die ihr der Himmel vor hundert andern Fräulein, bey ihrem Verstande, und bey ihrer Schönheit, gegönnet hätte. Und so schön war ich auch in meiner Jugend; Himmel, wie die Zeit ver- geht! Mit diesem Seufzer schlossen sich ihre Pre- digten allemal. Jhr Herr Vater aber schwur bey seiner armen Seele: Sie sey ein braves Mensch, und verdiene einen hübschen Kerl; den wolle er ihr schaffen, wenn sie gute Wirthschaft lerne. Nach diesen Gründen richteten Vater und Mut- ter ihre Erziehung ein, welche auch so gute Wir- kung hatte, daß sie, bey einer mittelmäßigen Häß- lichkeit, einige kleine Romane spielte, die ver- drießliche Folgen hatten, und daß sie dennoch, bey ihrer mütterlichen Sprödigkeit, stolz genug war, alle Heirathen auszuschlagen, die ihr scharfer Ver- stand, (denn innerhalb einer Viertheilmeile war sie das verständigste Fräulein,) die ihr Verstand für sich nicht ansehnlich, und vortheilhaft genug fand. Unter diesem lächerlichen Mischmasche von Sprö- digkeit, und von Wollust, hat sie gestern ihr sechs und funfzigstes Jahr herangebuhlt, und unter- hält sich in den Stunden, wo sie nicht betet, (denn seit sechs Jahren betet sie fleißig,) mit den Ver- diensten, die die Welt entbehren muß, da sie nun- mehr seit sechs Jahren sich im Ernste entschlossen hat, einsam auf ihrem Meyerhofe zu sterben. Jn diesem frommen Entschlusse mag ich sie nicht stö- ren. Damit sie aber dem gemeinen Wesen noch zu etwas nütze, und damit sie mit einem ruhigen Ge- wissen ihrem stolzen Traume nachhängen könne: so
will
Antons Panßa von Mancha
die ihr der Himmel vor hundert andern Fraͤulein, bey ihrem Verſtande, und bey ihrer Schoͤnheit, gegoͤnnet haͤtte. Und ſo ſchoͤn war ich auch in meiner Jugend; Himmel, wie die Zeit ver- geht! Mit dieſem Seufzer ſchloſſen ſich ihre Pre- digten allemal. Jhr Herr Vater aber ſchwur bey ſeiner armen Seele: Sie ſey ein braves Menſch, und verdiene einen huͤbſchen Kerl; den wolle er ihr ſchaffen, wenn ſie gute Wirthſchaft lerne. Nach dieſen Gruͤnden richteten Vater und Mut- ter ihre Erziehung ein, welche auch ſo gute Wir- kung hatte, daß ſie, bey einer mittelmaͤßigen Haͤß- lichkeit, einige kleine Romane ſpielte, die ver- drießliche Folgen hatten, und daß ſie dennoch, bey ihrer muͤtterlichen Sproͤdigkeit, ſtolz genug war, alle Heirathen auszuſchlagen, die ihr ſcharfer Ver- ſtand, (denn innerhalb einer Viertheilmeile war ſie das verſtaͤndigſte Fraͤulein,) die ihr Verſtand fuͤr ſich nicht anſehnlich, und vortheilhaft genug fand. Unter dieſem laͤcherlichen Miſchmaſche von Sproͤ- digkeit, und von Wolluſt, hat ſie geſtern ihr ſechs und funfzigſtes Jahr herangebuhlt, und unter- haͤlt ſich in den Stunden, wo ſie nicht betet, (denn ſeit ſechs Jahren betet ſie fleißig,) mit den Ver- dienſten, die die Welt entbehren muß, da ſie nun- mehr ſeit ſechs Jahren ſich im Ernſte entſchloſſen hat, einſam auf ihrem Meyerhofe zu ſterben. Jn dieſem frommen Entſchluſſe mag ich ſie nicht ſtoͤ- ren. Damit ſie aber dem gemeinen Weſen noch zu etwas nuͤtze, und damit ſie mit einem ruhigen Ge- wiſſen ihrem ſtolzen Traume nachhaͤngen koͤnne: ſo
will
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Antons Panßa von Mancha
die ihr der Himmel vor hundert andern Fraͤulein,
bey ihrem Verſtande, und bey ihrer Schoͤnheit,
gegoͤnnet haͤtte. Und ſo ſchoͤn war ich auch in
meiner Jugend; Himmel, wie die Zeit ver-
geht! Mit dieſem Seufzer ſchloſſen ſich ihre Pre-
digten allemal. Jhr Herr Vater aber ſchwur bey
ſeiner armen Seele: Sie ſey ein braves Menſch,
und verdiene einen huͤbſchen Kerl; den wolle er
ihr ſchaffen, wenn ſie gute Wirthſchaft lerne.
Nach dieſen Gruͤnden richteten Vater und Mut-
ter ihre Erziehung ein, welche auch ſo gute Wir-
kung hatte, daß ſie, bey einer mittelmaͤßigen Haͤß-
lichkeit, einige kleine Romane ſpielte, die ver-
drießliche Folgen hatten, und daß ſie dennoch, bey
ihrer muͤtterlichen Sproͤdigkeit, ſtolz genug war,
alle Heirathen auszuſchlagen, die ihr ſcharfer Ver-
ſtand, (denn innerhalb einer Viertheilmeile war ſie
das verſtaͤndigſte Fraͤulein,) die ihr Verſtand fuͤr
ſich nicht anſehnlich, und vortheilhaft genug fand.
Unter dieſem laͤcherlichen Miſchmaſche von Sproͤ-
digkeit, und von Wolluſt, hat ſie geſtern ihr ſechs
und funfzigſtes Jahr herangebuhlt, und unter-
haͤlt ſich in den Stunden, wo ſie nicht betet, (denn
ſeit ſechs Jahren betet ſie fleißig,) mit den Ver-
dienſten, die die Welt entbehren muß, da ſie nun-
mehr ſeit ſechs Jahren ſich im Ernſte entſchloſſen
hat, einſam auf ihrem Meyerhofe zu ſterben. Jn
dieſem frommen Entſchluſſe mag ich ſie nicht ſtoͤ-
ren. Damit ſie aber dem gemeinen Weſen noch
zu etwas nuͤtze, und damit ſie mit einem ruhigen Ge-
wiſſen ihrem ſtolzen Traume nachhaͤngen koͤnne: ſo
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/302>, abgerufen am 16.02.2025.
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