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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
war unglücklich, und der Mann in der größten
Verzweiflung. Zehnjährige Geduld, Verach-
tung gegen sein ehliches Gerippe, tausenderley
Verdruß, so gar Schläge waren also nicht ver-
mögend, ihr einen Ekel gegen diese vergängliche
Welt zu machen. Sie lebte ihm zum Trotze, und
alle seine Arzeneyen würden kaum im Stande ge-
wesen seyn, ihre hartnäckige Seele aus dem alten
Neste zu jagen, wenn sich nicht der Himmel der
Ehen seiner angenommen und zugelassen hätte,
daß das unbescheidene Weib ihren siebzigjähri-
gen Hals brach, da sie eben im Begriffe war, ein
Fläschchen Aqvavit aus ihrer Schlafkammer zu
holen.

Unser Herr Doctor Saft war also ein Witt-
wer. Nun hatte er Vermögen, und nun nahm er
sich vor, vernünftiger zu heirathen: denn das ge-
stund er, daß er das erstemal unvernünftig ge-
wählt hätte. Er glaubte, es fehle ihm weiter
nichts, als ein höherer Titel, und die Verbin-
dung mit einer ansehnlichen Familie, welche sein
Glück auf eine dauerhafte Art befestigen, und ihm
das Recht geben könne, eine wichtige Miene zu
machen. Er fand beides; denn Titel sind immer
feil, und immer giebt es ansehnliche Familien, mit
noch ansehnlichern Schulden; Familien, die sich
bey dem Vermögen ihrer Freunde wohl befinden.
Herr Hofrath Saft suchte also die Tochter eines
Geheimen Raths zu erbeuten, welcher an einem
kleinen Hofe vornehm genug war, den Ehrgeiz
eines Schwiegersohns zu sättigen. Man über-

win-

Antons Panßa von Mancha
war ungluͤcklich, und der Mann in der groͤßten
Verzweiflung. Zehnjaͤhrige Geduld, Verach-
tung gegen ſein ehliches Gerippe, tauſenderley
Verdruß, ſo gar Schlaͤge waren alſo nicht ver-
moͤgend, ihr einen Ekel gegen dieſe vergaͤngliche
Welt zu machen. Sie lebte ihm zum Trotze, und
alle ſeine Arzeneyen wuͤrden kaum im Stande ge-
weſen ſeyn, ihre hartnaͤckige Seele aus dem alten
Neſte zu jagen, wenn ſich nicht der Himmel der
Ehen ſeiner angenommen und zugelaſſen haͤtte,
daß das unbeſcheidene Weib ihren ſiebzigjaͤhri-
gen Hals brach, da ſie eben im Begriffe war, ein
Flaͤſchchen Aqvavit aus ihrer Schlafkammer zu
holen.

Unſer Herr Doctor Saft war alſo ein Witt-
wer. Nun hatte er Vermoͤgen, und nun nahm er
ſich vor, vernuͤnftiger zu heirathen: denn das ge-
ſtund er, daß er das erſtemal unvernuͤnftig ge-
waͤhlt haͤtte. Er glaubte, es fehle ihm weiter
nichts, als ein hoͤherer Titel, und die Verbin-
dung mit einer anſehnlichen Familie, welche ſein
Gluͤck auf eine dauerhafte Art befeſtigen, und ihm
das Recht geben koͤnne, eine wichtige Miene zu
machen. Er fand beides; denn Titel ſind immer
feil, und immer giebt es anſehnliche Familien, mit
noch anſehnlichern Schulden; Familien, die ſich
bey dem Vermoͤgen ihrer Freunde wohl befinden.
Herr Hofrath Saft ſuchte alſo die Tochter eines
Geheimen Raths zu erbeuten, welcher an einem
kleinen Hofe vornehm genug war, den Ehrgeiz
eines Schwiegerſohns zu ſaͤttigen. Man uͤber-

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[236/0258] Antons Panßa von Mancha war ungluͤcklich, und der Mann in der groͤßten Verzweiflung. Zehnjaͤhrige Geduld, Verach- tung gegen ſein ehliches Gerippe, tauſenderley Verdruß, ſo gar Schlaͤge waren alſo nicht ver- moͤgend, ihr einen Ekel gegen dieſe vergaͤngliche Welt zu machen. Sie lebte ihm zum Trotze, und alle ſeine Arzeneyen wuͤrden kaum im Stande ge- weſen ſeyn, ihre hartnaͤckige Seele aus dem alten Neſte zu jagen, wenn ſich nicht der Himmel der Ehen ſeiner angenommen und zugelaſſen haͤtte, daß das unbeſcheidene Weib ihren ſiebzigjaͤhri- gen Hals brach, da ſie eben im Begriffe war, ein Flaͤſchchen Aqvavit aus ihrer Schlafkammer zu holen. Unſer Herr Doctor Saft war alſo ein Witt- wer. Nun hatte er Vermoͤgen, und nun nahm er ſich vor, vernuͤnftiger zu heirathen: denn das ge- ſtund er, daß er das erſtemal unvernuͤnftig ge- waͤhlt haͤtte. Er glaubte, es fehle ihm weiter nichts, als ein hoͤherer Titel, und die Verbin- dung mit einer anſehnlichen Familie, welche ſein Gluͤck auf eine dauerhafte Art befeſtigen, und ihm das Recht geben koͤnne, eine wichtige Miene zu machen. Er fand beides; denn Titel ſind immer feil, und immer giebt es anſehnliche Familien, mit noch anſehnlichern Schulden; Familien, die ſich bey dem Vermoͤgen ihrer Freunde wohl befinden. Herr Hofrath Saft ſuchte alſo die Tochter eines Geheimen Raths zu erbeuten, welcher an einem kleinen Hofe vornehm genug war, den Ehrgeiz eines Schwiegerſohns zu ſaͤttigen. Man uͤber- win-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/258>, abgerufen am 22.11.2024.