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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
nähren! Nunmehr ließ mich es meine Frau em-
pfinden, was für ein schreckliches Verbrechen es
sey, kein Geld zu haben. Meine Schwiegeräl-
tern hielten mich für den größten Bösewicht; und
nun erst fiel es ihnen ein, daß ich ihr armes un-
schuldiges Kind verführt hätte. Mit einem Worte,
ich habe seit achtzehn Jahren, unter der strengen
Vormundschaft meiner Frau, ein trauriges Leben
geführt. Gleichwohl hat sie mich immer noth-
dürftig ernährt; das kann ich ihr nachrühmen.
Jch würde kaum begreifen können, wo dieser
Segen herkäme; aber der Herr Kammerrath, und
der Herr Oberamtmann sind ein paar liebenswür-
dige Männer, und meine Frau sieht in der That
noch reinlich genug aus, christliche und mildthä-
tige Seelen zu erwecken. Diese rechtschaffenen
Patrone haben auch für meine älteste Tochter vä-
terlich gesorgt, und ihr in ihrem sechzehnten Jahre
einen Mann gegeben, der beym Herrn Kammer-
rathe Verwalter ist, einen feinen frommen gelas-
senen Mann, wie ich bin, nur noch einmal so alt,
als ich. Sie leben recht gut mit einander; denn
meine Tochter ist das wahre Ebenbild von ihrer
Mutter. Sie hat mich auch schon zu einem ver-
gnügten Großvater gemacht, und ihrem guten
Manne ein Töchterchen geschenkt, welches dem
Vater bis auf die grauen Haare so ähnlich sieht
wie ein Tropfen Wasser dem andern. Jch habe
das aus des Herrn Kammerraths eignem Munde;
denn mir kam es nicht so vor. Sehen sie, mein
Herr, so lebe ich itzt! Der Himmel, der für eine

Frau
Q 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
naͤhren! Nunmehr ließ mich es meine Frau em-
pfinden, was fuͤr ein ſchreckliches Verbrechen es
ſey, kein Geld zu haben. Meine Schwiegeraͤl-
tern hielten mich fuͤr den groͤßten Boͤſewicht; und
nun erſt fiel es ihnen ein, daß ich ihr armes un-
ſchuldiges Kind verfuͤhrt haͤtte. Mit einem Worte,
ich habe ſeit achtzehn Jahren, unter der ſtrengen
Vormundſchaft meiner Frau, ein trauriges Leben
gefuͤhrt. Gleichwohl hat ſie mich immer noth-
duͤrftig ernaͤhrt; das kann ich ihr nachruͤhmen.
Jch wuͤrde kaum begreifen koͤnnen, wo dieſer
Segen herkaͤme; aber der Herr Kammerrath, und
der Herr Oberamtmann ſind ein paar liebenswuͤr-
dige Maͤnner, und meine Frau ſieht in der That
noch reinlich genug aus, chriſtliche und mildthaͤ-
tige Seelen zu erwecken. Dieſe rechtſchaffenen
Patrone haben auch fuͤr meine aͤlteſte Tochter vaͤ-
terlich geſorgt, und ihr in ihrem ſechzehnten Jahre
einen Mann gegeben, der beym Herrn Kammer-
rathe Verwalter iſt, einen feinen frommen gelaſ-
ſenen Mann, wie ich bin, nur noch einmal ſo alt,
als ich. Sie leben recht gut mit einander; denn
meine Tochter iſt das wahre Ebenbild von ihrer
Mutter. Sie hat mich auch ſchon zu einem ver-
gnuͤgten Großvater gemacht, und ihrem guten
Manne ein Toͤchterchen geſchenkt, welches dem
Vater bis auf die grauen Haare ſo aͤhnlich ſieht
wie ein Tropfen Waſſer dem andern. Jch habe
das aus des Herrn Kammerraths eignem Munde;
denn mir kam es nicht ſo vor. Sehen ſie, mein
Herr, ſo lebe ich itzt! Der Himmel, der fuͤr eine

Frau
Q 4
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[247/0269] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. naͤhren! Nunmehr ließ mich es meine Frau em- pfinden, was fuͤr ein ſchreckliches Verbrechen es ſey, kein Geld zu haben. Meine Schwiegeraͤl- tern hielten mich fuͤr den groͤßten Boͤſewicht; und nun erſt fiel es ihnen ein, daß ich ihr armes un- ſchuldiges Kind verfuͤhrt haͤtte. Mit einem Worte, ich habe ſeit achtzehn Jahren, unter der ſtrengen Vormundſchaft meiner Frau, ein trauriges Leben gefuͤhrt. Gleichwohl hat ſie mich immer noth- duͤrftig ernaͤhrt; das kann ich ihr nachruͤhmen. Jch wuͤrde kaum begreifen koͤnnen, wo dieſer Segen herkaͤme; aber der Herr Kammerrath, und der Herr Oberamtmann ſind ein paar liebenswuͤr- dige Maͤnner, und meine Frau ſieht in der That noch reinlich genug aus, chriſtliche und mildthaͤ- tige Seelen zu erwecken. Dieſe rechtſchaffenen Patrone haben auch fuͤr meine aͤlteſte Tochter vaͤ- terlich geſorgt, und ihr in ihrem ſechzehnten Jahre einen Mann gegeben, der beym Herrn Kammer- rathe Verwalter iſt, einen feinen frommen gelaſ- ſenen Mann, wie ich bin, nur noch einmal ſo alt, als ich. Sie leben recht gut mit einander; denn meine Tochter iſt das wahre Ebenbild von ihrer Mutter. Sie hat mich auch ſchon zu einem ver- gnuͤgten Großvater gemacht, und ihrem guten Manne ein Toͤchterchen geſchenkt, welches dem Vater bis auf die grauen Haare ſo aͤhnlich ſieht wie ein Tropfen Waſſer dem andern. Jch habe das aus des Herrn Kammerraths eignem Munde; denn mir kam es nicht ſo vor. Sehen ſie, mein Herr, ſo lebe ich itzt! Der Himmel, der fuͤr eine Frau Q 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/269>, abgerufen am 22.11.2024.