Hochmuthe heilig herumkriechen, um desto mehr verehrt zu werden. Für diese mag ich nicht sor- gen; denn sie thun dem Vermögen meiner Mit- bürger keinen sonderlichen Schaden.
Jch belustige mich beynahe in keiner Gesell- schaft mehr, als in der Gesellschaft dererjenigen, welche unter dem prächtigen Namen der Patrio- ten mit der Regierung unzufrieden sind. Man findet daselbst einen wahren Mischmasch von Hoch- muthe, von Neide, von Vaterlandsliebe, und von Hunger. Es steht in meinem Vermögen nicht, ihnen Aemter und Ehrenstellen zu geben: Jch wollte es sonst mit Vergnügen thun. Jch weis gewiß, ich würde dadurch ihren Neid und ih- ren Hochmuth zugleich befriedigen. Denn, wie die Engländer sagen, flucht derjenige der Regierung am meisten, der am meisten an der Regierung Antheil zu nehmen wünscht. Also will ich nur für ihren Hunger, oder welches einerley ist, für ihre Vaterlandsliebe sorgen. Sie sollen satt werden; und wenn ihr Magen noch so patrio- tisch wäre, so soll er doch satt werden. Wirf dem Hunde Brodt hin, der dich beißen will, sprechen die Bürger in Mancha: Das will ich auch thun; denn ich glaube, daß bey mir in West- phalen der Hunger eben so beißend macht, wie bey meines Urältervaters Nachbarn in Mancha. Wie erstaunend werden die Veränderungen seyn, die mein Project in einem Staate macht! Alle po- litische Schneider und Schuster, welche zeither mit
auf-
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Hochmuthe heilig herumkriechen, um deſto mehr verehrt zu werden. Fuͤr dieſe mag ich nicht ſor- gen; denn ſie thun dem Vermoͤgen meiner Mit- buͤrger keinen ſonderlichen Schaden.
Jch beluſtige mich beynahe in keiner Geſell- ſchaft mehr, als in der Geſellſchaft dererjenigen, welche unter dem praͤchtigen Namen der Patrio- ten mit der Regierung unzufrieden ſind. Man findet daſelbſt einen wahren Miſchmaſch von Hoch- muthe, von Neide, von Vaterlandsliebe, und von Hunger. Es ſteht in meinem Vermoͤgen nicht, ihnen Aemter und Ehrenſtellen zu geben: Jch wollte es ſonſt mit Vergnuͤgen thun. Jch weis gewiß, ich wuͤrde dadurch ihren Neid und ih- ren Hochmuth zugleich befriedigen. Denn, wie die Englaͤnder ſagen, flucht derjenige der Regierung am meiſten, der am meiſten an der Regierung Antheil zu nehmen wuͤnſcht. Alſo will ich nur fuͤr ihren Hunger, oder welches einerley iſt, fuͤr ihre Vaterlandsliebe ſorgen. Sie ſollen ſatt werden; und wenn ihr Magen noch ſo patrio- tiſch waͤre, ſo ſoll er doch ſatt werden. Wirf dem Hunde Brodt hin, der dich beißen will, ſprechen die Buͤrger in Mancha: Das will ich auch thun; denn ich glaube, daß bey mir in Weſt- phalen der Hunger eben ſo beißend macht, wie bey meines Uraͤltervaters Nachbarn in Mancha. Wie erſtaunend werden die Veraͤnderungen ſeyn, die mein Project in einem Staate macht! Alle po- litiſche Schneider und Schuſter, welche zeither mit
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Hochmuthe heilig herumkriechen, um deſto mehr
verehrt zu werden. Fuͤr dieſe mag ich nicht ſor-
gen; denn ſie thun dem Vermoͤgen meiner Mit-
buͤrger keinen ſonderlichen Schaden.
Jch beluſtige mich beynahe in keiner Geſell-
ſchaft mehr, als in der Geſellſchaft dererjenigen,
welche unter dem praͤchtigen Namen der Patrio-
ten mit der Regierung unzufrieden ſind. Man
findet daſelbſt einen wahren Miſchmaſch von Hoch-
muthe, von Neide, von Vaterlandsliebe, und von
Hunger. Es ſteht in meinem Vermoͤgen nicht,
ihnen Aemter und Ehrenſtellen zu geben: Jch
wollte es ſonſt mit Vergnuͤgen thun. Jch weis
gewiß, ich wuͤrde dadurch ihren Neid und ih-
ren Hochmuth zugleich befriedigen. Denn,
wie die Englaͤnder ſagen, flucht derjenige der
Regierung am meiſten, der am meiſten an der
Regierung Antheil zu nehmen wuͤnſcht. Alſo will
ich nur fuͤr ihren Hunger, oder welches einerley
iſt, fuͤr ihre Vaterlandsliebe ſorgen. Sie ſollen
ſatt werden; und wenn ihr Magen noch ſo patrio-
tiſch waͤre, ſo ſoll er doch ſatt werden. Wirf
dem Hunde Brodt hin, der dich beißen will,
ſprechen die Buͤrger in Mancha: Das will ich
auch thun; denn ich glaube, daß bey mir in Weſt-
phalen der Hunger eben ſo beißend macht, wie bey
meines Uraͤltervaters Nachbarn in Mancha. Wie
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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