Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
zufriedenen Munterkeit eines ruhigen Gewissens
gestanden, daß er an diesem frühzeitigen Tode nicht
Ursache sey.

Man weis die Noth der armen Wittwen.
Fast ieder sucht sie zu bevortheilen, und niemand
nimmt sich ihrer an. Man wird wenig Exempel
finden, daß eine Wittwe sich um deßwillen zum
zweytenmale verheirathet, um zum zweytenmale
einen Mann zu bekommen; o nein! um deßwillen
gar nicht! Nur darum geschieht es, um eine Stütze
in ihrer Noth zu haben, und sich einen Freund zu
verbinden, der sich ihres Hauswesens annehme,
der sie wider die Zunöthigungen ihrer Feinde schütze,
mit einem Worte, der ihr Mann sey.

Diese Sittenlehren verstund meine alte Wir-
thinn aus dem Grunde. Sie war seit zehen Jah-
ren Wittwe, und ihre Feinde gaben ihr Schuld,
daß sie bey dem Absterben ihres Mannes wenig-
stens acht und vierzig Jahr alt gewesen sey. Sie
keuchte und zitterte ziemlich mit dem Kopfe; aber
ihr Arzt, ein junger artiger Doctor, war so ga-
lant, ihr zu beweisen, daß es von einem feurigen
und wilden Geblüte herkomme. Sie brauchte eine
Brille, es ist wahr; aber es geschahe nur, ihre
Augen desto schärfer zu erhalten. Mit einem
Worte, es fehlte ihr zu ihrer Zufriedenheit weiter
nichts, als ein Freund, der für sie sorgte, der sich
ihrer annähme, und der ihr ziemlich ansehnliches
Vermögen wider die eigennützigen Nachstellungen

ihrer

Antons Panßa von Mancha
zufriedenen Munterkeit eines ruhigen Gewiſſens
geſtanden, daß er an dieſem fruͤhzeitigen Tode nicht
Urſache ſey.

Man weis die Noth der armen Wittwen.
Faſt ieder ſucht ſie zu bevortheilen, und niemand
nimmt ſich ihrer an. Man wird wenig Exempel
finden, daß eine Wittwe ſich um deßwillen zum
zweytenmale verheirathet, um zum zweytenmale
einen Mann zu bekommen; o nein! um deßwillen
gar nicht! Nur darum geſchieht es, um eine Stuͤtze
in ihrer Noth zu haben, und ſich einen Freund zu
verbinden, der ſich ihres Hausweſens annehme,
der ſie wider die Zunoͤthigungen ihrer Feinde ſchuͤtze,
mit einem Worte, der ihr Mann ſey.

Dieſe Sittenlehren verſtund meine alte Wir-
thinn aus dem Grunde. Sie war ſeit zehen Jah-
ren Wittwe, und ihre Feinde gaben ihr Schuld,
daß ſie bey dem Abſterben ihres Mannes wenig-
ſtens acht und vierzig Jahr alt geweſen ſey. Sie
keuchte und zitterte ziemlich mit dem Kopfe; aber
ihr Arzt, ein junger artiger Doctor, war ſo ga-
lant, ihr zu beweiſen, daß es von einem feurigen
und wilden Gebluͤte herkomme. Sie brauchte eine
Brille, es iſt wahr; aber es geſchahe nur, ihre
Augen deſto ſchaͤrfer zu erhalten. Mit einem
Worte, es fehlte ihr zu ihrer Zufriedenheit weiter
nichts, als ein Freund, der fuͤr ſie ſorgte, der ſich
ihrer annaͤhme, und der ihr ziemlich anſehnliches
Vermoͤgen wider die eigennuͤtzigen Nachſtellungen

