern bunt kleiden, und daher
koͤmmt es manchmal, daß ſie in der Ferne Scha-
den thut. Mir iſt es leider ſo gegangen. Unge-
achtet meines geſchwollnen Fuſſes, bin ich ihr ein-
mal in Muͤnſter drey Gaſſen zaͤrtlich nachgehinkt,
um ein Geſicht zu ſehen, das ich fuͤr jung und ſchoͤn
hielt. Aber die Untreue, die ich dadurch an mei-
ner damals noch lebenden Frau erwies, ſtrafte der
Himmel ſchrecklich an mir; denn es war unſer
Fraͤulein, die ich erblickte. Man wird mir dieſe
kleine Rache goͤnnen, und erlauben, daß ich ihr fuͤr
die Freyheit, ſich dieſer Maske eines jungen Maͤd-
chens zu bedienen, jaͤhrlich abfodre ‒ ½ fl.
Fuͤr die Schminkpflaͤſterchen, die ſie in die
Furchen ihres Geſichts ſo haͤufig ſaͤet, muß ſie
auch etwas geben. Freylich thut ſie es nicht, wie
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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