ihrer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="234"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
zufriedenen Munterkeit eines ruhigen Gewi&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
ge&#x017F;tanden, daß er an die&#x017F;em fru&#x0364;hzeitigen Tode nicht<lb/>
Ur&#x017F;ache &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Man weis die Noth der armen Wittwen.<lb/>
Fa&#x017F;t ieder &#x017F;ucht &#x017F;ie zu bevortheilen, und niemand<lb/>
nimmt &#x017F;ich ihrer an. Man wird wenig Exempel<lb/>
finden, daß eine Wittwe &#x017F;ich um deßwillen zum<lb/>
zweytenmale verheirathet, um zum zweytenmale<lb/>
einen Mann zu bekommen; o nein! um deßwillen<lb/>
gar nicht! Nur darum ge&#x017F;chieht es, um eine Stu&#x0364;tze<lb/>
in ihrer Noth zu haben, und &#x017F;ich einen Freund zu<lb/>
verbinden, der &#x017F;ich ihres Hauswe&#x017F;ens annehme,<lb/>
der &#x017F;ie wider die Zuno&#x0364;thigungen ihrer Feinde &#x017F;chu&#x0364;tze,<lb/>
mit einem Worte, der ihr Mann &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Sittenlehren ver&#x017F;tund meine alte Wir-<lb/>
thinn aus dem Grunde. Sie war &#x017F;eit zehen Jah-<lb/>
ren Wittwe, und ihre Feinde gaben ihr Schuld,<lb/>
daß &#x017F;ie bey dem Ab&#x017F;terben ihres Mannes wenig-<lb/>
&#x017F;tens acht und vierzig Jahr alt gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Sie<lb/>
keuchte und zitterte ziemlich mit dem Kopfe; aber<lb/>
ihr Arzt, ein junger artiger Doctor, war &#x017F;o ga-<lb/>
lant, ihr zu bewei&#x017F;en, daß es von einem feurigen<lb/>
und wilden Geblu&#x0364;te herkomme. Sie brauchte eine<lb/>
Brille, es i&#x017F;t wahr; aber es ge&#x017F;chahe nur, ihre<lb/>
Augen de&#x017F;to &#x017F;cha&#x0364;rfer zu erhalten. Mit einem<lb/>
Worte, es fehlte ihr zu ihrer Zufriedenheit weiter<lb/>
nichts, als ein Freund, der fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;orgte, der &#x017F;ich<lb/>
ihrer anna&#x0364;hme, und der ihr ziemlich an&#x017F;ehnliches<lb/>
Vermo&#x0364;gen wider die eigennu&#x0364;tzigen Nach&#x017F;tellungen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihrer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0256] Antons Panßa von Mancha zufriedenen Munterkeit eines ruhigen Gewiſſens geſtanden, daß er an dieſem fruͤhzeitigen Tode nicht Urſache ſey. Man weis die Noth der armen Wittwen. Faſt ieder ſucht ſie zu bevortheilen, und niemand nimmt ſich ihrer an. Man wird wenig Exempel finden, daß eine Wittwe ſich um deßwillen zum zweytenmale verheirathet, um zum zweytenmale einen Mann zu bekommen; o nein! um deßwillen gar nicht! Nur darum geſchieht es, um eine Stuͤtze in ihrer Noth zu haben, und ſich einen Freund zu verbinden, der ſich ihres Hausweſens annehme, der ſie wider die Zunoͤthigungen ihrer Feinde ſchuͤtze, mit einem Worte, der ihr Mann ſey. Dieſe Sittenlehren verſtund meine alte Wir- thinn aus dem Grunde. Sie war ſeit zehen Jah- ren Wittwe, und ihre Feinde gaben ihr Schuld, daß ſie bey dem Abſterben ihres Mannes wenig- ſtens acht und vierzig Jahr alt geweſen ſey. Sie keuchte und zitterte ziemlich mit dem Kopfe; aber ihr Arzt, ein junger artiger Doctor, war ſo ga- lant, ihr zu beweiſen, daß es von einem feurigen und wilden Gebluͤte herkomme. Sie brauchte eine Brille, es iſt wahr; aber es geſchahe nur, ihre Augen deſto ſchaͤrfer zu erhalten. Mit einem Worte, es fehlte ihr zu ihrer Zufriedenheit weiter nichts, als ein Freund, der fuͤr ſie ſorgte, der ſich ihrer annaͤhme, und der ihr ziemlich anſehnliches Vermoͤgen wider die eigennuͤtzigen Nachſtellungen ihrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/256
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/256>, abgerufen am 25.11.2024.